Geschichten zum Thema Alltag

NICHTS - von Ben Louis

Beitragvon DerWurm » Sa 26 Jun, 2010 12:16


"Die Zeit fällt aus. Allseitig ergießt sich Leere. Verschwommen betäubt dumpfe Ahnung mein Bewusstsein. Nein! Nicht! Doch Gedanken können mein Verlangen nicht aufhalten. Dieses Mal nicht!

Getragen, ja beinahe unmerklich, nimmt der gläserne Tropfen seine scheinbar vorherbestimmte Bahn ein. Ich sehe ihn deutlich, viel zu deutlich bohrt er sich in meine Augen. Im unendlichen Moment rinnt er nahezu arrogant über ihre trockene Haut. Es ist hier! Es nimmt. Während sie in der Ecke kauert, aus ganzem Herzen weint, bleibt meines jäh stehen. Ebenso wie das ticken der Uhr, deren Zweck nun erfüllt und damit überflüssig zu sein scheint. Panisch verschwimmt selbst das restliche Licht, mit jedem Millimeter in dem der glänzende Tropfen wie in Zeitlupe dem Abgrund entgegendrängt, beinahe als wolle es ihm bewusst aus dem Weg gehen. Verschwindet völlig, exakt in jenem Moment, als er sich von ihrer Haut ablöst und mit brachialer Gewalt auf den Boden zu schlagen scheint. Sinne schwinden. Bisher zum Beobachter verdammt, weckt mich nun eine ohrenbetäubende und brüllende Explosion aus meiner Ohnmacht. Wie ein Zug, der in voller Fahrt strauchelt und gegen einen massiven Brückenpfeiler rast, zerplatzt die flüssige Perle in alle Himmels-richtungen. Leid. Unbegreiflicher Schmerz bohrt sich in mein Herz und zerstört erneut. Finsternis. Nichts. Für eine gefühlte Ewigkeit nichts.

Als mich ein dumpfes Bewusstsein ergreift, dränge ich vor. Gegen die Fluten, das fauchen der Wellen. Will Julie berühren, endlich meine Liebe festhalten. Wie gelähmt aber meine Bewegungen. Zentnergewichte auf den scheinbar blockierten Schultern. Schmerzen. Unbeschreibliche Drangsal will mich hindern. Endlich stehe ich neben ihr, sinke zu Boden. Versuche den zweiten Tropfen zu erreichen, der seinem Gefährten direkt folgen will. Mehr und mehr Tropfen vereinigen sich. Ich kann sie erreichen, doch unmöglich halten. Nicht halten. Sie rinnen durch meine zitternden Finger - Julie rinnt durch meine Hände - wie salziges Blut.

Ihre ängstlichen Augen flehen mich an: Hilf mir! Furcht; wir beide leiden unbeschreibliche Angst. Es darf nicht sein. Wir weinen vor Kummer. Das Brausen verstärkt sich, betäubt langsam meine Ohren. Was muss ich nur tun? Oh Gott, hilf mir. Kann sie nicht halten. Meine Schuld. Alles meine Schuld. Wasser, literweise Wasser überflutet meine Hände, den Boden, das Zimmer. Versuche es festzuhalten. Irgendwie aufzufangen. Julie! Ich schreie ihren Namen. Nein! Ich schaffe es nicht. Alles wird Eins. Dieses verfluchte Es. Meine Liebe, mein Leben zerfließt, als ob nie gewesen. Direkt vor meinen Augen. Ich fühle einen Rhythmus. Bumm. Bumm. Herzen schlagen, doch nicht mein eigenes. Kommen näher. Betreten die Welt gleichsam einer sich ausdehnenden Galaxie. Einem sich einspielenden Orchester, das nun, urplötzlich und wie aus dem Nichts, eine gewaltige Sinfonie der Klänge entfaltet. Bricht herein und nimmt. Nimmt Sie mit. Reißt alles fort...

Finsternis. Nichts. Für eine gefühlte Ewigkeit nichts."

____________________________
Auszug aus meinem Roman 'Nichts'
DerWurm
Neu
Neu
 
Beiträge: 2
Registriert: Sa 26 Jun, 2010 12:08
Eigene Werke
 

Re: NICHTS - von Ben Louis

Beitragvon Drehrassel » Sa 26 Jun, 2010 13:40


zunächst einmal, wieso meldest du dich hier unter einem pseudonym an, wenn du doch schon in deinen ersten beiden beiträgen deinen - so sollte man es ja annehmen - bürgerlichen namen nennst, indem du diesen in bezug zu eben jener autorenschaft bringst, für welche dieser text zeichnet? soll ich dich mit "wurm" oder "ben" ansprechen? ich entscheide mich für "ben". also,

ben,
da es sich hier ja, wie du schreibst, um ein exzerpt handelt, einen auszug aus einem roman, würde mich schon interessieren, wo genau heraus es entnommen wurde. von welcher stelle des romans, meine ich. es liest sich als handelte es sich schlicht... um den anfang des romans. denkbar wäre aber auch alles andere. grundsätzlich gefiele mir jedoch ein umstandsloses einsetzen, einführen einer figur, eines ich, des erzählers in form eines inneren monologs. /

