Geschichten rund um Liebe, Familie oder Freundschaft

Mit dir

Beitragvon violett » Mo 02 Feb, 2009 13:21


Und, vermisst du mich noch?
Du blickst fragend zurück, hinter deinen müden Augen scheinst du verwirrt. Selbst wenn, du würdest es mir nicht sagen, und ich erwarte nichts mehr. Du vertiefst dein Schweigen, während meine Schuhspitzen abwesend kleine unförmige Kreise und sich wie feige Schlangen hinfortwindende Linien auf den hellen Laminatfussboden malen. Ach beiss dir doch die Zunge ab und erstick daran.
Es irritiert mich, nicht zu wissen wie ich mit dir reden soll, und Smalltalk über das Wetter und den Weg hinterlassen einen mehr als fahlen Geschmack auf der Zunge. Früher, denke ich, früher hast du mich verstanden, oder ich dich.
Du musst das Ganze betrachten, hast du immer gesagt, als Summe seiner Teile. Und ich, ich stehe mit angewelkten Blumen vor verschlossenen Türen. Holz bleibt Holz, egal ob als Ganzes oder in Stücken.
Wie beiläufig erzähle ich über die Arbeit, die Not mit den lieben Kollegen, dass die letzte Lohnerhöhung schon eine halbe Ewigkeit zurückliegt und ich wahrscheinlich doch im Sommer nach Spanien fliegen werde, falls mein Chef mir nicht den Urlaub streicht. Kennst du, meinst und nickst verständnisvoll.
Ich setze Kaffee auf und mich wieder vor dich. Das Gluckern der Maschine setzt langsam ein und schwarzgefärbtes Wasser tropft stetig wie meine Gedanken um dich, bis kurz vor dem Überlaufen. Rede, möchte ich dir ins Gesicht schreien, doch meine Lippen verstecken sich hinter einer leeren Tasse mit blauem Streublümchenmuster und filigran geschwungenem Griff, und das Porzellan schirmt jede meiner Silben ab. Im Hintergrund das unaufhörliche Ticken der Wanduhr, eigenartig wie beruhigend diese Stetigkeit wirken kann, und das wir einfach so Zeit verschwenden, die uns irgendwann fehlen wird.
Ich war tagelang wütend auf dich, und auf mich noch viel mehr. Konsequenz ist keine meiner Stärken. Jedes Mal lässt deine Gegenwart mich leer zurück, ich rede Schwachsinn um deine Stille zu brechen und unsinnige Wörter sprudeln aus meinem Mund an deinem vorbei, wahrscheinlich verkleben sie auch dir die Lippen.
Und ich stehe da und weiß einfach gar nichts mehr, halte mich an deinen Augen fest wie an einem allzu trockenem Strohhalm. Wenn ich versinke bleibe ich ruhig, und deine Stille zieht mich, nass geworden, ans Ufer zurück. Ich will gar nicht gerettet werden.
Sie ist nett, irgendwie mag ich sie sogar.
Mein Kopf wägt beim erneuten Gang zur Kaffeemaschine noch ab, ob das ein gutes Zeichen ist, oder eben einfach nur hinderlich. Liebe lässt sich weder wegsperren noch erzwingen, stand in Großbuchstaben in einem deiner Briefe, verstehe ich ja auch, zu gut um dir böse zu sein oder irgendeine Schuld zu geben. Der Griff zur angegilbten Kanne macht mir deutlich, wie lange du schon nicht mehr bei mir bist. Ganz am Anfang hast du mir noch in jedem Telefonat erzählt wie lieb du mich hast, trotz alledem, und das es besser für jeden von uns war. Vielleicht bist du auch nur ein paar Mal zu oft vor den ganzen Auseinandersetzungen geflüchtet, zur Seite, nicht nach vorn. Möglicherweise sind Konfrontationen nicht dein Ding, waren es auch nie. Angst vor Verantwortungen, die dir keinen Spaß bringen, oder keinen Mehrwert, und dein Unvermögen die eigenen Fehler einzugestehen und zu überdenken. Während ich dir nachschenke grüble ich darüber, ob du früher auch schon so warst. Ich werde es einfach übersehen haben.
Du fragst mich was die Liebe macht. Kommt und geht, manchmal auch wieder. Und du nickst verständnisvoll.
Was du zu berichten hast ist nichts neues, meine Geschichten wahrscheinlich auch nicht. Das Leben mag kein langer ruhiger Fluss sein, aber im Moment vergrabe ich mich lieber in dem Morast aus Ablagerungen und sehe das Wasser über mir die Gefälle hinunterstürzen. Ab und an verfangen sich zwischen den kleinen dünnen Astgebilden angewelkte Blütenblätter, und ich staune wem sie alles Rettung sind.
Ich fische mit einem versilberten Teelöffel die kleine Obstfliege aus meiner Tasse und trinke hastig aus, es ist spät geworden. Du fragst mich beim Abschied wann wir uns wiedersehen und umarmst mich. Ich zucke mit den Schultern, viel zu erledigen in nächster Zeit. Deine Antwort nickend. Für den Nachhauseweg, sagst du und drückst mir einen kleinen Zettel in die Hand.
Ich gehe leise durch das leere Treppenhaus, in dem jede Stufe aussieht, als wäre sie gerade eben frisch gereinigt worden. Na ja, wenn man nichts besseres mehr zu tun hat. Meine Großmutter sagte immer Putzen schafft Ordnung, auch im Leben, ist wie mit dem Unkraut ziehen im Gartenbeet.
Zu hause angekommen betrachte ich meine kleinen Blumentöpfe, zupfe die ersten unerwünschten Pflänzchen aus der erst kürzlich hinzugefügten Komposterde. Mein Blick wandert mit Zufriedenheit über die neuen Blüten. Zögernd setze ich mich und fange an zu lesen.
Geschriebenes steht dir deutlich besser.
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Re: Mit dir

