Max Frisch - Homo Faber Das Ende
Verfasst: Mo 22 Dez, 2008 13:38
Für die Schule soll ich das Ende von Homo Faber schreiben. Das heißt, was, nachdem die Ärzte kommen, passieren könnte. Weil wir Ferien haben und ich jede Menge Zeit, wollte ich mich intensiver als sonst mit der Aufgabe auseinandersetzen. Deshalb bitte ich euch, den folgenden Text auf Schwachstellen hin zu untersuchen. Am Inhalt darf ich nichts verändern, da dieser von unserer Gruppe festgelegt wurde und ich das Ende nur in Worte fassen sollte.
Max Frisch – Homo Faber
Das Ende
Ich bin einfach gegangen.
Als sie die Kittel brachten, die weiß waren, dachte ich, so nicht. Dann haben sie mich alleine gelassen mit eben diesen weißen Kitteln, und ich bin raus aus dem Krankenhaus. Marschiert wie ein Offizier nur gekrümmter, schwerfälliger als wäre etwas falsch mit mir. Als würde ich mir nicht mehr gehorchen. Ich habe funktioniert, aber wie es mir scheint, lasse selbst ich nach.
Jetzt stehe ich in der Menge, einer Summe aus Menschen, und frage mich, warum. Warum. Ich würde es schreien, bin mir unschlüssig, ob ich es kann und werde es nicht versuchen. Menschen sind Illusionäre und glauben zu wissen, wohin. Ich sage mir, sie wissen es nicht. Um real und wirklich leben zu können, braucht es Momente, die wir, die wir wohl am heuchlerischsten sind, nicht bloß zu anderen, auch zu uns selber, schaffen. Die Menschen als Ergebnis ihrer Selbsttäuschung. Mir wird einiges klar.
Ich humple weiter. Ich humple absichtlich und verfolge den Faden, der sich rot durch die Stadt zieht, an den ich gebunden bin wie eine Marionette. Ich ignoriere alles. Dann plötzlich die Telefonzelle. Sie steht nur da, und ich merke, ich muss halten. Die Türe drücke ich auf, das gesamte Gewicht meines Körpers gegen diese eine Tür, und empfinde es als mein größtes Hindernis. Ich habe den Hörer in der Hand und wähle. Ich tippe Zahlen, irgendwelche, bis ich feststelle; ich habe ihre Nummer gewählt. Warten. Ich kann nicht warten, denn ich habe die Zeit nicht länger in meiner Hand. Zeit umgibt mich.
Die Frauenstimme am anderen Ende meldet sich. Die Reaktion: Der Hörer, meine Ohren werden warm. Ich denke – nein - ich weiß, ich müsste verbrennen. Alles ist seltsam, die ganze Welt.
„Walter, wie geht es dir? Waren die Ärzte da?“
Ja. Es ist Stille, und ich fühle den Glaskasten um mich herum. Dahinter Autos, Lärm, eine Straße, die sich biegt.
„Walter… wo bist du?“
Sie ist nicht töricht, versteht mehr als die anderen – und ich.
„Warum unser Kind?“, höre ich mich fragen.
Ich merke, ich wollte es immer wissen.
„Sag mir, wo du bist. Du hörst dich nicht gut an.“
„Warum unser Kind?“
Ich höre sie ausatmen und atme mit, genauso lange wie sie.
„Weil wir zusammen waren. Wir waren eins, Walter. Und wenn man eins ist, fragt man nicht danach, wem was gehört. Alles war unseres.“
Ich fühlte es nicht wie unseres, sondern wie ihres. Erst jetzt, da ich es traf… Es ist nicht mehr da, aber es gehört uns.
Der Kasten ist gefüllt von der Antwort. Sie schwebt überall, hängt wie ein Schleier vor dem Fensterglas, tropft von der Decke und umgibt mich.
„Sie ist ein Teil von uns“, sage ich.
„Sie ist Vergangenheit“, sagt sie.
Ich spüre: „Sie ist mir nahe.“
Ob sie nicht spricht, weil sie weiß, wie Recht ich habe?
„Walter, du redest wirres Zeug. Sie ist tot.“
Ich beende.
Sofort wird die Türe aufgeschwungen, der Kasten geöffnet. Ein Mädchen steht da und will telefonieren. Ich lasse sie hinein und die Wahrheit hinaus.
