Und, vermisst du mich noch?
Du blickst fragend zurück, hinter deinen müden Augen scheinst du verwirrt. Selbst wenn, du würdest es mir nicht sagen, und ich erwarte nichts mehr. Du vertiefst dein Schweigen, während meine Schuhspitzen abwesend kleine unförmige Kreise und sich wie feige Schlangen hinfortwindende Linien auf den hellen Laminatfussboden malen. Ach beiss dir doch die Zunge ab und erstick daran.
Es irritiert mich, nicht zu wissen wie ich mit dir reden soll, und Smalltalk über das Wetter und den Weg hinterlassen einen mehr als fahlen Geschmack auf der Zunge. Früher, denke ich, früher hast du mich verstanden, oder ich dich.
Du musst das Ganze betrachten, hast du immer gesagt, als Summe seiner Teile. Und ich, ich stehe mit angewelkten Blumen vor verschlossenen Türen. Holz bleibt Holz, egal ob als Ganzes oder in Stücken.
Wie beiläufig erzähle ich über die Arbeit, die Not mit den lieben Kollegen, dass die letzte Lohnerhöhung schon eine halbe Ewigkeit zurückliegt und ich wahrscheinlich doch im Sommer nach Spanien fliegen werde, falls mein Chef mir nicht den Urlaub streicht. Kennst du, meinst und nickst verständnisvoll.
Ich setze Kaffee auf und mich wieder vor dich. Das Gluckern der Maschine setzt langsam ein und schwarzgefärbtes Wasser tropft stetig wie meine Gedanken um dich, bis kurz vor dem Überlaufen. Rede, möchte ich dir ins Gesicht schreien, doch meine Lippen verstecken sich hinter einer leeren Tasse mit blauem Streublümchenmuster und filigran geschwungenem Griff, und das Porzellan schirmt jede meiner Silben ab. Im Hintergrund das unaufhörliche Ticken der Wanduhr, eigenartig wie beruhigend diese Stetigkeit wirken kann, und das wir einfach so Zeit verschwenden, die uns irgendwann fehlen wird.
Ich war tagelang wütend auf dich, und auf mich noch viel mehr. Konsequenz ist keine meiner Stärken. Jedes Mal lässt deine Gegenwart mich leer zurück, ich rede Schwachsinn um deine Stille zu brechen und unsinnige Wörter sprudeln aus meinem Mund an deinem vorbei, wahrscheinlich verkleben sie auch dir die Lippen.
Und ich stehe da und weiß einfach gar nichts mehr, halte mich an deinen Augen fest wie an einem allzu trockenem Strohhalm. Wenn ich versinke bleibe ich ruhig, und deine Stille zieht mich, nass geworden, ans Ufer zurück. Ich will gar nicht gerettet werden.
Sie ist nett, irgendwie mag ich sie sogar.
Mein Kopf wägt beim erneuten Gang zur Kaffeemaschine noch ab, ob das ein gutes Zeichen ist, oder eben einfach nur hinderlich. Liebe lässt sich weder wegsperren noch erzwingen, stand in Großbuchstaben in einem deiner Briefe, verstehe ich ja auch, zu gut um dir böse zu sein oder irgendeine Schuld zu geben. Der Griff zur angegilbten Kanne macht mir deutlich, wie lange du schon nicht mehr bei mir bist. Ganz am Anfang hast du mir noch in jedem Telefonat erzählt wie lieb du mich hast, trotz alledem, und das es besser für jeden von uns war. Vielleicht bist du auch nur ein paar Mal zu oft vor den ganzen Auseinandersetzungen geflüchtet, zur Seite, nicht nach vorn. Möglicherweise sind Konfrontationen nicht dein Ding, waren es auch nie. Angst vor Verantwortungen, die dir keinen Spaß bringen, oder keinen Mehrwert, und dein Unvermögen die eigenen Fehler einzugestehen und zu überdenken. Während ich dir nachschenke grüble ich darüber, ob du früher auch schon so warst. Ich werde es einfach übersehen haben.
Du fragst mich was die Liebe macht. Kommt und geht, manchmal auch wieder. Und du nickst verständnisvoll.
Was du zu berichten hast ist nichts neues, meine Geschichten wahrscheinlich auch nicht. Das Leben mag kein langer ruhiger Fluss sein, aber im Moment vergrabe ich mich lieber in dem Morast aus Ablagerungen und sehe das Wasser über mir die Gefälle hinunterstürzen. Ab und an verfangen sich zwischen den kleinen dünnen Astgebilden angewelkte Blütenblätter, und ich staune wem sie alles Rettung sind.
Ich fische mit einem versilberten Teelöffel die kleine Obstfliege aus meiner Tasse und trinke hastig aus, es ist spät geworden. Du fragst mich beim Abschied wann wir uns wiedersehen und umarmst mich. Ich zucke mit den Schultern, viel zu erledigen in nächster Zeit. Deine Antwort nickend. Für den Nachhauseweg, sagst du und drückst mir einen kleinen Zettel in die Hand.
Ich gehe leise durch das leere Treppenhaus, in dem jede Stufe aussieht, als wäre sie gerade eben frisch gereinigt worden. Na ja, wenn man nichts besseres mehr zu tun hat. Meine Großmutter sagte immer Putzen schafft Ordnung, auch im Leben, ist wie mit dem Unkraut ziehen im Gartenbeet.
Zu hause angekommen betrachte ich meine kleinen Blumentöpfe, zupfe die ersten unerwünschten Pflänzchen aus der erst kürzlich hinzugefügten Komposterde. Mein Blick wandert mit Zufriedenheit über die neuen Blüten. Zögernd setze ich mich und fange an zu lesen.
Geschriebenes steht dir deutlich besser.