Beitragvon Orange » Mo 02 Feb, 2009 20:13


Hi violett!
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn mir der Titel im ersten Moment etwas kitschig schien.
Mir gefällt dieses Ansprechen einer zweiten Person in Gedanken total gut. Und es ist dir meiner Meinung nach auch gut gelungen. Was mich ein wenig stört ist deine manchmal wirre Erzählweise. An manchen Stellen finde ich auch die Ausdrucksweise sehr eigenwillig:
Selbst wenn, du würdest es mir nicht sagen, und ich erwarte nichts mehr.

Dieser Satz macht in dem Kontext recht wenig Sinn. Selbst wenn was?
Du vertiefst dein Schweigen

Der Ausdruck gefällt mir irgendwie nicht
hinfortwindende Linien

Vielleicht findest du für hinfortwindend ein weniger gestelztes Wort. Würde es nicht einfach windend tun.
meinst und nickst

meinst du vielleicht "meinst du"
Wasser tropft stetig wie meine Gedanken um dich

Den Satz check ich nicht. Schüttet sie ihm Kaffee über?
allzu trockenem Strohhalm

Warum ist es wichtig ob der Strohhalm trocken ist? Wäre es nicht schlimmer wenn er dünn wäre?
und ich staune wem sie alles Rettung sind.

Irgendwie ist die Grammatikstruktur merkwürdig
Deine Antwort nickend

Wie habe ich mir eine nickende Antwort vorzustellen. Nickt er?
auch im Leben, ist wie mit dem Unkraut ziehen im Gartenbeet

Der Satz ist mir zu chaotisch
Geschriebenes steht dir deutlich besser.

Das verstehe ich nicht
Sonnige Grüße
Orange
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Re: Mit dir

Beitragvon violett » Di 03 Feb, 2009 10:26


Hallo Orange

Danke, dass du dich mit dem Text auseinandergesetzt hast, ich versuche mal auf jeden Punkt einzugehen.

Was mich ein wenig stört ist deine manchmal wirre Erzählweise.

Die deiner Ansicht nach wirre Erzählweise ist der Situation geschuldet und ergibt sich eigentlich nur aus den Gedankensprüngen des lyr. Ichs, das damit die Pausen des Schweigens ausfüllt. (Oder so...)

Zitat:
Selbst wenn, du würdest es mir nicht sagen, und ich erwarte nichts mehr.

Dieser Satz macht in dem Kontext recht wenig Sinn. Selbst wenn was?

Der Satz bezieht sich auf die Frage nach dem vermissen, und macht somit doch irgendwo Sinn ;-) .

Zitat:
Du vertiefst dein Schweigen

Der Ausdruck gefällt mir irgendwie nicht

Gut, dazu kann ich jetzt wenig sagen, außer das ich den Ausdruck passend finde. Das lyr. Du entgegnet dem Ich von Anfang an mit einem gewissen „Grundschweigen“, und nach der Frage nach dem Vermissen vertieft es dieses, bildlich gesehen vielleicht fast schon zu einer versteinerten Mimik, eine Art Abschirmung, um nicht über die eigenen Gefühle reden zu müssen.

Zitat:
hinfortwindende Linien

Vielleicht findest du für hinfortwindend ein weniger gestelztes Wort. Würde es nicht einfach windend tun.

