Er tat einen Löffel Zucker in seinen Kaffee.
„Von welchem Blatt sind sie nochmal?“
„Vom Stadtanzeiger.“
„Ist ja nicht gerade eine Riesenzeitung.“
„Aber wir berichten über die neuesten Dinge aus unserer Stadt und sie sind langsam so etwas wie eine Stadtberühmtheit.“
Clara versuchte ihrem Gegenüber zu schmeicheln, damit dieser sich auskunftsfreudig gab und sie schnell fertig wurden. Doch er schaute weiter missmutig auf den Tisch und tat sich einen weiteren Löffel Zucker in seinen Kaffee.
„Also Herr Kramer...“
„Nennen sie mich Erik.“
„Also Erik, sie haben es geschafft bei mehreren größeren Verkaufsevents ganz vorne dabei zu sein...“
„Was heißt hier Event? Ich bin doch nicht zum Sommerschlussverkauf gegangen! Außerdem war ich nicht nur vorne dabei, ich war Erster!“
Wenigstens zeigte er jetzt ein wenig Anteilnahme am Gespräch, selbst wenn sie sich dafür zurecht weisen lassen musste, während er seiner Kaffeetasse zwei weitere Portionen Zucker hinzufügte.
„Aber sind es nicht gewisse Events wenn Apple sein neustes Produkt auf den Markt bringt?“
„Da haben sie natürlich recht.“
„Und wo genau waren sie nun dabei?“
„Mein letztes war das I-Pad2, beim ersten natürlich auch schon. Wie die gesamte I-Phone Reihe“, stolz zeigte er auf die Handysammlung die er auf dem Tisch platziert hatte noch bevor Clara das Lokal betreten hatte, „und die I-Pods natürlich auch.“
Zwischen zwei neuen Löffel Zucker für seinen Kaffee, wenn sie sich nicht verzählt hatte der Fünfte und Sechste, fand er die Zeit alle Handys auf Neuigkeiten zu überprüfen, während er seine spärlichen Antworten gab.
„Und sie waren immer der Erste in der Reihe?“
„Immer.“
„Anscheinend haben sie ein Faible für diese Marke.“
„Meine Erfolge beschränken sich nicht nur darauf.“
Er nippte vorsichtig an seinem Kaffee und verzog leicht angeekelt das Gesicht. Dann tat er einen Löffel Zucker in seinen Kaffee.
„Dann sind meine Informationen wohl nicht die Besten. Was für Erfolge hatten sie denn noch?“
„Bei Harry Potter war ich schon bei Band Drei dabei, hab damals schon geahnt, dass das 'n ganz großes Ding wird. Auch Karten für die Michael Jackson Konzertreihe hab ich erwischt. Aber das war online, da weiß man nie ob man wirklich Erster ist.“
„Aber die Konzerte sind durch den Tod des Künstlers ja ausgefallen.“
„Na und? Die Karten hab ich noch!“
Clara hatte die Übersicht über die Mengen an Zucker verloren die nach und nach in die Tasse gewandert waren, doch er schien endlich zufrieden und trank den Kaffee in großen Schlucken aus.
„Was tun sie um bei solchen Ereignissen immer ganz vorne dabei zu sein?“
„Das ist gar nicht so einfach. Natürlich muss man Tage vorher schon da sein. Es ist schwierig einen Arbeitgeber zu finden, der dafür Verständnis aufbringt, da muss man manchmal harte Entscheidungen treffen. Aber die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht!“
„Kam es schon einmal vor, dass sie nicht der Erste waren?“
„Nie als schließlich die Türen geöffnet wurden.“
„Und vorher?“
„Das schon, aber ich habe im Laufe der Zeit Taktiken entwickelt um die Anderen auszuschalten.“
„Was für Taktiken sind das?“
Er überlegte einen Moment und überprüfte dabei erneut seine Handys obwohl bislang keines von ihnen geklingelt oder aufgeleuchtet hatte.
„Naja, bei Ihrem Blatt muss ich wohl keine Angst haben, dass das einer meiner Gegner liest.“
Sie nahm die Spitze regungslos hin und forderte ihn auf weiter zu erzählen.
„Was immer gut funktioniert ist ein Anruf vom Krankenhaus. Mit den richtigen Kontakten kann man es so einrichten, dass derjenige der vor dir steht von einer Schwester oder einem Arzt angerufen wird, der ihm dann erzählt dass seine Mutter todkrank bei ihnen in Behandlung ist, Herzinfarkt oder etwas in der Art. Das klappt doch recht häufig.“
„Nicht immer?“
„Leider nein. Es gibt ja auch die ganz Hartgesottenen, die fähig sind schwere Entscheidungen zu treffen. Da muss man dann andere Mittel und Wege finden, aber die behalte ich lieber für mich. Hab ich meinen hilfsbereiten Freunden versprochen.“
Der Kellner brachte ihm eine zweite Tasse Kaffee. Er überlegte kurz, zog dann den Zuckernapf ran und goss den Kaffee hinein.
„Und was für Freunde das sind verraten sie mir wahrscheinlich auch nicht?“
„Nein, sie haben es nicht gerne wenn ihre Namen in der Zeitung auftauchen.“
Genüsslich rührte er den braunen Brei im Zuckernapf um und lutschte ihn geräuschvoll vom Löffel.
Plötzlich sah er ihr zum ersten Mal in die Augen.
„Was machen sie denn heute Abend noch so?“
„Ich habe bis jetzt eigentlich nichts vor“, antwortete sie vorsichtig.
„Ich habe noch zwei Freikarten für die Blue Man Group. Ich weiß was sie jetzt denken - alter Hut. Ich war natürlich damals bei der Premiere schon dabei, aber heute ist sonst nicht viel los in der Stadt.“
Sie dachte nach. Eine Schönheit war er nicht gerade, auch sein Bauch war weit über den Ansatz hinaus.
„Wenn sie möchten kann ich ihnen danach auch noch meine MacBook-Sammlung zeigen, dazu sämtliche große Konsolen der letzten Jahre. Natürlich alle als Erster erstanden.“
Sie lies ihren Blick noch einmal über seine Handys schweifen.
„Na gut, warum nicht.“