bisher ohne Arbeitstitel

Beitragvon fritzagain » Sa 17 Apr, 2010 12:02


Der Titel



von:

Fritz Gegenbauer


















Zank



Den elektrischen Strom gibt es wieder, vielmehr es gibt solchen
noch.
Ausreichend verbrannte Luft, aller Voraussicht nach, aber auch.
Die schweren Aschenwolken sind lediglich vermutet. Tatsächlich
darum zu wissen nach Öffnen eines Fensterladens verlangt.
Wovon tunlichst abzuraten ist.
Beinah alle Fenster sind mühevoll verbarrikadiert worden.
Hinzu draußen Nacht es ohnehin bereits sein sollte.
Den Ruß demgemäß nur schemenhaft, vom Straßenlicht erfasste
Silhouetten, die Heckenzeilen in Nachbars Vorgärten man noch
erkenne. Aber Nachbarn hoffentlich nicht, hektisch am Beladen der
Fluchtwägen gewesen. In den letzten fünfzehn Minuten ging es
eminent auf der Straße zu. Tote Leiber nun überall verstreut zu
sehen. Auch das bleibt vorerst nur Vermutung, ganz eventuell ein
abwegiger, annähernd blöder Satz. Weil, wo genau die Treffer eben
einschlugen, ließ allein Hören nicht orten.
Hingegen hier, in der Villa, sich so einiges nochmals orten lässt.
Zum einen, mein Aufenthaltsort ist der, wo vor Augenblicken der
Anschein überwog, das letzte Mal am Leben zu sein.
Zweites Obergeschoß im Büro, verängstigt, ebenso doch huldvoll,
besser gesagt, im huldvoll Sein fantastisch sich angestrengt, und
hinterm Schreibtisch sitzen geblieben.
In Folge dessen zum anderen, so denn kein Trugschluss vorliegt,
die Villa, als auch ich, also der Körper, in dem die Anstrengung,
sitzen und huldvoll zu bleiben, unternommen war, haben einen ersten,
einen massiven ersten direkten Angriff überstanden.
Kurz sich vergewissert. Der Körper, zu mindestens, unbeschadet,
kein Kratzer, oder Blut lässt sich entdecken. Allerdings fehlt das
Vernehmen für Körperberührungen. Als ob wer anderer jemand
anderen anfasst.
Der grollende Krach, draußen das Dröhnen, es war bombastisch.
Was jetzt erst auffällig wird, einen, gleichzeitig einzigen Hinweis gibt
es, dass am Leben man ist. Nicht allein nur beruhigend der wirkt.
Euphorie und Überlegenheit, das Diebische am Triumph, erste
Gefühlsschauer davon wallen zaghaft durchs Nervennetz.
Der Grund für die Retention an Freude: In den Ohren ist Zittern zu
vernehmen.
Beide Trommelfelle zittern merklich und noch. Ein vibrierender Ton,
vielmehr ein Brummen. Überdies ein Flattern, es schmerzt.
Kein Wunder auch. Der ungestüme Donnerzyklon brach einfach ab.
Schlagartig aufgehört. Gegenden irgendwo weit weg der jetzt bestellt.
Ob die Stadt schon verlassen kann nicht gesagt werden, oder ist,
wenn nur, annäherungsweise schätzbar.
Ja zu sagen, ganz schnell, danach wäre mir.
Allerdings knallen derartige, gewaltige Hörspektakel zum ersten Mal in
meinem Leben.
Dennoch wird am Mut gezerrt, von Neuen; ordnendes Beruhigen sei
haften gebliebener Ratlosigkeit gleich mit hinzugezogen.
Denn die augenblickliche Konfusion lediglich als Wortglauben in
gedanklicher Wirrnis zu heißen,- was zuvor bereits im Kopf ein
unerschütterlicher Status war. Aktuell nach dem Bombenhagel plötzlich
obenauf alles liegt,- an komplexen Anschauungen wie der von purer
Wahrheit ausgiebig, als auch heftig kratzen würde. Hinzu der Gedanke,
auf reichlich opake Weise, zu nie geahnten Wortmarken verhilft. Vielmehr.
Der Gedanke verleitet zu einem beträchtlichen Maß an nie zuvor
ersinnten Wünschen.
Ein Beispiel in Anbetracht der Wirklichkeit, dass ein Kieselstein, üblich
gedacht zum Werfen auf Wasseroberflächen, urplötzlich in Größe und
Schroffheit existieren sollte, an sich, oder bis dato nur massive Felswände
sich derer anmaßten.
Diesen Stein, imposant wie die Eiger Nordwand, am Mond vorbei in den
Weltraum wuchten.
Der Eiger Nordwand allerdings, auf Grund meines grenzdebilen
Vergleichs zwischen Menschenhand, Kieselstein und Felswand, mal
schnell zum Auswuchs riesiger Berggiganten verholfen war. Die gesamte
Alpenlandschaft wäre über sich und über den Rand der dünnen Schicht
Atmosphäre hinaus gewachsen.
Mit anderen Augen, sinngemäß bereits im Zusammenhang der gestellten
Aufgabe es zu sehen. Das hätte zu einer riesenhaften Fehlleistung geführt.
Mit Nichten den Kieselstein bewegt, aber die Alpen dem Mond in Weg zu
stellen. In Kürze aufs Hindernis getroffen und durchschlagen es wäre,
gefolgt vom Herabstürzen kompakter Gebirgsbruchstücke, garantiert, auf
den Planeten.
Ich stelle fest. Der Aufgabe gerecht zu werden überhaupt dann nur gelingt,
während der Überlagerung von Dimensionen, wenn mit Grund festen
Begriffswelten, wie der reinen Wahrheit oder einem laut Wünsche äußern,
zu jedem Blödsinn ja bereit. Aber sodann nicht mehr, wenn es sich
erweisen würde, dass obendrein heimtückisches, teuflisches Spiel
betrieben darin wird.
Unterschiedliche Realitäten sind längst vermischt.
Damit Juxe anstellen hat als komplett vernunftwidrig zu gelten.
In Anbetracht radikaler Lebenslage sollte dafür kaum Platz sein hinter der
Stirn.
Die Problematik, weitaus mehr an Beruhigung zu erfahren. Um, eventuell
