Der Kapitän erschien ihr ein wenig schläfrig. Seiner Sprachführung attestierte sie eine Grobschlächtigkeit, die sie amüsierte. "Nur die Ruhe", sagte der Kapitän und fuhr los. Die Ägäis war ruhig und die Bootsfahrt bereitete allen Beteiligten Freude. Ihr Ehemann und eine Freundin waren mit an Bord. Dann fuhr der Kapitän plötzlich schneller. Auf ihren besorgten Blick hin, reagierte er verständnisvoll mit den Worten "Keine Sorge" und er ergänzte, "man muss die Dinge immer mit der Ruhe angehen." Die seltsame Gelassenheit mit der er dies sagte, konnte sie nicht ganz einordnen. Auch ihrem Ehemann warf der Captain einen kurzen Blick zu. Das Tempo wurde schneller. Ihre Freundin konnte sich kaum mehr halten, und als das Boot eine scharfe Kurve einlegte, wäre diese beinahe von Bord geflogen, wenn sie nicht festgehalten worden wäre. "Was machst du?" rief sie empört. "Keine Sorge" rief der Kapitän zurück. Das Boot hielt an einem Ort von betörender Schönheit. An die Klippen grenzte ein gewaltiger Nationalpark, der aus einem Waldgebiet bestand, welcher die an die Küste grenzenden Berge ummantelte. Umgeben von Wald und dem offenen Meer konnten Sie sich in der klaren See vergnügen. Danach wollten Sie die Rückfahrt antreten. Doch der Motor sprang nicht an.
Während sie erfolglos darum rangen, dem Boot zur Bewegungsfähigkeit zu verhelfen, fing das Meer an in Bewegung zu geraten. Der leichte Wellengang besorgte sie. Und er verwies wieder darauf dass kein Anlass zur Sorge bestünde. Sie bat ihren Ehemann die Küstenwache zu informieren. Doch dieser sagte, dass der Kapitän Freunde habe, die noch besser helfen könnten, als die Küstenwache. "Kann es sein, dass mit dem Boot irgendwas nicht stimmt?", fragte sie ihren Ehemann. Dieser warf einen flüchtigen Blick auf den Kapitän und sagte "Ich denke es ist alles in Ordnung. Gleich finden wir eine Lösung." Tatsächlich konnte der Kapitän nach einer geschlagenen Stunde den Anker lichten. Die Wellen waren inzwischen über einen Meter hoch und schaukelten das kleine Kajütenboot, so dass ihrer Freundin schwindelig wurde. Alle schienen erleichtert als das Boot losfuhr.
Ein kleiner Sturm zog auf. Das wäre kein Problem gewesen, wenn nicht nach wenigen Minuten der Motor ausgefallen wäre. Nun trieb das Boot auf die dunklen Klippen an der Küste zu. "Macht euch keine Sorgen", rief der Kapitän. Erneut probierte er telefonisch seine Freunde zu kontaktieren, die ihn in der Seenot unterstützen könnten. Das Boot trieb währenddessen immer näher auf die Klippen zu. "Es wird an den Klippen zerschellen", teilte sie ihrem Mann vorwurfsvoll mit. Ihre Freundin weinte. "Keine Sorge", rief der Kapitän nochmals. Ihr Mann legte seine Arme um sie und ihre Freundin. "Hört mir zu", flüsterte ihr Mann. "Wenn wir kurz vor den Klippen sind, springen wir alle drei ins Wasser. Der Kapitän kann dann alleine sehen, wie er zurecht kommt." Die drei machten sich zum Sprung bereit. Im letzten Moment kurz bevor sie springen wollten, ging der Motor an und der Kapitän fuhr seine Gäste in den sicheren Hafen. Sie hatte schon heiklere Situationen erlebt, dennoch ging ihr dieser Tag nicht aus dem Kopf. Noch sonderbarer als die Kette unglücklicher Zufälle, erschienen ihr die Worte des Kapitäns. Wie konnte er ständig sagen, dass kein Anlass zur Sorge bestand.
Als sie den Kapitän einige Monate später zufällig sah, fragte sie ihn was an diesem Tag eigentlich los gewesen sei. "Och" sagte der Kapitän mit leicht gläsernem Blick, den sie von ihm gewohnt war. "An diesem Tag gab es besonders viele Sorgen", sagte der Kapitän und seine Augen funkelten für einen Moment auf. Seine Erklärung amüsierte sie ob der Widersprüchlichkeit die ihr inne wohnte. Doch sie übte sich in der vornehmen Kunst der Zurückhaltung.
"Wie kann man sich nur so widersprechen", fragte sie ihren Mann später kichernd. Ihr Mann war ein besonders charismatischer Typ. Doch als sie ihm die Frage stellte, wie der Kapitän sich selbst so sehr widersprechen konnte, war er weder amüsiert noch charismatisch. Seine sonst entspannten Schultern schienen sich zu einem Buckel zusammenzuziehen und er sagte: "Ich weiß nicht was du meinst". Als sie ihn erstaunt anschaute und erklären wollte was sie meine, sagte er nur "manchmal weiß ich einfach nicht, worauf du hinauswillst. Lass uns bitte nicht reden, lass uns etwas Sport machen. Das wird schöner sein." Sie hatte nichts dagegen und machte sich mit ihrem Mann auf den Weg zum Training. An diesem Abend schaute sie ihrem Mann fest in die Augen und sagte: "Nimm mich bitte nie wieder mit, wenn du dich mit deinen Mafia-Freunden triffst."