Humoristische Geschichten, Satiren

Aus Hildegards Tagebuch

Beitragvon OlafmitdemTraktor » Di 28 Jul, 2009 20:29


Ich mache mir sehr große Sorgen. Es geht um unsere Tochter Yvonne-Jaqueline. Mein Mann und ich hatten uns sehr lange damit beschäftigt, welche Schulform und welche Schule für unsere Tochter wohl die beste sein könnte. Dann entschieden wir uns für das Sebastian Ohnesorg -Gymnasium in Knödelburg. An diesem Gymnasium ist Höchstleistung angesagt. Wir besuchten die Schule damals uneingeladen, um einen authentischen Eindruck gewinnen zu können. Mein Mann verkleidete sich als Hausmeister.
Bier hatten wir noch vorrätig und der dicke Auto-Peter lieh uns einen von seinen blauen Arbeitsanzügen. Ich ging als Putzfrau. Mein Mann meinte, da kenne ich mich am besten aus, das würde nicht weiter auffallen.
Ja und was soll ich sagen? Wir waren begeistert. Die Lehrer rannten auf den Gängen umher, das war die reine Pracht. Das machen die, meinte mein Mann, um Zeit zu sparen, auf ihren Wegen zwischen den verschiedenen Klassenzimmern. Putzig fand ich ja dabei, dass auch immer eine Gruppe von Schülern hinter ihnen herjagte. Das war die Vorbildwirkung.
Wir lauschten dann später noch an einigen Türen. Hinter einer Tür erklangen Schüsse. Mein Mann sagte, so einen interessanten und praxisbezogenen Chemieunterricht hätte er sich damals auch gewünscht. Beeindruckt war ich vom Deutschunterricht. So hörte ich hinter einer anderen Tür eine Stimme stöhnen, ich komme, ich komme. Die Schülerin war bestimmt ins Stocken geraten, als sie „ich komme“ konjugieren sollte, zeigte sich aber trotzdem sehr bemüht und gab nicht auf. Das lag wohl auch daran, dass der Lehrer ihr immer wieder ein lautes Ja zurief, und sie solle nicht aufhören
Alles in allem, wir konnten einen sehr guten Eindruck gewinnen.
Mittlerweile sind wir aber sehr in Zweifel geraten, ob unsere damalige Entscheidung für diese Schule richtig war.
Und das alles wegen unserer Nachbarn.
Aber ich beginne von vorn zu erzählen.
Vor zwei Monaten wurden wir von ihnen eingeladen. Ihre Tochter Manga-Agape stünde kurz vor ihren Prüfungen und zur Ablenkung wollten sie ihr ein kleines Fest schenken. Mein Mann und ich wunderten uns zunächst. Denn das Verhältnis zu unseren Nachbarn ist etwas- wie soll ich sagen- ins Stocken geraten, wahrscheinlich weil wir Anhänger des Stephanusknutenrutenritus sind und unsere Nachbarn bezüglich unserer Religion mit Unverständnis, ja fast schon Ablehnung reagieren. Aber das ist jetzt ein anderes Thema.
Jedenfalls kam diese unerwartete Einladung. Und wir einigten uns darauf, diese anzunehmen. Vielleicht ergab sich so eine Gelegenheit, die nachbarschaftlichen Beziehungen wieder normalisieren zu können, dachten wir.
Mein Mann fand recht schnell ein passendes Kleid- ja, er trägt Frauenkleider, aber auch das ist jetzt ein anderes Thema.
Es wurde schließlich eine ganz nette Feier bis Nachbars begannen, ihre Tochter überschwänglich zu loben.
Unentwegt bestätigten sie sich gegenseitig ihrer Freude, dass ihre Tochter die Privatschule von Doktor Wobbellatus besuche. Besonders in Egometrie und Pädoklampfie gehöre sie wohl zu den Klassenbesten. Wenn ihre Prüfungen so abliefen, wie geplant, dann könne sie wohl mit einem Stipendium der Hannelore Welschleder- Stiftung rechnen und Sozialegometrie im Ausland studieren.
Während der Feier erschien Manga-Agape dann mit einem seltsamen Helm auf dem Kopf. Durch eine Sprachöffnung erklang ihre verzerrte Stimme. Sie teilte den Gästen mit, dass sie sich jetzt zurückziehen müsste, um mit ihrem neuen Egometriehelm, ja und das habe ich vergessen, wie sie das nannte, jedenfalls flackerte später das Licht im gesamten Haus, bevor es dann für eine Stunde keinen Strom mehr gab. Aus dem Keller jedoch klang ein lautes Brummen begleitet von rhythmischen Grunzlauten.
Der Direktor von der Sparkasse, Herr Drögensack, zeigte sich begeistert. Er habe das alles mühsam auf unzähligen Wochenendseminaren erlernen müssen, aber heutzutage und mit der Technik, da würde er auch noch mal jung sein wollen.
Als er dann fragte, was unsere Tochter für eine Schule besuche, verabschiedeten wir uns schnell und verließen die nachbarliche Feier. Wir wollten uns schließlich keine Blöße geben.

