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Stumme Jahre

BeitragVerfasst: Fr 19 Dez, 2008 20:10
von Perry
[size=85:1wetpr8t]Auch dieses geht zu Ende, wie es begonnen hat: Alles ist auf seinem Platz, unverrückbar. Ich lege mich spät ins Bett, stehe noch später auf. Wärme den Rest Bohnen vom Sonntagsessen auf, das du immer mit mehr Hingabe bereitet hast, als ich es jemals könnte. Ein Korn zur Verdauung regelt Manches und erwärmt zumindest kurzzeitig den Hohlraum in mir, lässt die Eisblumen am Fenster farbig blühen im Licht der alternden Sonne.

Abends gehe ich mit dem Hund von Laterne zu Laterne in der Hoffnung jemanden zu treffen, der sich freut wie er nach den glitzernden Flocken springt. Mein Leben besteht aus Polaroidfotos in einem Album, deren Lachen immer mehr verblasst. Auf dem Regal liegen Muscheln von Stränden, die mir längst fremder sind als die Bilder.

Manchmal setzte ich den Jeanshut auf, den ich mir damals in der Carnabystreet gekauft habe, als die Beatles noch Love me do zu unseren Küssen sangen. Heute stehen ihre Platten verstaubt im Regal neben all den Worten, die keiner lesen will, in diesen Jahren ohne Sprache.[/size]

Re: Stumme Jahre

BeitragVerfasst: Mi 21 Jan, 2009 22:36
von Sjel
Mehr ein Stillleben des Alterns als eine Kurzgeschichte. Mir gefallen Kurzgeschichten mit einer deutlichen Handlung besser als die erwähnten Stilleben oder 15 - Zeilige innere Monologe der Erzähler, aber:

Das trifft den Nerv, weil es das Zerrinnen der Zeit verdeutlicht, das Verblassen der Erinnerungen und auch die Einsamkeit. Einsamkeit macht stumm. Stumm sein bedeutet, von niemendem gehört zu werden. Was wiederrum die Frage aufwirft: Wenn man von niemandem in seiner Existenz bemerkt wird, existiert man dann?

LG, Sjel.