Schalterspiele

Beitragvon Old Gil » Mo 22 Jun, 2009 20:12


Schalterspiele


Licht an. Licht aus. Licht an - Schalter langsam kippen, Licht flackert. Raum wird in orangefarbenes Stroboskoplicht getaucht, Licht an. Alles in Ordnung. Noch einen Blick unter das Bett werfen. Ohne mit den Knien den verstaubten Teppichboden zu berühren, beugt er sich tief hinunter. Das Blut steigt ihm in dem Kopf. Sandwich von letzter Woche immer noch am selben Fleck, immer noch mit Lebensmittelschimmel überzogen. Sehr gut. Zwei Motten kreisen um die Energiesparlampe, wie jeden Abend. Ob er ihnen Namen geben sollte, einfach so?
Licht aus.
In der Dunkelheit sind die roten Leuchtschalter an den Mehrfachsteckerdosen seine einzige Orientierungshilfe. Ohne in die Chipstüte zu treten durchquert er den Raum, geht neben dem rot glühenden Schalter in die Hocke und setzt sein Ritual fort. Strom aus. Strom an - Schalter langsam kippen, rotes Licht flackert. Das Summen und Knistern, welches von dem roten Schalter ausgeht ist heute anders. Lauter. Beunruhigend. Testweise hält er den Schalter für ein paar weitere Sekunden in der Kippstellung.
Der Fernseher gibt ein tiefes Brummen von sich und den Moment darauf explodiert etwas in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers BUMM knallt so laut dass er unwillkürlich zusammenzuckt verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert, überall spürt er Kribbeln (nicht nur in seinem Körper) der Raum ist voll davon Kratzenschabenkribbeln er fühlt den ganzen Raum der kein Raum ist wegen der Blindheit nur Gefühl flatternder Nervenenden-
Eine unsichtbare Kraft drückt ihn vornüber. Ohne seine Hände zu spüren, geschweige denn, sie zum Abfangen des Sturzes gebrauchen zu können fällt er in den warmen Teppichboden.
Er öffnete die Augen. Die Sonne schien durch die Ritzen im Rolladen und verteilte das Zimmer mit Lichtpunkten an die Wände. Er befreite sich hektisch von der Bettdecke, blickte sich um und starrte verstört auf den brennenden Sicherungskasten.



ursprüngliche Version:
[spoiler:ze525lj9]o. T. [Lichtschalter]

Licht an. Licht aus. Licht an - Schalter langsam kippen, Licht flackert. Raum wird in orangefarbenes Stroboskoplicht getaucht, Licht an. Alles in Ordnung. Noch einen Blick unter das Bett werfen. Ohne mit den Knien den verstaubten Teppichboden zu berühren, beugt er sich tief hinunter. Das Blut steigt ihm in dem Kopf. Sandwich von letzter Woche immer noch am selben Fleck, immer noch mit Lebensmittelschimmel überzogen. Sehr gut. Zwei Motten kreisen um die Energiesparlampe, wie jeden Abend. Ob er ihnen Namen geben sollte, einfach so?
Licht aus.
In der Dunkelheit sind die roten Leuchtschalter an den Mehrfachsteckerdosen seine einzige Orientierungshilfe. Ohne in die Chipstüte zu treten durchquert er den Raum, geht neben dem rot glühenden Schalter in die Hocke und setzt sein Ritual fort. Strom aus. Strom an - Schalter langsam kippen, rotes Licht flackert. Das Summen und Knistern, welches von dem roten Schalter ausgeht ist heute anders. Lauter. Beunruhigend. Testweise hält er den Schalter für ein paar weitere Sekunden in der Kippstellung.
Der Fernseher gibt ein tiefes Brummen von sich und den Moment darauf explodiert etwas in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers BUMM es knallt so laut dass er unwillkürlich zusammenzuckt verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert, überall spürt er Kribbeln (nicht nur in seinem Körper) der Raum ist voll davon Kratzenschabenkribbeln er fühlt den ganzen Raum der kein Raum ist wegen der Blindheit nur Gefühl flatternder Nervenenden-
Eine unsichtbare Kraft drückt ihn vornüber. Ohne seine Hände zu spüren, geschweige denn, sie zum Abfangen des Sturzes gebrauchen zu können fällt er in den warmen Teppichboden.
Er öffnet die Augen. Die Sonne scheint durch die Ritzen im Rolladen und verteilt das Zimmer mit Lichtpunkten an die Wände. Er befreit sich hektisch von der Bettdecke, blickt sich um und starrt verstört auf den brennenden Sicherungskasten.[/spoiler:ze525lj9]
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Re: Schalterspiele

