Und heute habe ich mal die kürzeste Beziehung von überhaupt gehabt. Von geführt kann man ja nicht reden. Es führt ja zu nichts.
Ich sitze wie jeden Morgen, wenn es meine Schicht erlaubt, in der Sonne im Hof und chatte. Ich beziehe die wireless meiner Nachbarn Paul und Paula. Die heißen wirklich so. Seit fast einem Jahr chatte ich da mit diesem einen Typen und habe ihn auch in meiner Freundesliste gespeichert, „boy4uinlove“. Man sagt immer mal Hallo, wie heißt Du und was machst Du. Irgendwann fragte er beiläufig wie es mir geht.
Popoklatsch(mein nick) „willst du das wirklich wissen, oder fragste nur so?“
boy4uinlove „klar, will ich das wissen.“
popoklatsch „scheiße“
boy4uinlove „warum erzähl...“
Und ich erzählte, dass ich am Rande der Scheiße stehe, nicht nur dass ich super viele Schulden machen musste, kein Knete habe, mein Lebensstandart am und fürn Arsch ist, nein, ich bin halt super einsam und Fickdates, füllen diese riesige Lücke auch nicht auf.
Und immer wieder kam die Tage Mails von ihm, dass er sich Sorgen macht und ich mir doch nichts antun sollte. Ich fand das süß, seltsam und eben eigenartig, da wir uns doch nicht kennen, halt nur ausm chat. Irgendwann bat er um meine Nummer, und warum soll ich da bei einem so süßen boy zögern.
Boy4uinlove hat mich angerufen und wir redeten auch über seinen aktuellen Liebeskummer. Ja, dachte ich mir verwandte Seelen, die sich mal bei nem Prosseco auslassen, über doofe Ex und noch döfer sind glückliche Menschen, erst recht Paare. Er kam zu mir, wir chillten im Garten, bei eben Prosseco und es war herrlich frei verrückt, denn wir hatten so wunde Herzen, dass wir nie im Traum auf die absurde Idee gekommen wären, von einander was zu wollen. Besonders was soll ich mit so einem süßen, lieben und hübschen Jungen? Klar läge das auf der Hand, aber ich wollte ihn eben nicht zu einer weiteren Nummer auf meiner Ellen langen Liste machen. Er ist zu besonders. Ich bin schon kaputt und zerrissen genug, mich und meiner selbst im Bett bestätigen zu lassen, je mehr Sex, desto... . Desto einsamer bin ich. Und Alkohol muss fließen.
Aber Mark wollte ich nicht. Wir wollten Freunde werden. Gute Freunde. Er schaute sich auch gleich meinen Rechner durch, um mir zu sagen, dass seine Pornoclipsammlung größer ist als meine. Im Verlauf eines netten Abends zwischen Prosseco, Lachen und Kummer, küsste ich ihn plötzlich und unvermutet.
Immer wieder und immer mehr küssten wir uns. Hunger, Angst und Einsamkeit trieben uns in die Arme des anderen, Sehnsucht lies uns Arm in Arm verharren.
Wir lagen auf meinem Boden unter dem Haufen in Leidenschaft runter gerissener Klamotten. Und blickten eben nicht in den Abendhimmel, sondern schauten recht unromantisch meinen Schreibtisch von unten an.
„Ich brauche keinen Abendhimmel, ich habe dich.“ hauchte er.
„Schließ die Augen“ ich streichelte sanft über seine Augen und begann zu erzählen.
„Wir sehen den blauen Himmel über uns, nur einige Wolken. Du liegst in meinem Arm. Sanft streichelt und küsst uns die Sonne. Die Vögel singen leise ihr Lied für uns und uns kann nichts passieren solange wir uns im Arm halten.“ Es ran langsam eine Träne über seine Wange. Ich schmiegte meine Nase in seinen Arm und sog seinen Duft tief in mich ein. Im Hintergrund lief das Lied Hallelujah neu interpretiert für Tenöre von Il Divo. Mark und ich sangen leise Arm in Arm mit, für uns, für den anderen und für diesen Moment.
Doch er ging!
„Wir hätten das nicht machen dürfen, wir können keine Freunde werden und ich muss zurück zu meinem Ex-Freund“ sagte er.
„Aber vergiss mich nicht und halt dich an die Regeln, die ich dir mitgeben muss, weniger trinken, weniger dramatisch sein und verletze dich nicht selber mit Absicht.“
Ja, ich bin schon ein Drama, da mag er Recht haben. Ich müsse entweder wieder Theater spielen oder ein Buch schreiben, einen Roman, inspiriert durch die Liebe zu Mark.
„Hast du den dann fertig, komme ich zurück.“ sagte er.
Verletzte Eitelkeit lies mich antworten
„Aber nicht sauer sein, wenn ich deine Figur sterben lasse.“
Ich gab ihm noch das Buch mit, von dem wir gesprochen haben und das uns irgendwie unerträglich verbindet.
„Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera.
Ich bin es einfach nicht gewohnt zu betteln.
Ich lies ihn gehen.
„Haben dir diese letzten sechs Stunden denn gar nichts bedeutet.“ rief ich im weinend noch hinter her.
Heute Abend habe ich das erste mal seit langen kein Gutenachtbierchen getrunken... .