Nein, windend wäre in diesem Zusammenhang schlichtweg falsch, windende Linien kräuseln sich ja sozusagen nur ein bisschen auf dem Boden rum, nach Zufallsprinzip. Hinfortwindend beinhaltet in meinen Augen das sich quälende Flüchten in eine bestimmte Richtung, und ausschließlich weg vom lyr. Ich.

Zitat:
meinst und nickst

meinst du vielleicht "meinst du"

Gemeint ist es schon so, aber ich habe es absichtlich weggelassen. Wenn es den Lesefluss oder die Wahrnehmung stört kann ich es gern wieder einfügen.
Abgesehen davon fand ich zweimal du hintereinander recht unschön, auch wenn es sich oft nicht vermeiden ließ, und hier fand ich es nicht relevant genug um doppelt zu erscheinen.

Zitat:
Wasser tropft stetig wie meine Gedanken um dich

Den Satz check ich nicht. Schüttet sie ihm Kaffee über?

??? Ähm nein, tut sie nicht. Ihre Gedanken an und um ihn (obwohl ich nicht unbedingt der Meinung bin, dass das Geschlecht hier eindeutig gegeben ist und es auch andersrum gemeint oder interpretiert werden könnte) tropfen stetig.

Zitat:
allzu trockenem Strohhalm

Warum ist es wichtig ob der Strohhalm trocken ist? Wäre es nicht schlimmer wenn er dünn wäre?

Wäre wahrscheinlich in beiden Fällen unschön, aber trocken beinhaltet die Gefahr schneller zu brechen/splittern... .

Zitat:
und ich staune wem sie alles Rettung sind.

Irgendwie ist die Grammatikstruktur merkwürdig

Ich glaube eher da fehlen an einigen Stellen noch Kommata, bin ich mir sogar ziemlich sicher. Lineare Sätze finde ich langweilig, weil man auch im Leben selten linear denkt.

Zitat:
Deine Antwort nickend

Wie habe ich mir eine nickende Antwort vorzustellen. Nickt er?

Ja, Nicken ist auch eine Antwort.

Zitat:
auch im Leben, ist wie mit dem Unkraut ziehen im Gartenbeet

Der Satz ist mir zu chaotisch

Warum? Unkraut ziehen schafft Ordnung, eine ziemlich banale Aussage.

Zitat:
Geschriebenes steht dir deutlich besser.

Das verstehe ich nicht

Ist praktisch ein Fazit auf den gesamten Text und kam erst in der letzten Version dazu. In den vorherigen stand an der Stelle ein Teil bzw. der Anfang des Zettels/Briefchens, was vielleicht ein besserer Schluss war, aber den Text im Nachhinein in eine ganz bestimmte Richtung lenkte und ich nicht sicher war, ob ich ihn so überhaupt lenken wollte.
Manchmal kann man persönlich schlecht miteinander reden, die Gedanken würden ganze Bücher füllen, aber keiner davon wird ausgesprochen, sei es aus Angst vor den Reaktionen darauf oder Unsicherheit. Beim Schreiben sortiert und „überarbeitet“ man diese Gedanken, und bekommt erst eine Reaktion, wenn sie gesammelt und sozusagen kontrolliert beim Empfänger angekommen sind.

Ich hoffe, ich habe dich damit nicht noch mehr verwirrt.
Aber schön, dass dir der Text trotzdem gefällt.

LG,
Violett
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Re: Mit dir

Beitragvon violett » Di 03 Feb, 2009 12:17


Gut, gefällt dir nicht, da dir der Text zu sperrig daherkommt. Damit kann ich wenigstens was anfangen. ;)

Die Handlung darf und soll, und das verzeih mir bitte, abwesend sein.
Das mir das Thema nahe geht würde ich so nicht behaupten, daher freut es mich, dass du doch ein paar Emotionen gefunden hast.

viell. ist dieses nicken eher ein ausdruck um verständnis auszudrücken das nicht da ist - welches sich das text-du aber wünscht. imo: "du versuchst verständnisvoll zu nicken aber dein kopf wackelt nur."

Ja, das trifft es schon.

Ansonsten werd ich mich nochmal um die Stellen mit dem "kennst du", dem andauernden rumgenicke und der Kaffeemaschine kümmern. Den ganzen Text deswegen verändern werd ich sicherlich nicht, und wenn er nicht gut ist, naja, abgrundtief schrecklich scheint er ja auch nicht zu sein. (Meine Interpretation von "kopfhoch" :D )

Danke fürs Kommentieren,

lg,
Violett
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