Beitragvon Struppigel » Do 23 Jul, 2009 20:04


Hallo Old Gil,

die Geschichte ist ein interessantes Experiment - auf jeden Fall eine Idee, aus der man sehr viel machen kann. Nun mal im Detail, was Du daraus gemacht hast:

Licht an. Licht aus. Licht an - Schalter langsam kippen, Licht flackert. Raum wird in orangefarbenes Stroboskoplicht getaucht, Licht an.

"tauchen" und "Stroboskoplicht" passen nicht zusammen. "tauchen" ist etwas Weiches, wenn man in etwas eintaucht, gibt es immer einen merklichen Übergang, während ein Stroboskop harte Schnitte zwischen Dunkel und Hell erzeugt.

Sandwich von letzter Woche immer noch am selben Fleck, immer noch mit Lebensmittelschimmel überzogen.

Der Sinn dieser Stelle will sich mir nicht erschließen. Ok, es zeigt, dass der Protagonist ein seltsamer Mensch ist, aber das merkt man auch schon an seinen Schalterspielchen. Mir fehlt hier der Bezug zum sonstigen Textinhalt.

Zwei Motten kreisen um die Energiesparlampe, wie jeden Abend. Ob er ihnen Namen geben sollte, einfach so?

Das gefällt mir wieder. Durch die Energiesparlampe ist auch der Bezug gegeben. Der Protagonist ist möglicherweise ein sehr einsamer Mensch, da er Fliegen als Gesellschaft betrachtet.

Das Summen und Knistern, welches von dem roten Schalter ausgeht Komma ist heute anders.


knallt so laut Komma dass er unwillkürlich zusammenzuckt Komma verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert, überall spürt er Kribbeln (nicht nur in seinem Körper) der Raum ist voll davon Kratzenschabenkribbeln er fühlt den ganzen Raum Komma der kein Raum ist wegen der Blindheit Komma nur Gefühl flatternder Nervenenden-

Nun ist das sowieso eine besondere Situation und ich hätte fehlende Kommata evtl. als Stilmittel auffassen können (wenn auch nicht so gern gesehen), aber hier hast Du teilweise Kommata gesetzt. Also sollten sie auch konsequent gesetzt werden.
In dem Stück verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert stimmt grammatisch etwas nicht. Da ich nicht weiß, wie Du den Teil meinst, kann ich Dir nicht sagen, was genau da nicht stimmt. Entweder es sollte heißen:
verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert spürt er überall Kribbeln
oder
verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden wird er paralysiert, überall spürt er Kribbeln
Beides finde ich sprachlich sehr ungelenk/umständlich. Ich rate Dir, diese Stelle ganz umzuschreiben.

Ohne seine Hände zu spüren, geschweige denn, sie zum Abfangen des Sturzes gebrauchen zu können Komma fällt er in den warmen Teppichboden.
Dass der Boden warm ist, überrascht mich irgendwie. Er scheint ja sonst alles eher verwahrlosen zu lassen - das deuten das Sandwich, der Staub und die Chipstüte an. Und trotzdem wird der verdreckte Boden zu einer Art Sicherheit - etwas, das ihn auffängt. Interessant.

Er öffnete die Augen. Die Sonne schien durch die Ritzen im Rolladen und verteilte das Zimmer mit Lichtpunkten an die Wände. Er befreite sich hektisch von der Bettdecke, blickte sich um und starrte verstört auf den brennenden Sicherungskasten.

