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Klaus & ich retrospektivKomme aus dem Supermarkt, zu dem ich immer auf dem Nachhauseweg fahre um einzukaufen. Plötzlich steht Klaus vor mir. Er sieht zum Kotzen aus. Sofort wird mir klar: er hat immer noch nicht aufgehört. „Hey Pedder“, sagt er „dich sieht man ja überhaupt nicht mehr, was machstn' so?“ Ich erzähle ihm von meinem Job, meiner neuen Wohnung und merke, er hört nicht richtig zu. Der erste Kompromiss, der mir einfällt ist, mich nach gemeinsamen Bekannten zu erkundigen: „Triffst du eigentlich den a, b, c, noch?“ Zusammen holen wir Gespenster ans Tageslicht, mit denen wir endlose Nächte geteilt haben. Gemeinsame Grenzerfahrungen im chemischen Bereich und auch im Zwischenmenschlichen. Dabei sieht er aus, als wäre er normalerweise nicht tagsüber unterwegs. Die Haut fahl, die Pickel der nächsten und übernächsten Generation sind schon jetzt sichtbar, die Kiefer mahlen unentwegt, nur unterbrochen durch die stakkatoartigen Sätze der eilig herausgepressten Informationen. In seinen Mundwinkeln ist eine weiße Substanz, die wir früher als Laberkäse bezeichnet haben. Ich sehe den feinen Fäden zu, die sich von seiner Ober- zur Unterlippe spannen und merke, dass auch ich Schwierigkeiten habe zuzuhören. Als er mich fragt, ob ich „was am Start“ hätte, muss ich ihn enttäuschen: „Ich nehm nix mehr.“ Fast ein wenig mitleidig sieht er mich an. Der Job war schon eine halbe Disqualifikation, jetzt ist mir der Rückweg gänzlich versperrt. Ich mache mich vollständig zum Affen, indem ich meine Sorge offen zeige: „Klaus, du siehst echt nicht gut aus, willst du den Dreck nicht auch mal sein lassen?° „Mach ich doch, schon seit einer Woche ist nix mehr zu kriegen“, er lacht. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mitgelacht. Wir hatten Spaß miteinander als wir uns noch gemeinsam zerstörten. Am frühen Abend jeder eine fette Nase Amphetamine und erst dann die Frage: „und wohin heute Abend?“ Bevor die Entscheidung fiel wurden es auch mal drei bis vier. Dann den Martin angerufen und gefragt, ob er mitkommt ins Metaluna 5. Klar kam er zu uns und er brachte Pillen mit. „Hey, was sind das denn für welche?“ „Keine Ahnung, Mund auf, Augen zu.“ Eine halbe Stunde später, kaum wirkten die Dinger - ab ins Lokal. Dummes Zeug erzählen, schöne Frauen anschauen und verpeilte Träume träumen. Klaus schleppte einen Kollegen der Geburtstag hatte an unseren Tisch, nach einer Viertelstunde Kennenlernen mochte er uns so sehr, dass er uns beinahe zum Klo zerrte, um sein Koks mit uns zu teilen. Niemand preist sein Zeug so an, wie ein Koks-User. Wenn sie zugäben, dass sie 70€ für schlechte Qualität ausgegeben haben, wie stünden sie dann da? Egal, das Zeugs war okay und Minuten später dachten wir, unsere Herzen würden zerreißen. Vor der Kneipe versuchten wir uns runterzukiffen, aber ohne jeden Erfolg. Zum Glück kam noch ein Großhändler mit Trips dazu der Klaus kannte und keine Stunde darauf waren wir zu fasziniert von so ziemlich Allem, als das wir uns noch um unsere Gesundheit Sorgen machten. Im Laufe des Abends verschwand Klaus noch mit einer betrunkenen Frau auf die Toilette und erzählte uns, ganz der Gentleman, von seinen Beischlafqualitäten. Ich musste an die Kokser denken und grinste ganz für mich. An fast jedem solcher Abende kam es irgendwann zu dem Punkt, an dem ich mich fragte, wielange man so leben konnte und pathetische Gedanken ans Aufhören verschwendete. Das Gefühl nicht dazu zu gehören, weder hier, noch in der Realität. An diesem Abend war es soweit, als wir uns mit einer aufgedonnerten Frau auf dem Damenklo wiederfanden, wo sie sich als völlig idiotisch herausstellte: „Ey, hat keiner 'n Hunni? Ich zieh doch das gute Zeugs nicht mit 'nem Zehner.“ Das meinte sie tatsächlich ernst. Sie gab mir meinen blutigen Schein zurück und schmierte sich den Rest Pulver vom Spülkasten mit dem Finger aufs Zahnfleisch, als wär sie der Star aus einem kitschigen Mafiafilmchen. An der Theke flüsterte sie mir konspirativ zu: „komm lass uns zu mir und ficken.“ Spätestens da wurde mir klar, dass mir meine berauschten Träume zuhause lieber waren, als mich weiter treiben zu lassen. Auf dem Heimweg wurde es hell und die Vögel kamen mir zuhilfe. Sie sangen so unverstellt und echt, dass es fast weh tat und beinahe wünschte ich, ich wäre nüchtern. Wir alle sind verloren in der Nacht, betäuben uns, weil wir es nicht wissen wollen und am Tage mag es genauso sein, aber da schlafen wir und abends schauen wir was noch da ist um uns zu belügen. Wenn es alle ist, telefonieren wir und kaufen Neues. Das war lange Zeit okay, für Klaus funktioniert es noch immer. Er fragt mich, ob wir uns mal treffen sollen. Klar, lüge ich wie ein Junkie, und gebe ihm eine erfundene Handynummer. Wir verabschieden uns und ich gehe. Ich weiß, es ist feige und so gar nicht alte-Freunde-mäßig, doch ich gehe lieber wieder in die Stille meines Alltags, in dem die Sonne nicht mehr mein Feind, die Nacht zum Schlafen da, und der Gesang der Vögel mir Trost ist, obwohl ich weiß, dass ich verloren bin.
Ja Ja Ja
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