daraus bildend, ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit gegenüber
religiösen Angelegenheiten empfinden zu können. (Ich gehen streng in der
Annahme, dass es religiöse Angelegenheiten sind, die mich gefangen
nehmen.) Die Verabredung steht noch im Raum.
Etwas Existenz Gesondertes, die Fülle Erinnerungen daran, gilt es zu
erfassen.
Doch komplett absonderliches Vorgehen in mir geklärt zu wissen es
ebenso gilt. Dieses Vorgehen ist ein nahezu überwältigender Prozess. Auf
direkten Wege wurden darüber erste Explorationen bereits verfasst.
Lediglich strukturlose Beschreibungsübungen.
Die über alle Maßen schnell ausrutschten, zum Schluss nicht nur auf Grund
extremster Unverständlichkeit. Aber wie oft mal sich in Worten zuvor
vergriffen, zum ursprünglichen Beginn versucht genervt wieder anzusetzen,-
seltsames Gefühl es zu bemerken,- aber selbst gröbsten Überschlag jener
Anzahl zu erheben gelingt im Moment nicht mehr.
Gelingt nicht, weil das Erinnern daran verblasst. Aber gerade es die
Erinnerungen doch sein sollen, die sehr wichtig sind.
Mindestens einmal unterstrichen muss daher Folgendes gemeint sein.
Im zweiten Stockwerk der Villa sich selbst gegenüber eine rohe
Verantwortungslosigkeit mit bislang nicht gekannten Nachdruck zu
betreiben; dass entsetzlicher Gefahr und Konfusion ausgesetzt sich bleibt.
Mein Aufenthaltsort, um Schutz zu empfinden, wurde nicht etwa der Keller.
An Gespenstisches soll sich, oder will sich hier oben, im Büro, aber erinnert
sein.
Mindestens zweimal unterstrichen, das nicht geheuer Erinnerte die Nacht
durch versuchen gehaltvoll und verständlich in Sätze zu schmieden. Wort-,
bzw. ganze Fachbegrifferleuchtungen sind erwartet; die mehr, oder weniger
mit Geduld niedergeschrieben sein werden.
Demnächst, oder viel später, dann im Morgengrauen ersichtlich genug
aufzeigen werde, dass völligen Fehlverhalten vertraut war.
Aller Voraussicht nach zwei ausgesprochen fatalen Fehlern.
Bis auf den Grund, Schutz, Hab und Gut verloren, ausgebombt, viel
erschütternder allerdings, dass bis dahin alle Sammellager vielleicht schon
extremst überfüllt, bis unters Dach zugestopft wurden. Solche wertvolle Zeit
verloren zu haben, jede Option an Flucht blieb ungenutzt. So einer
Verkettung zu unterlaufen, die Ereignisse einfach geschehen zu lassen,
regungslosem Abwarten sich ausgeliefert sehen. Währenddessen auf beinah
Unmögliches aus sein. Ein schnelles Redigieren, respektive mit
Verbesserung der Lage zu rechnen. Die sich obendrein wie von selbst, von
ganz alleine ereignet haben soll. Dermaßen und ungemein aberrantes
Betragen rechtfertigen.
Einen eigentümlichen Ausspruch gibt es hierfür. Nur, wie heißt der doch
gleich?...Ach ja. Ein Problem einfach aus sitzen.
Den langen Spurt zum hiesigen Sammellager noch nicht zu Wege gebracht,
in letzteren Schreiberprobungen,- die der Wirklichkeit verpflichtet waren,- über
den kränklichen Umstand viel lieber, auch sehr hervorstechend geraten, als
logische Rechtfertigung geltend gemacht und sich darüber beklagt. Ein starker
Schmerz, in der ganzen Aufregung glatt vergessen der geriet, sticht nach wie
vor hinterm Brustkorb, als ob darin eingeklemmt.
Einem Geschoß verwandt. Größe und Umfang spüren sich an wie Golfball,
hundertprozentig unsportlich im Jähzorn abgeschlagen.
Der offensichtlich zielbewusste Hieb sitzt tief und fest eingekeilt im Lungenfleisch.
Während einer zügellosen Hast vorhin, durch enge Gassen, über weite Straßen
ums blanke Überleben und wie verrückt gerannt zu sein, zerrte ein so gewaltiger
Kraftakt am Organ, bis zum Äußersten.
Kurz vor Ende, nach dem Einbiegen in die Straße und die Villa bereits zu sehen
war, notdürftig angehalten, versucht ruhig und tief durch zu schnaufen. Ins Rennen
wieder zurückgefunden. Die Lungenflügel drohten von da an, mit nächsten Atemzug
und auf üble Art, auseinander zu reißen.
Seither persistent unternommenes Klopfen aufs Brustbein war längst wie
verselbstständigt geraten; ohne noch bemerkt zu sein.
Doch die vielen Faustschläge ließen den Schmerz weitestgehend unbekümmert.
Eigentlich verkrampft die stechende Geschwulst so nur.
Was dann unliebsam zu Kurzatmigkeit führt. Dermaßen stark, dass keinerlei
Modifizierung gelingen mag.
In die Villa war endlich gelangt, sich gerettet, die Haustür hinter sich zugeschlagen,
sofort stehen geblieben. Beide Beine knickten weg, aber gestanden blieb.
Gefühllosigkeit in allen Muskeln. Den Bereich Eingangshalle vor Augen. Der
Versuch sich umzusehen.
Erste Schritte, uneinig im Gehen, gewagt.
Von fast Dunkelheit umschlossen, die Abenddämmerung in den letzten Zügen.
Rechter Hand, heraus der Küche, strahlte Licht.
Weil morgens vergessen es auszuschalten.
Die Tür stand halb offen.
Vom hellen Lichtspalt erfasst, überaus wichtig das Blatt Papier in der Hand, aber
Daumen und Zeigefinger da sich noch hohl, wie nicht mehr vorhanden, an fühlten.
Der große Zettel löste sich aus der kraftlosen Pinzette, fiel auf Tonscherben.


