Humoristische Geschichten, Satiren

Am Theater

Beitragvon Sagahock » Fr 21 Mai, 2010 18:31


„Gut, na dann … zeigen Sie uns doch bitte, was sie vorbereitet haben.“
Ein stolzer Cäsar nahm Haltung an, und ließ sich in einem unendlich langsamen, aber ausgesprochen würdevollen Kniefall zu Boden gleiten.
Imaginäre Hände setzten ihm einen Lorbeerkranz auf, während Cäsar pflichtbewusst den Blick auf sein Volk gerichtet hielt, das weit unter ihm (irgendwo hinter dem Fußboden) der Krönung des geliebten Monarchen zusah.
Und weiter ging es mit Cäsar, bis er schließlich, an jenen schicksalhaften Iden des März, von vielen Dolchstichen tödlich verwundet, zu Boden sank mit den Worten: „Auch du, mein Sohn Brutus.“
Stille. Der leblose Cäsar sprang auf, und ich wartete gespannt ab, wie mein Spiel dem Publikum wohl gefallen hatte.
Einzelne Klatscher – ich nahm an, das bedeutete, ich wäre zumindest nicht völlig ungeeignet.
„Sie können sich einstweilen vor die Tür setzen – wir rufen Sie, wenn wir uns beraten haben.“
Etwas unsicher von dieser zweideutigen und abweisend wirkenden Aussage schlich ich mich (vor die Tür) und sah mich um.
Die Theaterakademie war zwar sehr bekannt, aber alles andere als groß oder stark frequentiert – ich befand mich in einer kleinen Aula, rechts lächelte mich die Bedienung der winzigen Cafeteria an und schien verführerisch mit den Augen zu zwinkern.
Ich setzte mich mit dem Rücken zu ihr, an die gegenüberliegende Wand, wobei ich durch einen Spiegel vor mir zwar die Tür im Auge behalten konnte, nicht aber den Anblick der Bedienung, die meine Phantasie für meinen Geschmack etwas zu stark anregte (zuhause warteten immerhin meine Freundin und zwei Kinder), ertragen musste.
Nach einiger Zeit sah ich mich gezwungen, meinen nach Koffein schreienden Geist zu besänftigen, indem ich mich den Reizen der Bedienung stellte und einen kleinen (passend zum Ambiente) Cappuccino bestellte. Die schwarze Flüssigkeit, die sich am Boden der Tasse gesammelt hatte, roch stark nach einem Parfüm, welches ich in meinen späteren Jahren gerne als „Kaffeerosen“ bezeichnete und mir immer wieder in Momenten geistiger Umnachtung (sprich: kurz nach dem Aufstehen, halb neun Uhr morgens, Starbucks) die Vorteile weiblicher Bedienung beim Frühstücken vergegenwärtigte.
Sie schmeckte im Übrigen auch ähnlich – zufällig gehöre ich zu den wenigen Menschen, die einmal eine ganze Rosenblüte vorgesetzt bekommen hatten, als ich einmal nach erfolgreicher Liebesnacht ans Bett gefesselt erwachte und von einem freudestrahlenden Sohn zum Vatertag mit einer Rose beglückwünscht wurde, welche ich unter viel gutem Zureden, einer guten Portion des Wohlwollens und schließlich sanftem Druck mit der flachen Hand hinunterwürgte – ich kann also wirklich behaupten: dieser Kaffee schmeckte definitiv nach Rosen.
Mein Geist bedankte sich hernach für das erwünschte Koffein, mein Körper rebellierte gegen die Herrschaft meines Geistes (und würde wohl bald schon wieder die Oberhand gewinnen, dies geschieht häufiger, ich kannte das – einer der Vorteile, wenn man ein Mann ist).
Mitten im Gespräch mit der wirklich entzückenden Bedienung (Arsch und Titten, um nur die wesentlichen der zahlreichen Vorteile zu nennen) rief man mich zurück in das noch kleinere Prüfungszimmer, um mir das Ergebnis meiner schauspielerischen Glanzleistung zu verkünden.
Man musste mir die Nervosität angemerkt haben, denn Maria (wie sich die Bedienung nannte – 19, Single, geringe Ansprüche) nickte mir aufmunternd zu und gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. Ich ließ sie gewähren, war ich doch derart aufgewühlt hinsichtlich der bevorstehenden Entscheidung, die gewiss meinen Lebensstil extrem beeinflussen würde - sollte ich an die Akademie aufgenommen werden, würde ich bestimmt schon bald die Möglichkeit bekommen, meine Freundin, die mir wirklich mehr als alles andere auf dieser meiner Welt [gut, vielleicht auch dieser ihrer Welt] bedeutete, zu heiraten und mit ihr ganz allein glücklich zu werden.
Ich glaube, ich habe sie voller Ergriffenheit ebenfalls auf die Wange geküsst und ihr meine Karte hinterlassen, damit sie im Zweifelsfall jemanden hätte, um sich auszusprechen (ich weiß ja schließlich, dass man es als Single wirklich nicht leicht hat, und wollte ihr gerne aus dieser schwierigen Situation – ledig, alleinstehend, Single – heraushelfen, denn ich bin ja schließlich wahrhaftig keiner von diesen herzlosen oberflächlichen Menschen, die all ihr Bestreben auf ihre Lenden richten müssen – Gott sei Dank steht mir hierfür auch mein Hirn zur Verfügung).
Gut. Ich atmete also tieeef durch und ging mit nunmehr siegessicherer Miene (einer der Vorteile, wenn man Schauspieler ist – man fällt kaum auf) zielstrebig in die geschlossene Tür. Es rumste, an der Cafeteria kicherte es verzückt und ich fluchte vergleichsweise laut, öffnete die dämliche Türe und knallte sie nach dem Eintreten mit entsprechend viel Wucht ins Schloss (um es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen; ich verabscheue aufmüpfige von Menschenhand geschaffene Gegenstände aller Art).
Der Raum war unverändert winzig, aber nachdem ich immer noch von dem Koffeingehalt des Cappuccinos aufrecht gehalten wurde (was heißt - ich fühlte mich leicht wie eine Feder und eierte wie ein Besoffener durch die Gegend), konnte mich diese bestürzende Tatsache nicht mehr aus der Fassung bringen. Überhaupt ging es mir plötzlich so wunderbar. Ich fühlte mich so lebendig, und irgendwie … wach.
Die Prüfer sahen mich dann auch nur sehr kurze Zeit an, vor dem Fenster zogen die Wolken in atemberaubender Geschwindigkeit vorbei.
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An dieser Stelle möchte ich gerne hinzufügen, dass sich in meinem Weltbild die Zeit am Morgen, kurz nach dem Aufstehen, am langsamsten vergehen lässt (vielleicht ist sie selbst da noch müde) und von da an permanent beherzter wird. Praktischerweise beschleunigt Kaffee nicht nur diese Entwicklung, sondern verschafft meinem Geist eine weitere Stunde der Herrschaft über den Körper.
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Schließlich sprach einer der unheimlich scharf umrissenen, in Weisheit ergrauten Schauspieler vor mir: „Siehabensichgutgemachtichdenkewirkönnensiebeiunsaufnehmen.“
Das Gesagte schien, trotz atemberaubender Frequenz, von meinem Gehirn überdurchschnittlich schnell ausgearbeitet zu werden.
„Sie haben sich gut gemacht. Ich denke, wir können Sie bei uns aufnehmen.“
Langsam schien mein Körper wieder die Oberhand zu gewinnen, denn meine Gedanken schweiften kurz zur Cafeteria ab, und beschäftigten sich mit der elementaren Bedürfnisbefriedigung. Dementsprechend dauerte es ein paar Sekunden, bis ich den Sinn der Worte auch begriff und laut aufjubelte.