Schade, ein Alles-Nur-Geträumt-Ende hier vorzufinden. Das ist platt, es macht die gesamte Geschichte nichtig. Gut, der Sicherungskasten brennt, also ist irgendwas davon doch passiert, Traum und Realität haben sich vermischt, aber auch das ist eine olle Kamelle.
Mir gefällt auch nicht der Zeitwechsel ins Präteritum. Du hast ihn offensichtlich intendiert, da die alte Version ihn noch nicht enthielt. Doch welchen Sinn hat das?

Die Sonne schien durch die Ritzen im Rolladen und verteilte das Zimmer mit Lichtpunkten an die Wände.

Soll die Sonne wirklich das Zimmer verteilen? So eine Verbildlichung passt nicht den Rest des Textes. Bis auf das Kratzenschabenkribbeln und die gefühlte Verschmelzung mit dem Raum hast Du ja keine derart deutlichen Metaphern benutzt. Das Kratzenschabenkribbeln und die Raumverschmelzung habe ich wiederum als Ausnahmen akzeptiert, da der Prot in dem Moment wegen des Stromschlags in seinen Empfindungen gestört wird.

Aus der Geschichte kann man auf jeden Fall noch mehr machen. Ein sehr geübter Interpreteur bin ich leider nicht, was Grund dafür sein kann, dass ich hier im Moment auf keine mögliche Deutung des Ganzen komme.

Grüße
Struppigel
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Re: Schalterspiele

Beitragvon Antibegone » Sa 25 Jul, 2009 20:35


Huhu lieber Old Gil :-)

Hm, als ich deine Geschichte das erste Mal gelesen habe, dachte ich, sie wäre einfach nur „banal“ und wollte auch schon aufhören zu lesen. Dann dachte ich dahinter stecke ein verborgener Sinn. Dann dachte ich wieder es wäre banal.
Ja, soviel zu meinem ersten Eindruck. Mal gucken auf was ich hier bei näherem Hinschauen stoße.

Hm, also was haben wir da?
Da ist ein Typ, der die ganze Zeit mit dem Licht rumspielt. „Licht an. Licht. Licht an – […]“ allein die Formulierung zeigt die Sinnlosigkeit dieses „Rituals“. Er scheint einsam zu sein und etwas (!) verwahrlost zu leben. Anscheinend freut er sich an der Gewohnheit, Sachen zu wiederholen oder auch Sachen am selben Fleck vorzufinden, was mir in dem Kontext eine gewisse „Beschränktheit“ zeigen will.
Na gut, also er macht munter Licht an, Licht aus und merkt plötzlich, dass da etwas nicht stimmt. „Lauter. Beunruhigend.“ Und ist dämlich genug trotzdem weiter zu machen. Vermutlich aus reiner Neugierde zu sehen, was passiert. Zack, er wird vom Schlag getroffen, wacht am nächsten Morgen auf und sieht, dass der Sicherungskasten durchgebrannt ist.
Um erst einmal beim Inhalt zu bleiben. Entweder ist das Ganze so sinnlos wie mit dem Lichtschalter rumzuspielen. Oder du spielst hier auf eine Art gestörte Beziehung des Menschen zur Technik an, die unwissentlich und zweckentfernt benutzt wird.

Der zweite Ansatz, den Struppi ja schon genannt hat, dieses „Traum – Realität – Vermischungsthema“, ist, wenn er wirklich gewollt ist, nicht mal gelungen. Deine Beschreibungen des Handelns und der Position der Protagonisten sind etwas ungenau. Deswegen wäre mir z.B. nicht klar, ob du hier nur „geschludert“ hast oder, ob es Absicht ist. Wenn letzteres der Fall ist, dass du diese Ungenauigkeiten benutzt, um den Leser in die Irre zu führen – fände ich ungeschickt. Das verwirrt nur. Geschickter ist es, den Leser etwas anderes denken zu lassen, obwohl er alle Informationen hat.
Ich weiß leider nicht, was du hier intendiert hast, deswegen kann ich weiter kaum etwas sagen, nur kurz noch die Stellen, die ich ungenau bzw. als unstimmig empfinde. („geht neben dem rot glühenden Schalter in die Hocke“ – „verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden“ | „Eine unsichtbare Kraft drückt ihn vornüber“ – „fällt er in den warmen Teppichboden“ – „befreite sich hektisch von der Bettdecke“)
Ich weiß einfach nicht, wie er von den einzelnen Orten/ Positionen zur anderen kommt, selbst wenn ich bei dem | ein Realitätsbruch ansetzte, denn wie z.B. soll er im Bett vorne über fallen? Oder anders gelesen: Wie soll er, wenn er schon den Halt verloren hat (umgekippt ist), noch vorne über fallen?