Weiter dem Faden hinterher. Weiter an der Straße entlang, die sich biegt zwischen Gefühlen und Gesetzen. Alles schwankt und ich schwanke mit. Wie eine Stadtbesichtigung. Drüben das Rathaus, links ein Café, das Weltencafé. Ich laufe an allem vorbei und bleibe stehen bei dem schwarzen Zaun, der die Wiese umrahmt. Auf der Wiese hohe Bäume, Fichten würde ich sagen wegen dem xeromorphen Bau der Nadeln und den Blütenzapfen. Sie stehen aufrecht, ich gebeugt, meine Hände umfassen die Hüfte, als müssten sie diese zusammenhalten.
Ich öffne das Tor, es quietscht wie meine Knochen. Irgendwie stört es mich, irgendwie auch nicht. Mein rechter Fuß betritt das Grundstück zuerst, der andere wird hinterher gezogen. Ob er zu mir gehört, zu meinem Körper? Etwas in mir sticht gegen die Bauchdecke und ich denke mir, da kann nichts stechen, da ist niemand in meinem Magen. Irgendwie habe ich Recht, irgendwie auch nicht. Mein Körper tut, was er will. Ich laufe vorbei an den Fichten, wenn sie tatsächlich welche sind, vorbei an Gestrüpp und Steinplatten, die senkrecht aus dem Boden ragen. Lämpchen am Rand, Blumenschmuck wie zu einer Feier. Ich feiere das Leben!
Es ist später Nachmittag, als ich mich neben die Steinplatte setze, die nicht umwuchert ist von Blumen, sondern einfach nur grau. In das Gestein ist ihr Name eingraviert, der Name unserer Tochter. Ich lege den Bericht neben mich. Und schreibe weiter. Ich muss schreiben. Ich habe diesen Drang danach. Eigentlich gibt es nichts mehr zu berichten, aber beende ich meinen Report, beende ich auch mich und ich traue mich nicht, einen Punkt zu setzen, einen kleinen schwarzen Punkt, der das Ende bedeutet von meinem Bericht, von allem, was war mit ihr, mit mir, mit uns und wenn ich darüber nachdenke, ist es ein seltsamer Bericht, den ich schrieb und noch schreibe, der alles umfasst, was mit uns war, der uns verbindet und zwischen uns gehört.
Ich entscheide: Ich begrabe ihn neben Sabeth und mir.
Ich halte fest: Ich bin der Wahrheit näher als jemals zuvor, sie umhüllt den Friedhof, umhüllt alles und ich bin zufrieden mit mir. Ich bin wie ich bin: Eine Summe aus dem, was ich wusste und dem, was ich nie erahnen konnte. Ein Mensch, ein Illusionär.
Ende des Berichtes.
Max Frisch – Homo Faber
Das Ende
Ich bin einfach gegangen.
Als sie die Kittel brachten, die weiß waren, dachte ich, so nicht. Dann haben sie mich alleine gelassen mit eben diesen weißen Kitteln, und ich bin raus aus dem Krankenhaus. Marschiert wie ein Offizier nur gekrümmter, schwerfälliger als wäre etwas falsch mit mir. Als würde ich mir nicht mehr gehorchen. Ich habe funktioniert, aber wie es mir scheint, lasse selbst ich nach.
Jetzt stehe ich in der Menge, einer Summe aus Menschen, und frage mich, warum. Warum. Ich würde es schreien, bin mir unschlüssig, ob ich es kann und werde es nicht versuchen. Menschen sind Illusionäre und glauben zu wissen, wohin. Ich sage mir, sie wissen es nicht. Um real und wirklich leben zu können, braucht es Momente, die wir, die wir wohl am heuchlerischsten sind, nicht bloß zu anderen, auch zu uns selber, schaffen. Die Menschen als Ergebnis ihrer Selbsttäuschung. Mir wird einiges klar.
Ich humple weiter. Ich humple absichtlich und verfolge den Faden, der sich rot durch die Stadt zieht, an den ich gebunden bin wie eine Marionette. Ich ignoriere alles. Dann plötzlich die Telefonzelle. Sie steht nur da, und ich merke, ich muss halten. Die Türe drücke ich auf, das gesamte Gewicht meines Körpers gegen diese eine Tür, und empfinde es als mein größtes Hindernis. Ich habe den Hörer in der Hand und wähle. Ich tippe Zahlen, irgendwelche, bis ich feststelle; ich habe ihre Nummer gewählt. Warten. Ich kann nicht warten, denn ich habe die Zeit nicht länger in meiner Hand. Zeit umgibt mich.