(Fortsetzung...)
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Re: bisher ohne Arbeitstitel

Beitragvon Drehrassel » Sa 17 Apr, 2010 12:26


hallo fritz,

ich habe mir das mal eben laut vorgelesen. mir gefällt das ganz gut. ganz spontan jetzt mal. kann man dran arbeiten, denke ich. die ungewöhnliche bis gewollt fehlerhafte grammatik und rechtschreibung (zum teil auch zeichensetzung) haben was! erst dachte ich, das sei unter garantie écriture automatique, weil auch die entwicklung der bilder und des gesamten sujets sich auf diese typische art und weise vollzieht, wie das beim automatischen schreiben oft passiert. man hangelt sich von einem gedanken zum nächsten, verschleift in bestimmten rhythmischen - und klangfiguren, bis man auf einen neuen (guten) einfall kommt; aber... im laufe der lektüre begann ich, dabei unsicher zu werden. teilweise wirkt es dann doch wieder strukturierter als man zunächst meint. naja, das mal nur als erste bemerkung. und noch etwas: ich würde die vielen zeilenbrüche lassen, würde es eher en bloc setzen. du meinst vielleicht, diese vielen brüche passen zum inhalt. ich finde nicht. ich würde spannung aus (visueller) form vs. thema (bzw. besser: sprachlicher duktus, gestaltung der syntax, stil usw.) bevorzugen. vielleicht seltenere zeilenbrüche bzw. absätze gezielter einsetzen. hm...

und eine frage noch: wieso "dramatik"? das ist hier - in dieser rubrik - als literarische gattungsbezeichnung zu verstehen.

willkommen sagt
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dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
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Re: bisher ohne Arbeitstitel

Beitragvon Struppigel » So 18 Apr, 2010 21:55


-aus "Dramatik" in "Epik" verschoben-
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