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Gedankenkonstrukt

Beitragvon maxk » Mo 13 Jun, 2011 20:37


Kaum gelebt, schon verworfen – nun, zunächst gestrichen, geknüllt, geworfen - dann meistens verworfen.

Versfetzen um Versfetzen. Gedankenlosigkeit trifft –vielfalt.

Ich verputze, lackiere, montiere, demontiere, montiere richtig, suche ab und an nach der fehlenden Ikeaschraube. Ich baue. Nach Plan. Meist – nein, eigentlich nie pünktlich.

Gedanken, Pläne, Schrauben, alles vergessen beim Aufmarsch der Massen. Vorhang auf!

Da kommen sie in Heerscharen, pflügen durch die Länder und lassen nichts als Verwüstung zurück. Vor nichts schrecken sie zurück, wie paradox es auch sei. Hinter ihnen zieht sich eine zerklüftete Landschaft dem Horizont entgegen. Ein ordentliches Chaos, keine Frage. Wohl auch eine chaotische Ordnung?

[Auftritt: Baumeister]
Ich bin Bau. Meister. Vor allem aber bin ich Wühler. Kein Maulwurf, nicht so blind. Ich laufe - ähem - wühle mit großen Augen durch die Gegend. Nach und nach sammele ich hier und da ein Staalträgerchen, dort ein Tönnchen Beton und da drunter vielleicht sogar noch etwas Mörtel. Hinter mir ziehe ich die ganze Zeit über einen hölzernen Schlitten. Kein Rodelschlitten, kein Hundeschlitten und Rentiere hat mein Schlitten auch noch nie zu spüren gekriegt. Nein, das ist meiner, mein teuerster Mitarbeiter, dem nun wirklich die ganze Last auf den Schultern liegt. Ich zieh also so von dannen und mein Schlitten ächzt immer lauter. Ich gebe mir einen Ruck, nehme die einzelnen Teile vom Schlitten und türme sie auf. Hier ein Hammerschlag, da ein beherzter Fußtritt, schon steht ein nicht ganz unpassables An-Wesen vor mir und grinst scheinbar belustigt ob all der Mühen, aus Müll so etwas zu recyceln.
Ich packe ein, verstau alle Reste auf dem Schlitten und schon erinnert nichts mehr an die ehemalige Großbaustelle. Mein grinsendes Werk sitzt zwar noch kurz da und schaut belustigt drein ob meiner Bemühungen, den grünen Dreck zu verstauen, hüpft dann aber auch pfeifend davon.
Mit ihr hüpft ein Teil aus meiner ganz eigenen Baustelle ins Irgendwo. Vielleicht findet auch er einen Wühler, der ihn in seinem Werk verbaut. Hoffentlich gibt er ihm wenigstens einen Platz auf seinem Schlitten. [Pfeifend geht der Baumeister ab]

[Auftritt Chorarbeiter]
Der Bau ist nun beendet und doch im Bau. Der Baumeister ist fertig aber noch lange nicht arbeitslos. Autoren gibt es (zu) viele aber kaum Wühler.
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Re: Gedankenkonstrukt

Beitragvon cube » Di 14 Jun, 2011 19:53


Hallo maxk,

eine Analogie, in der der Baumeister und Wühler den Schreiber darstellt. In dieser Lesart wäre ich ein Teil der Masse, die durch das Gebäude (nein, Moment, es ist kein Gebäude. Du sprichst von Ländereien, aber eben wars noch ein Ikea-Regal. Es ist nicht unbedingt notwendig, aber du kannst überlegen, auf einer Bildebene zu bleiben. Gerade bei eher abstrakten Texten könnten die Wechsel den Leser sonst zusätzlich durcheinanderbringen.) Sei es Gebäude, Regal oder Länderei, auf jeden Fall ists der Text und die vor nichts zurückschreckende Masse wären die Leser, die verwüsten, indem sie ihre Lesart hineinlegen und das Gedankengebäude des Autors nicht achten. Wie ich gerade. Das wenigstens ist meine Lesart vor Auftritt des Baumeisters.

Noch ein paar Anmerkungen:

Meist – nein, eigentlich nie pünktlich.


Als Idee finde ich es gut, einen Erzähler zu haben, der sich selbst widerspricht. Das bringt prinzipiell Spannung in die Worte. Ich lese gerade Beckett, der erzählt scheinbar gern widersprüchlich.
Interessanter fände ich einen gewissen Abstand zwischen Behauptung und Verneinung oder Relativierung. Also bspw erst: Meist liefere ich pünktlich. Dann eine andere Information, den nächsten Satz. Und dann so was wie: Pünktlichkeit ist in meinem Gewerbe unmöglich. Das ginge sicher auch spritziger, aber so in etwa. Das lässt den Leser aufmerken, da muss er überlegen, das wäre eine Variante, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Hinter ihnen zieht sich eine zerklüftete Landschaft dem Horizont entgegen.


Solche Belebungen an sich unbelebter Dinge nur, wenn es wirklich sinnvoll ist. Hier wäre mE der reduzierte Satz: Hinter ihnen (sieht man) eine zerklüftete Landschaft bis zum Horizont. geschickter.

Rentiere hat mein Schlitten auch noch nie zu spüren gekriegt.


Ähnlich wie oben. Man könnte sich hier fragen, was denn der Schlitten spürt, wenn er von Rentieren oder Hunden gezogen wird. Diese Frage wird hier impliziert - das ist dann so ein Satz, der ins Nirgendwo führt, wenn man ihn durchdenkt. Wenn man das nicht bewusst macht, besser eine schlichtere Variante wählen.

Staal -> Stahl

Der Text ist nicht so mein Fall. Kann daran liegen, dass er so einen Suchauftrag nach Intention zu enthalten scheint. Ich bin ein symbolisches Gedankengebäude, entschlüssel mich. Das ist aber sicher persönliche Vorliebe, dein Titel 'warnt' auf jeden Fall vor, was hier zu erwarten ist.

Viele Grüße
cube
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