Nach ein wenig Smalltalk wurde es dann wieder ernst. Inzwischen war mein Körper wieder im Vollbesitz aller Reichtümer meines Geistes und verwahrte diese an einem geheimen Ort auf, an welchen meinen Geist wohl erst die nächste Tasse Cappuccino führen würde.
„Sie können morgen bei uns anfangen. Finden Sie sich um halb acht [oh verdammt, wieder eine Stunde früher] in der Aula nebenan ein, wir zeigen Ihnen dann das Gebäude und Sie bekommen Ihren Stundenplan zusammengestellt. Am besten, Sie üben auf dem Weg nach Hause noch ein wenig das authentische Schauspiel, schließlich kann die TAfKdM* nur die besten und natürlichsten Schauspieler für ihre Zwecke benötigen. Wer einen liberalen Präsidenten verkörpern möchte, der einen starken Eigenwillen besitzt, darf schließlich in keinem Fall durchblicken lassen, dass er in Wahrheit die Befehle direkt von uns bekommt, der *TheaterAgentur für Kontrolle der Menschheit. Also – üben Sie. Sie sind von nun an ein Agent des weltweit größten Unternehmens für politische Täuschung der Massen, wie ich mit stolz verkünden darf. Herzlichen Glückwunsch.“
Nachdem ich den kleinen Raum verlassen hatte, beschloss ich, meinen neuen Spitzenposten zu würdigen, indem ich der Bedienung möglichst authentisch meine Liebe gestand.
Als ich am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr, nahm mich Maria netterweise in ihrem eigenen Auto mit. Sie scheint ebenfalls ein Mitglied der TAfKdM zu sein.
Nächsten Monat werde ich meiner Freundin einen Antrag machen – ich bin schon ganz aufgeregt.
Lebensmotto:
"Gerate niemals überstürzt in Wut - du hast genug Zeit." - Ralph Waldo Emerson
Sagahock
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