Sonderbar, ja unheimliche Beziehungen herrschen zwischen den Geistern, sie reichen sich dort die Hände, wo niemand es vermutet und verspinnen dort Lebensfäden, wo niemand es ahnt; und sie belegen so die Waagschalen, dass niemand einen Ausgleich schaffen kann; die Gewichte scheinen zu ungleich, zu verschieden schwer, schon allein von ihrem Volumen überhaupt nicht geeignet, auf eine einzige Waagschale zu passen. Aber die Geister fragen nicht nach den Wissenschaften der Menschen, sie nehmen keine Rücksicht auf ihre Wünsche, Begehren und Bedürfnisse, sie nehmen keine Notiz von den Irrtümern und Narrenspielchen der Vernunftbegabten. Ihr Blick erkennt die Gesetze einer Nervenwaage, auf deren einer Seite der Lebenssinn wie eine Fata morgana schimmert; sie durchdringen die Frage des Was tun?, der Qual des Ziellosen, die Täuschungen des Blinden und wühlen aus dem Sack ein Rommé–Spiel mit Freunden, dessen Verlauf die Schale des Lebenssinns hebt und die Nervenwaage ausgleicht. Ihr Blick durchdringt die Gesetze einer zweiten, auf deren einer Seite wie festgenagelt die Angst den Wägteller nach untern zieht. Sie begrüßen die luftige Krankheit einer quergegangen Idee und die krepierte Lebenslust, sie fummeln aus ihrem Beutelchen ein paar Partien Schach mit dem Kollegen, abwechselnd gespielt, mit ein paar Siegen hier, ein paar Siegen dort. Sie platzieren die Partien auf der Nervenwaage, die sich hebt und senkt und steht, als die zwei Schalen auf gleicher Höhe schweben. Sie studieren auf einer dritten lange die Einsamkeit, deren Gewicht die Nervenwaage verbeult hat. Ihre Schwere beobachten sie an den Gesetzen des Alleinseins, an den schweren Stunden, die an ihr hängen, an der hohen Dichte der grüblerischen Gedanken, die wie Elektronen um ein Zentrum herumsausen und sich auch noch um sich selbst drehen. Unentschlossen holen sie einen dänischen Film aus ihrem Säckelchen und probieren ihn auf der Waage. Freudig überrascht stellen sie fest: das Verweilen mit anderen Menschen vor einem Bildschirm zu vorgerückter Stunde bringt ganz leicht und mühelos ein Gleichgewicht herbei, das ruhig über dem Waagbalken an der Waagsäule hängt. Entzückt öffnen sie ihr Notizbuch und halten darin fest:
– Gemeinsamer Film: wiegt soviel wie Einsamkeit; nota bene: wiederum Scheingewicht, wiederum Scheingewicht!
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