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Die Sache mit dem guten Geschmack

BeitragVerfasst: Do 08 Jan, 2009 23:11
von Perry
[size=85:mcigigko]Seit meine Geschmacksnerven nachgelassen haben, trinke ich billigen Landwein genussvoll wie teuren Bordeaux. Auch schmeckt mir eine Grießnockerlsuppe aus der Tüte genauso wie eine Frühlingslauchsuppe mit Zander-Safran-Klößchen à la carte.

Seit mein Hörvermögen nachgelassen hat, höre ich Heavy-Metal-Musik lauter als ich es mir zu meiner Sturm- und Drangzeit jemals getraut hätte. Auch dirigiere ich heute die Moldau von Smetana aus dem Transistorradio mit mehr Hingabe als ich es zu meiner Revox Anlage je getan habe.

Seit mein Sehvermögen nachgelassen hat, finde ich Frauen im reiferen Alter genauso schön wie die jungen Verzickten. Auch kann ich mich über ein Poster von Goyas nackter Maja über meinem Futonbett aus Naturholz genauso freuen wie über das Original im Museo del Prado in Madrid.[/size]

Re: Die Sache mit dem guten Geschmack

BeitragVerfasst: Sa 10 Jan, 2009 12:58
von Old Gil
Hallo Perry.
Meiner Meinung nach hast du hier ein ziemlich interessantes Thema verarbeitet. Die Nerven und die Wahrnehmungsfähigeit des LyrIchs lassen nach, doch anstatt sich über die fehlenden Kontraste in der Welt zu ärgern, sagt es sich "Hey, wenn mir ein Fiat Punto so schnelle wie ein Formel 1 Wage vorkommt, muss ich schon nicht tausende Euro für die halbstündige Probefahrt ausgeben." Aus der Resignation vor der Unaufhaltsamkeit des Alters und den damit Verbundenen "Unannehmlcihkeiten" hat sich dein lyrIch einen Vorteil geschöpft. Wobei dieser Prozess gistiger Reifung jedoch nicht nur im Kukident-Alter eintritt sondern im Grunde über das ganze Leben hinweg zu spüren ist, meiner Meinung nach.
So.
Einige Probleme habe ich dann aber mit der Ausführung... Wie dir wahrscheinlich schon vor dem Posting des Textes klar war, wird eines der ersten Dinge, das dir hier von den Leuten an den Kopf geworfen wird, sein, dass das hier eigentlich kein Gedicht ist. Blöd, dass ich jetzt der erste bin, der das sagt, aber unvermeidlich. Du hast dir bestimmt etwas dabei gedacht, dass du auf die etablierte zeilenumbruchskonvention verzichtet hast - aber ich sehe nicht wirklich was. Ich glaube, würdest du das ganze verdichten und verzeilenbrechen hätten deine Leser mehr davon. Für eine Kurzgeschichte wiederrum ist meiner Meinung nach zu wenig Handlung da. Du könntest bestimmt auch einen tollen, etwas längeren Prosatext mit dem Thema gestalten. In der jetzigen Form ist es allerdings weder Fisch noch Fleisch, und ich weiß nicht, ob das so gut ist. (Wundert mich sowieso, warum das noch kein Moderator in die "Mischformen" Abteilung geschoben hat.)
Hinzu kommt noch, dass dein Text doch einen recht repetitiven Charakter besitzt. Drei veschiedene Aspekte beleuchtet, klar, aber im Endeffekt geht es doch immer um dasselbe, oder? Meiner Meinung nach würde der Text daran gewinnen, von neun langen zu sechs oder sieben kurzen Zeilen umgeschrieben zu werden.
Ansonsten gefällt's mir, gerne gelesen.
Best of Grüße,
erstmal. ...gil.

Re: Die Sache mit dem guten Geschmack

BeitragVerfasst: So 11 Jan, 2009 18:54
von Perry
Hallo Gil,
natürlich ist der Text ein Grenzfall, aber für mich weist er durch die formalen Wiederholungen doch gewisse Lyrikfaktoren auf und soll mit seinen Beispielen eine etwas hintergründige Aussage transportieren. Was hat es denn eigentlich auf sich mit dem guten Geschmack? Es geht nicht nur um die Sinne sondern um die Geisteshaltung, die uns gewisse gesellschaftliche Zwänge einreden wollen. Z.B. "Gutes Essen muss teuer sein, Klassik ist etwas Elitäres und Liebe nur für Junge.
Danke jedenfalls für dein Interesse und deine Gedanken zu dem Thema.
LG
Perry

Re: Die Sache mit dem guten Geschmack

BeitragVerfasst: Mo 12 Jan, 2009 17:25
von Stullen Andi
nach Absprache aus Lyrik zu den Mischformen verschoben / Stulle