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Alle epischen Texte, die in keine andere Kategorie passen
von apnoe » So 12 Okt, 2008 11:06
Zu spät kam das Nein. Meine Sonne ging nicht mehr auf. Ihr Licht war verwunschen. Verflucht, wie der Knoten meiner gordischen Haare und das Messer im Kopf, das Schwert, das den Felsen durchbohrte und nicht für mich bestimmt war.
Der Schmerz darüber gehörte mir allein, durchfloss mich ungehindert in weitem Strom. Das klopfende warme Ding saß nicht mehr an seinem Platz. Es kauerte mit nassen Wangen und klammen Händen froststarr am Ufer. Mir graute, aber es kam kein Morgen zurück. Auf dem Weg in die leere Tiefe eines weiteren dunklen Tages fand ich Gesellschaft. Irgendeine Regenwolke saß auf einer Bank im Park und fütterte ihr Ertauben, das aufgeregt um sie herumflatterte, mit grübeligem Nichts. Ich sah ihr den Nebel nach.
Da begann die Wolke zu tropfen und zu rinnen und kleine Blitze schlugen mir verhaltenen Donnergroll entgegen. Sie hatte doch nur ihr Himmelblau hier verstecken wollen und heute: Man hatte ihr alles genommen.
Nur langsam verebbte ihr Weh zu einer bitteren Lache und ich verhinderte es nicht: Mein seltenes Sein verschwamm.
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
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von Struppigel » So 23 Nov, 2008 20:10
Hi apnoe
Diese Wort-/Metaphern-Spielerei finde ich genial. In Deinem Text sind so viele Ebenen miteinander verwoben, dass es fast schon überwältigt.
Knoten meiner gordischen Haare Gordische Knoten stehen für ein schwierig zu lösendes Problem. Nun sind das aber gordische Haare - so fest ist das Problem mit dem Erzähler verbunden und lässt hin nicht mehr los.
Mir graute, aber es kam kein Morgen zurück. Ja!
Nur langsam verebbte ihr Weh zu einer bitteren Lache Ich lese hier sowohl ein bitteres Lachen, als auch eine Wasserlache, also Pfütze, die da nun am Boden liegt.
fütterte ihr Ertauben, das aufgeregt um sie herumflatterte Wortspiele mit Taub(en) sind sowieso toll, weil gleich dreifach belegt: gefühlsmäßig abgestupft, Gehörhlos oder Vögelchen. Das Bild mit der Regenwolke, die ihr Leid beklagt und im Park ihr Ertauben füttert, hat etwas sehr Niedliches, gleichzeitig aber auch unheimlich Trauriges. Es ist gerade wegen der Niedlichkeit so herzzerreißend. (Ich habe fortwährend Comicbilder im Kopf, wenn ich das lese)
Sie hatte doch nur ihr Himmelblau hier verstecken wollen und heute: Man hatte ihr alles genommen. ;( (Das ist die traurigste Stelle überhaupt)
Es gibt nur eine Sache, die ich so gar nicht zusammenkriege: und das Messer im Kopf, das Schwert, das den Felsen durchbohrte und nicht für mich bestimmt war. Ich verstehe nicht, ob Messer und Schwert zusammengehören oder getrennt sind und warum vor dem Messer ein "und" steht, wenn sie nicht zusammengehören und wieso dann gleich zwei Schneidewerkzeuge erwähnt werden, wieso nicht eins reicht und was daran schlimm ist, wenn ein Schwert einen Felsen durchbohrt? Ist der Felsen der Erzähler?
Ich kann mich gar nicht sattlesen!
Liebe Grüße Struppi
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von apnoe » So 23 Nov, 2008 20:33
ach schön, dass du den text magst...alles, was du sagst, hast du auf einer sehr sensiblen ebene verstanden, die ganz vieles trifft.. auch die bilder im kopf, die comics hatte ich auch vor augen. das messer im kopf und das schwert gehören zusammen. es ist nur noch eine steigerung. das und bezieht sich auf den gordischen knoten und das messer, das genauso verflucht ist. der gordische knoten ist nicht zu lösen, zu zerschneiden auch nicht...das schwert ist der artussage gewidmet, in der der herr über das reich, die klinge ziehen kann. und diese selbstbestimmtheit, sich des schneidenden schmerzes entledigen zu können, weil man der herrscher darüber ist, das ist dem ich-erzähler nicht gegönnt. hart wie felsen ist er und muss er doch auch sein... traurig. ja. sehr. es ist schön, dass ich dir damit ein gefühl vermitteln konnte, das so vielschichtig anklang findet, wie es eben auch gemeint war. danke. deine meinung zählt für mich doppelt. lieben gruß, a
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von i.z. » So 23 Nov, 2008 20:37
@ Struppi:
"und das Messer im Kopf, das Schwert, das den Felsen durchbohrte und nicht für mich bestimmt war."
