Eine Ebene, auf die bräunliche Körner hinab gerieselt waren. Dort hatten sie sich hin gesetzt und waren geblieben. Neben ihnen standen grüne Stangen. Nein, keine „Stangen“ - das Wort passte nicht, beim näheren Hinsehen waren sie nicht rund, eher flach, papierartig, rau, in der Mitte eine fein geschwungene Lebenslinie. Segel im Licht, vielleicht, über die Ebene vor und zurückschaukelnd, die Helligkeit als Strömung, die sie trug, mal heftig schwingend, dann wieder leiser werdend, lauter, langsamer. Ob die Segel überhaupt eine feste Position zwischen den Körnern hatten? Oder hatten sie diese einfach nur vor lauter Bewegung vergessen? Aber gut, auf dieser riesigen Fläche mochte ihnen die Orientierung sowieso schwer fallen. Wie sollten sie wissen, wo sie da hin gehörten? Anhaltspunkte gaben nur die bunten Segel, die Hüte trugen. Sie fand einige Gelbe, Gebogene - nein, Gewölbte. Aber es gab doch mehr Weiße, deren Krempe faserte. Diesen Segeln fehlte die Lebenslinie, ja, eigentlich – die bunten Segel waren keine Segel, eher Stangen. Ja, hier passte das Wort gut. Ob die flachen Segel die Stangen mit Hüten nach dem Weg fragen konnten? Dann fiele ihnen die Orientierung ja leichter. Das wäre doch schön. Und vielleicht konnten die Hütträger ihnen im Gegenzug sagen –
„Hallo. Entschuldige, aber - Was machst du da?“
„Ich versuche mir diesen Ort mit all seinen Details genau einzuprägen. Das ist echt schwierig. Ich bin gerade noch bei einem Überblick. Wenn ich den habe, kann ich mir alles genauer anschauen, damit ich weiß, wie jedes einzelne Element aussieht.“
„Warum willst du wissen, wie genau eine normale Wiese aussieht?“
„Weil es ein riesiges, fantastisches Wissen ist. Und ich bin sehr wissbegierig.“
„Das ist doch nutzloses Wissen. Bald sieht eh wieder alles anders aus, wenn die Sonne aus einem Winkel scheint oder gar nicht mehr scheint oder einige Blätter fallen. Dieses Wissen erfüllt keinen Zweck, du kannst damit nichts bauen, nichts erschaffen, niemandem dienlich sein.“
„Ich weiß dann, wie ein Ort zu einer bestimmten Zeit aussieht. Niemand anders weiß das zu dieser Zeit von diesem Ort. Dieses Wissen ist einzigartig. Warum sollte es nicht wertvoll sein? Ich habe diese Wiese gefühlt, gerochen, erlebt – was ist daran nutzlos?“
„Es bringt dich ja nicht weiter. Was willst du denn mit dem Wissen machen?“
„Mich daran erinnern.“
„Und dann?“
„Und dann nichts.“
„Also hast weder du noch irgendjemand anders einen praktischen Nutzen daraus.“
„Ja und?“
„Das ist doch sinnlos.“
„Nein, nur zwecklos.“
„Das sag ich doch.“
„Nein, Sie sagten sinnlos.“
„Ja und?“
„Das ist ein Unterschied.“
„Dann ist es eben zwecklos.“
„Sag ich doch.“
„Warum machst du es dann? Warte, lass mich raten: Du hast Spaß daran?“
„Nein, nicht besonders.“
„Spaß wäre ja auch ein Zweck.“
„Ich mache es nicht aus Spaß. Es ist eher ein bisschen langweilig.“
„Warum machst du es dann?“
„Nur so.“
Dem Passanten fiel keine Erwiderung mehr ein. Er ging.
Das Mädchen blieb lange auf der Wiese hocken und schaute sich die Gräser und Blumen an. Irgendwann entdeckte sie die Tiere, die Hummeln, Bienen, Regenwürmer - und war überrascht von den vielen, kleinen, sich tummelnden Geschöpfen.
Gegen Mittag kamen zwei Polizisten vorbei und brachten sie zurück zur Schule.