Okay, dann ein paar sprachliche Anmerkungen. Der Stil an sich ist hier sehr abgehackt, umgangssprachlich. Fast wie Telegrammstil. Passt.

Aber dieser Satz will sich dort nicht einfügen:
„Der Fernseher gibt ein tiefes Brummen von sich und den Moment darauf explodiert etwas in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers BUMM knallt so laut dass er unwillkürlich zusammenzuckt verliert den Halt und mit den Knien auf dem Teppichboden paralysiert, überall spürt er Kribbeln (nicht nur in seinem Körper) der Raum ist voll davon Kratzenschabenkribbeln er fühlt den ganzen Raum der kein Raum ist wegen der Blindheit nur Gefühl flatternder Nervenenden- „

Er ist zu verschachtelt, zu verdreht, zu lang. Gerade hier müsstest du „schnell“ schreiben – zumindest für mein Sprachgefühl. Also abgehackt, um die eigentliche schnelle, spannende Abfolge der Ereignisse darzustellen. Vielleicht möchtest du, dass hier alles „ineinander verschwimmt“ (formal, inhaltlich). Aber das will nicht so ganz funktionieren. Dafür wäre es zu „unverbunden“ und sprachlich zu schräg formuliert.
Übrigens würde ich auch das „(nicht nur in seinem Körper)“ weglassen. Sachen in prosaischen Texten einzuklammern, mag mir überhaupt nicht gefallen. Hier besonders nicht, weil es unnötig ist.

„Er öffnete die Augen.“ Das kommt mir irgendwie so bekannt vor … ah, da war mal so ein Film, wo sie auch so ein „Realität – Traum – Mischmaschthema“ hatten und die ganze Zeit kam „öffne die Augen“. Ich glaube, ich wollte darauf hinaus, dass die Formulierung (vor allen in der Verwendung hier) etwas abgenutzt ist. Geschmackssache.

Ach ja, noch was. „Lebensmittelschimmel“ – ist irgendwie doppelt oder. Meinst du nicht einfach nur „Schimmel“ würde reichen. Was für’n Schimmel soll das Sandwich sonst kriegen?

„paralysiert“ gefällt mir in dem Zusammenhang auch nicht so. Das Fremdwort kommt mir unter den anderen Wörtern deines Textes sehr „fremd“ vor.

Gut finde ich „Kratzenschabenkribbeln“. Das hat was. Ergänzt das Einfache, Umgangssprachliche der Geschichte.

Ansonsten würde ich mich in Bezug auf die Kommatasetzung Struppi anschließen. Da hat sie bestimmt Recht :-)

Insgesamt: Ich glaube ich kann meinen ursprünglichen Zwiespalt über den Text nicht auflösen. Irgendwie banal (du banalisierst ja selbst durch deine Formulierungen), aber irgendwie mit einem Fünkchen Sinn. Ja, aber ich bin zu der Meinung gekommen das genau das hier auch passt. Das ist dir gelungen.
Was wirklich änderungswürdig ist, wären die ungenauen Beschreibungen. Damit lässt du den Leser etwas unbefriedigt zurück. Und er hat keine Chance dir „auf die Schliche zu kommen“, weil er einfach zu wenig Informationen über das Geschehen hat, um (für sich) entscheiden zu können, was jetzt passiert.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du die Geschichte noch einmal überarbeitest. Sie scheint mir so etwas wie ein „Rohentwurf“ für etwas wirklich Interessantes zu werden, was ich gerne noch lesen würde.

Herzliche Grüße,
Myr
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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