dieser kleine ausschnitt ist nicht leicht zu kritiseren. da ohne kenntnis eines weiteren textumfeldes, zumindest eines weiteren beispiels (und dabei idealerweise einer passage möglichst anderer machart, perspektive, erzählhaltung, figuren-situierung) nicht klar werden kann, worauf genau es dir bei der gestaltung dieser text-instanz ankam. lese ich diesen ausschnitt ganz nur für sich und bewusst so, als wüsste ich nichts von einem größeren zusammenhang, in welchem er stünde, und das habe ich laut und prononciert getan, so wirkt er unfreiwillig komisch auf mich. aber das kann ja deine absicht gewesen sein. das pathos des ich ist hohl, und all seine beteuerungen und wiederholten (schon bei einem einmaligen nennen wäre es bereits ungelenk und nicht überzeugend, für meinen geschmack) äußerungen darüber, wie "unbeschreiblich" und "unbegreiflich" das alles sei, was es fühlte, kommen mir sehr... wie soll ich sagen? unliterarisch vor. der erzähler kämpft sich mit großer spürbarer verzweiflung mit einem riesigen arsenal an ausdrücken ab, welche die tiefe seiner sehnsucht, liebe und schuldgefühl transportieren sollen. aber nicht tun. eben gerade nicht tun. wir haben es hier - noch einmal: wenn man den ausschnitt liest, als stünde er nur für sich - mit dem klassischen fall zu tun von einer art bekenntnishaftigkeit, welche ihrem eigentlichen gegenstand nicht gerecht wird. hier wird geredet über etwas, das man nicht nach-empfinden kann. es sind phrasen, gesucht starke ausdrücke und bilder, die genau das unter sich begraben, wovon sie doch eigentlich handeln wollen. die ausdrucksweise ist dabei so abgeschmackt, dass es sogar für einen groschenroman ein starkes ding wäre.
"sinne schwinden"... "zentnerlast"... "brachiale gewalt"... "zitternde finger" "herzen schlagen bumm bumm"... du lässt eigentlich keine peinlichkeit aus, welche sich bei dem thema anzubieten scheint aus der sphäre umgangssprachlicher kitsch-phraseologie. /

da ich aber nicht weiß, was der gestaltende autorenwille dabei gewesen war, kann ich die funktion dieses umgangs mit sprache nicht erkennen und somit auch nicht kritisieren. / jedenfalls habe ich mehrfach lachen müssen während der lektüre.

grüße,
drehrassel
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
- ossip mandelstam
Benutzeravatar
Drehrassel
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 791
Registriert: Mi 17 Sep, 2008 12:27
Eigene Werke
 

Re: NICHTS - von Ben Louis

Beitragvon exmaex » Sa 26 Jun, 2010 17:59


hallo benlouis,

also ich muss drehrassel hier leider mit ganzer vehemenz
zustimmen.

wenn ich mir den superblockbuster-"trailer" auf deiner seite angucke - wortwörtlich: "2016. die welt steht am abgrund. nur eines kann DICH noch retten. die wissenschaft. finanziert von mächtigen privatiers. die größte maschine der welt. der teilchenbeschleuniger omega" - habe ich weder zweifel an den literarischen selbstansprüche der story, der betriebenen recherche, noch an der repräsentativität des obigen auszugs.

es misslingt dir, wie drehrassel schon richtig darlegte, zumindest in diesem ausschnitt, genau das elementare ziel, das (gute?) unterhaltungsliteratur (was es unschwer erkennbar zu sein wünscht) verfolgt; verfolgen sollte!, und zwar das ansprechende informgießen von "guten einfällen". der tiefgrüdigste plot, die entwaffnendste metapher, [...] werden zu oberflächlichem schrott, entblößender peinlichkeit, [...] wenn man sie nicht zu kleiden weiß, die worte. die art, wie du dich und dein werk in deinem webauftritt propagierst, sagt mir, dass du dir einer wort-couture sicher zu sein scheinst, derer du noch nicht befähigt bist.

wenn ich mal exemplarisch einen satz herausgreife:
Ihre ängstlichen Augen flehen mich an: Hilf mir! Furcht; wir beide leiden unbeschreibliche Angst.

der prot. weist hier dreimal hintereinander auf angst hin. das erste mal ist schon zu viel (siehe drehrassel)

gruß, exmaex

p.s.: zitat von der website
"Der Roman 'Nichts' schockiert die Welt"

und dann noch die todesuhr unten rechts:
"Dein Alptraum beginnt in 6 Jahren, 1 Monat, 22 Tagen, 20 Stunden, 37 Minuten und 33 Sekunden"
einfach köstlich :D
irgendwie
exmaex
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1603
Registriert: Sa 25 Sep, 2010 17:34
Eigene Werke
 

Zurück zu Tretmühle

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste

cron