Ich denke, das sollte man in die folgende Richtung deuten: Alexander der Große löste einst den gordischen Knoten, an welchem zuvor tausende der weisesten Männer verzweifelt waren, indem er ihn mit seinem Schwert zerschlug. Desweiteren sehe ich hier eine Art Verhältnisgleichung: Messer/Kopf = Schwert/Fels. Und bei Schwert/Fels fällt mir die Artus-Sage ein. Nur der, dem es bestimmt ist, zieht die Klinge aus dem Gestein (oder dem Amboss - je nach Version). Was es dann heißt, wenn das Schwert nicht für dich bestimmt ist, steht - denke ich - außer Frage. So ergibt sich für diese Passage folgendes: mit dem Messer im Kopf (was nicht zwingend tödlich gedeutet werden muss - man kann sich ja auch ein Messer einbilden, dann hat man's auch im Kopf) wäre der Knoten zu lösen, dazu müsste man dieses - das Schwert also - erstmal aus dem Felsen kriegen. Und das ist nicht jedem gegeben. Denn vor schwierigen Aufgaben zu stehen ist das eine, zu wissen, wie man sie lösen könnte, das andere, und sie dann tatsächlich auch lösen zu können, nochmal was ganz anderes. Ein Klimax des Scheiterns.
EDIT: Mist. Ich muss lernen, schneller zu tippen >.<"
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von Struppigel » So 23 Nov, 2008 20:48
Danke euch beiden, jetzt ist es mir klar.
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von apnoe » Mo 24 Nov, 2008 01:37
danke auch dir iz, für die kluge und zeitgleiche erklärung.ich freu mich echt, dass der text euch beschäftigt und sogar gefallen hat. genau die beiden artus und alexander hatte ich vor augen...und den gordischverwobenenfels. lieben gruß, a
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von Alcedo » Mi 26 Nov, 2008 11:38
[quote="apnoe":23vwhe7w]Zu spät kam das Nein. Meine Sonne ging nicht mehr auf. Ihr Licht war verwunschen. Verflucht, wie der Knoten meiner gordischen Haare und das Messer im Kopf, das Schwert, das den Felsen durchbohrte und nicht für mich bestimmt war.[/quote] hallo apnoe
das mit Messer, Schwert, Felsen, Kopf und Gordischknoten, erschien mir beim ersten Lesen etwas kompliziert konstruiert, aber es ist zu verstehen. vielleicht ist die Überleitung vom Messer zum Schwert unnötig, oder du suchst ein schneidiges Synonym: Schwertschneide, vielleicht? es soll sich nach Kopfschmerzen anhören, denke ich. auch würde ich da empfehlen ein zusätzliches "wie" einzubauen, also: und wie das Messer im Kopf Service am Leser, you know, sonst liest man es und gerät auf die falsche Fährte, vermutet da kommt eine Erläuterung oder was anderes, aber es handelt sich ja lediglich um einen weiteren aufgezählten Vergleich.
ziemlich dicht ist das Ganze. so fest metaphorisch verwebt, dass es fast schon zu eng im formalen Block erscheint. man hat das Gefühl, nicht Luft zu bekommen vor geballter Rezeption. vielleicht täten ein paar Leerzeilen zwischen den Absätzen gut.
am besten gefiel mir das bildhafte Ertauben auf der Parkbank.
Gruß Alcedo
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von apnoe » Mi 26 Nov, 2008 14:00
lieber alcedo, danke für dein feedback. über leerzeilen denke ich nach, ich selbst empfinde den text nämlich gar nicht als so dicht. ist gut, das zu erfahren. danke, lieben gruß, apnö. der nick kommt ja nicht von ungefähr... man hat das Gefühl, nicht Luft zu bekommen vor geballter Rezeption
:)
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