Der erste Stundenschlag des Tages könnte getrost auch sein letzter sein. Mein geschmackvoll ausgewählter Lieblingssong der Woche erinnert mich schmerzlich daran, dass dies nicht passieren wird. Bei ihm kann ich mir sicher sein, alle 10 Minuten dringt er wieder in mein Leben, seine Fröhlichkeit sitzt klatschend auf meinem verfallenden Hirn und feuert mich an mich meinem Schicksal zu ergeben. Aus purem Trotz halte ich die Folter weitere 30 Minuten aus, bilde mir ein ich sei müde und fähig mich meinen Träumen hinzugeben.
Oft werde ich mit einem Schläfer verwechselt, einer Person die gerne Zeit verschlingt, mit träumen verbringt, ein in sich Ruhender der seine Antworten in sich selbst findet. Ich schlafe, ja, aber träumen tue ich nicht. Manch einer verliert sich in fremden Welten und schwärmt nachher davon, nie wieder aufwachen zu wollen. Nicht, dass ich nicht fliehen wollte, aber für mich gibt es keine zweiter Welt. Für mich gibt es im Schlaf gar keine Welt, ich tauche ab ins Nichts. Vielleicht ist es angenehm in diesem Nichts, ich weiß es nicht. Jedes Mal wenn ich aus dem Nichts auftauche ist es jedenfalls sehr unangenehm, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies irgendwo anders schlimmer sein kann. Nein, wenn ich schlafe gehört mein Körper ganz der Matratze und der Geist verkriecht sich auch irgendwo unter dem dreckigen Bettlaken – für Träume ist da kein Platz.
Ich stehe auf, stehe mich kratzend vor dem Spiegel. Gehe zur Spüle, mache mir Kaffee, hole mir ein Toast [ kein Bock zu essen, kommt ja doch nur Scheiße raus], stehe vor dem Spiegel. Langsam springen wieder die Funken in meinem Hirnbrei. Umziehen, ja umziehen wäre wichtig. Duschen optional. Rauchen. Duschen und rauchen? Nein erst rauchen. Ich setze mich aufs Klo, fummel mir einen Tabakzylinder aus der Hemdtasche. Erst der Teergeschmack auf meiner Zunge sagt mir, dass ich wirklich wach bin, dass nach Tag 8030 nun Tag 8031 folgt. Gedanklich mache in einen Strich auf meiner übergroßen Kreidetafel. Beim Duschen überlege ich mir, dass mir noch ungefähr 24000 Striche auf meiner Tafel fehlen, ‘ne ganze Menge Zeit.
Angezogen, geduscht, Kaffeegeschmack vermischt mit Teer im Mund – ich gehe meine tägliche Checkliste durch. Ja, scheint alles da zu sein, raus aus der Bude, rein ins Getümmel. Gegenüber von der Haustür grinst mich eine Frau an. Sie sitzt, nein hockt in einer großen Vase gefüllt mit überdimensionierten Erdbeeren, ihre blanken Busen schauen ober aus der Masse heraus. In ihrem Mund funkeln ein paar Zähne, ihre Augen starren leer. Sie grinst mich an, als wüsste sie, dass ihre Art nicht von Dauer ist, was war wird morgen wieder übertüncht sein.
Raus aus der Tür, das Getümmel um mich herum nimmt zu. Gespannt schaue ich auf das bunte Treiben um mich herum. Die Zahl der Feen, Kobolde, Drachen, Dämonen oder Delfine nimmt jeden Tag zu, immer ausgefallener muss es sein. Bald wird es mehr Farbe auf der Haut geben als Zauber in den Gesichtern.
Ein Lächeln wird mir doch entgegen gebracht. Sofort fällt es ins Auge, strahlt durch das Grau der Gesichter. Ich nehme es auf, genieße es, spiele damit, rätsle über die Bedeutung. Ich freue mich, ein netter Tag – ob ich ihn wohl wiedersehen werde?
Als ich das Lächeln erwidern möchte ist die Person bereits längst wieder verschwunden, von Überraschung keine Spur. Ich setze meinen Weg fort, bin an sein Ziel, schaue mich dann um, gehe weiter, weiter, bis mich wieder etwas fesselt und mich zwingt stehen zu bleiben.
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Freue mich sehr über Feedback, in Zufunkt werde ich mein Schreibpensum hoffentlich weiter ankurbeln
Lieben Gruß, M