Die Frauenstimme am anderen Ende meldet sich. Die Reaktion: Der Hörer, meine Ohren werden warm. Ich denke – nein - ich weiß, ich müsste verbrennen. Alles ist seltsam, die ganze Welt.
„Walter, wie geht es dir? Waren die Ärzte da?“
Ja. Es ist Stille, und ich fühle den Glaskasten um mich herum. Dahinter Autos, Lärm, eine Straße, die sich biegt.
„Walter… wo bist du?“
Sie ist nicht töricht, versteht mehr als die anderen – und ich.
„Warum unser Kind?“, höre ich mich fragen.
Ich merke, ich wollte es immer wissen.
„Sag mir, wo du bist. Du hörst dich nicht gut an.“
„Warum unser Kind?“
Ich höre sie ausatmen und atme mit, genauso lange wie sie.
„Weil wir zusammen waren. Wir waren eins, Walter. Und wenn man eins ist, fragt man nicht danach, wem was gehört. Alles war unseres.“
Ich fühlte es nicht wie unseres, sondern wie ihres. Erst jetzt, da ich es traf… Es ist nicht mehr da, aber es gehört uns.
Der Kasten ist gefüllt von der Antwort. Sie schwebt überall, hängt wie ein Schleier vor dem Fensterglas, tropft von der Decke und umgibt mich.
„Sie ist ein Teil von uns“, sage ich.
„Sie ist Vergangenheit“, sagt sie.
Ich spüre: „Sie ist mir nahe.“
Ob sie nicht spricht, weil sie weiß, wie Recht ich habe?
„Walter, du redest wirres Zeug. Sie ist tot.“
Ich beende.
Sofort wird die Türe aufgeschwungen, der Kasten geöffnet. Ein Mädchen steht da und will telefonieren. Ich lasse sie hinein und die Wahrheit hinaus.
Weiter dem Faden hinterher. Weiter an der Straße entlang, die sich biegt zwischen Gefühlen und Gesetzen. Alles schwankt und ich schwanke mit. Wie eine Stadtbesichtigung. Drüben das Rathaus, links ein Café, das Weltencafé. Ich laufe an allem vorbei und bleibe stehen bei dem schwarzen Zaun, der die Wiese umrahmt. Auf der Wiese hohe Bäume, Fichten würde ich sagen wegen dem xeromorphen Bau der Nadeln und den Blütenzapfen. Sie stehen aufrecht, ich gebeugt, meine Hände umfassen die Hüfte, als müssten sie diese zusammenhalten.
Ich öffne das Tor, es quietscht wie meine Knochen. Irgendwie stört es mich, irgendwie auch nicht. Mein rechter Fuß betritt das Grundstück zuerst, der andere wird hinterher gezogen. Ob er zu mir gehört, zu meinem Körper? Etwas in mir sticht gegen die Bauchdecke und ich denke mir, da kann nichts stechen, da ist niemand in meinem Magen. Irgendwie habe ich Recht, irgendwie auch nicht. Mein Körper tut, was er will. Ich laufe vorbei an den Fichten, wenn sie tatsächlich welche sind, vorbei an Gestrüpp und Steinplatten, die senkrecht aus dem Boden ragen. Lämpchen am Rand, Blumenschmuck wie zu einer Feier. Ich feiere das Leben!
Es ist später Nachmittag, als ich mich neben die Steinplatte setze, die nicht umwuchert ist von Blumen, sondern einfach nur grau. In das Gestein ist ihr Name eingraviert, der Name unserer Tochter. Ich lege den Bericht neben mich. Und schreibe weiter. Ich muss schreiben. Ich habe diesen Drang danach. Eigentlich gibt es nichts mehr zu berichten, aber beende ich meinen Report, beende ich auch mich und ich traue mich nicht, einen Punkt zu setzen, einen kleinen schwarzen Punkt, der das Ende bedeutet von meinem Bericht, von allem, was war mit ihr, mit mir, mit uns und wenn ich darüber nachdenke, ist es ein seltsamer Bericht, den ich schrieb und noch schreibe, der alles umfasst, was mit uns war, der uns verbindet und zwischen uns gehört.
Ich entscheide: Ich begrabe ihn neben Sabeth und mir.
Ich halte fest: Ich bin der Wahrheit näher als jemals zuvor, sie umhüllt den Friedhof, umhüllt alles und ich bin zufrieden mit mir. Ich bin wie ich bin: Eine Summe aus dem, was ich wusste und dem, was ich nie erahnen konnte. Ein Mensch, ein Illusionär.
Ende des Berichtes.