Liebes Tagebuch, du bist meine letzte Rettung! Haben wir für unsere Tochter richtig entschieden?
Fehlen ihr im späteren Leben nicht vielleicht entscheidende Kenntnisse im Fach Egometrie? Wie und wo kann sie darin jetzt noch Wissen erwerben?
Und was bedeutet das eigentlich, Egometrie?

Deine Hildegard
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Re: Aus Hildegards Tagebuch

Beitragvon Ruelfig » Di 28 Jul, 2009 20:55


Hildegard, du Wunderweib, wer wollte nicht, als Mann, mit dir mehr Egometr(inn)en zeugen? Auch mir liegt die Tochter in den Ohren mit dem Auslandsjahr, aber wie kriege ich die dann zurück? Gut und gesellschaftlich wertvoll dein Aufmerksammachen auf pädagogische Kalamitäten, weil a) geht das so nicht und b) weiter. Man müsste und sollte und könnte am liebsten, aber das ist ein anderes Thema. Aber kamen die Schüsse nicht eher aus dem Physikraum?
In Bezug auf euer kleines Luder vermag ich nur folgenden Rat zu geben: schickt das Blag rechtzeitig in die Produktion. Spargel stechen in Polen oder Au-Pair in Saudi-Arabien hat noch niemand geschadet, Bildung verweichlicht doch bloß.
"Manga-Agape", lange nicht mehr so gelacht. Prächtiger Text, deiner, und gerne las ich auch wieder vom Stephanusknutenrutenritus.
Egometrie ist, lt Definition der Egopedia-Website, die "ausufernd allumfassende Vorstellung einer Verschuldung der kosmischen Entität an der eigenen psychischen Befindlichkeit, die sich speist aus dem Wissen um die Pflichten, welche die Welt hat gegenüber der eigenen Person".
Danke für einen wahrhaft weltbewegenden Text,
R
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Re: Aus Hildegards Tagebuch

Beitragvon Mizuki » Fr 30 Okt, 2009 21:16


Einfach zu gut.
Vorallem das mit dem Deutschunterricht :D
Ich kann es kaum erwarten mehr von Hildegard zu lesen. :]
[mittig:2rdebuyd]"Ich überrasche mich immer selbst. Das ist das einzige, was das Leben lebenswert macht."
[Oscar Wilde]

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[Dir en Grey][/mittig:2rdebuyd]
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Re: Aus Hildegards Tagebuch

Beitragvon OlafmitdemTraktor » Sa 31 Okt, 2009 17:00


Hildegard sagt: Was kramt ihr hier in meinem Tagebuch? Wer hat das hier ins Internet gestellt?
Olaf, du blöder Trottel, warte ab ...

Und euch beiden Schmierhansen will ich mal eines sagen, hier mit süßer Sahne alles vollschmieren, aber nicht wissen, wie eine Kuh gemolken wird. Da fall ich nicht drauf rein.
Nur mit Lob reift kein Käse. Das ist ein Sprichwort. Und das könnt ihr euch ruhig mal unter die eigene Nase schmieren. Bis ihr es selber riecht. Und länger noch.

Hildegard

[size=70:qgzjsqnr]Der Herr Ruelfig ist ein feiner Mann, der weiß, wie er eine einfache Bauersfrau um den Daumen wickeln kann. Der nimmt mich auch als Person ernst. Der kann Mitmenschlichkeit und alles. Der ist auch schon auf golgochischen Sandziegen geritten. Der ... [/size]
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