Lyrik rund um das Thema Liebe

schweigen brechen

Beitragvon cube » Sa 18 Okt, 2008 11:46


wenn das schweigen lauter klingt,
die zeit unter lupen gerinnt -
zweisamkeit zernagend.

hilft alleinsamkeit nicht
in utopien, gewohnheiten verstecken...

die rettung steckt im gemeinsamen,
gefühlten augenblick -
den moment weich fokussieren.

lasten tiefe wolken wie
sinkende schiffe ohne masten
im versteinerten himmelsmeer -
horizonte erstickend.

meißel ich unsere namen
in die wolken. und in die stille.
bis sie bricht.

(danke erna)
cube
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Re: schweigen brechen

Beitragvon blaue_Raupe » Sa 18 Okt, 2008 13:56


Hi cubicle.


Einige Eingangseindrücke dem Frischen, im Gesamten und mit ein paar Teilen unter der Lupe.
Das, was unter und über den Bildern mitläuft, geht über Abschiede, vielleicht einen Tod, wobei ich letzteren schon als präsent empfinde, wenn du von „Rettung“ und „Himmelmeer“, „in [Stein] meißeln“ schreibst. Rettung ist zwar noch anders belegt im Gedicht, aber dazu nehme ich mich mal der einzelnen Stücke an …


schweigen brechen
~
Was sicherlich überlegenswert wäre: ein Titel, der mit anderem angereichert ist außer der Wendung, die so blank daliegend erstmal weniger Leseanreiz bietet. Es muss nicht immer das Verschwurbeltste sein, und ich komm auf die Einbindung im Gedicht noch auf diesen Titel zurück, aber es ist ja auch der Eingang zu beachten, und zusammen mit V1 hätte ich den Text beinahe nur überflogen, weil: im Ausdruck dann doch etwas zu viel Gelöte zwischen bekannten Schablonen.

[size=85:2tab74qk]wenn das schweigen lauter klingt,
die zeit unter lupen gerinnt -
zweisamkeit zernagend. [/size]
~

Ja … V1. Vielleicht habe nur ich hier damit Schwierigkeiten, aber vom „lauten Schweigen“ / „dem Klang der Stille“, „der schreienden Stille“ etc. fühle ich mich über die Jahre dann doch totgeworfen, so dass mir das in den seltensten Fällen noch zu gefallen weiß.
In der Bedeutung „lauter klingt [als zuvor]“ liegt zumindest noch Unbehagen begraben, zusammen mit der „Zeit, [die] unter Lupen gerinnt“. Letzteres finde ich klanglich nicht sonderlich ansprechend, muss ich sagen, was hauptsächlich am Präfix „ge-“ liegt und der Syntax mit dem direkt folgenden Bruch. Aber dazu kommt für’s Gesamte auch noch was …
Etwas hängen geblieben bin ich an dem „gerinnen“. Ich frag mich, ob es wirklich Gerinnungsprozesse sind, ein Eindicken der Zeit, etwas in seinem Fluss stoppen. Es wäre zumindest mal was anderes als „ver“rinnt, wenn auch das medizinische Vokabular nicht recht in die übrigen Bildtafeln passt und eher fremd wirkt. Warum aber „unter Lupen“? Schonmal unter mehr als einer Lupe, und man scheint sich ja sehr darauf konzentrieren zu müssen (auf die Gerinnungsprozesse), da sie mit unverstärkten Sinnen nicht wahrzunehmen zu sein scheinen. Das stünde dem Unbehagen für mich entgegen, das eher durch Größe und Druck entsteht, als durch ein „Anhalten“ der Zeit, das zudem nur mit großer Mühe zu erkennen ist.
Dann kommt „zernagend“ … durch Klingen und Gerinnen. Hm. Es dauert also noch bis zum Abschied, aber das Gebilde des Zusammenseins ist schon porös. Erstmal weiter.


[size=85:2tab74qk]hilft alleinsamkeit nicht
in utopien, gewohnheiten verstecken...[/size]
~
Um ertasten zu können, ob du dir mit dem mehr parataktischen Vorgehen im Gestalten, bzw. dem Text einen Gefallen getan hast, müsste ich mir das erstmal erschließen können, sowohl im Anschluss zum ersten Stück, als auch im plötzlichen Bezug auf die „Utopie“.
Was mich irritiert im Moment: „hilft alleinsamkeit nicht / in utopien“ – wenn die Zweisamkeit langsam zernagt wird, hilft Alleinsamkeit darin nicht (in Utopien)? ?(
Nein, da komm ich grad nicht ganz mit. „u-topia“, „kein Ort“ mit „Alleinsamkeit“, möglicherweise ein Rückzug in eine (staats-/ gesellschaftsförmliche) idealistische Blase. Wenn du in der Bedeutung darauf Wert legst, zu bebildern, dass es nichts nützt, sich der wenigen verbleibenden Zeit gemeinsam zu entziehen, weil dann noch mehr vertan ist (zumindest lässt das Folgestück drauf schließen), finde ich das hier tatsächlich zu verschwurbelt und zu großflächig (Utopie) angelegt.
Durch meinen Vorsatz schein ich auch den „Gewohnheiten“ ein Stück näher kommen zu können. Zum „sich verstellen“, was einerseits schonen mag, andererseits das Bekannte, Vertraute & Lebendigkeit reduziert.


[size=85:2tab74qk]die rettung steckt im gemeinsamen,
gefühlten augenblick -
den moment weich fokussieren. [/size]
~
Es scheint einer der Kernpunkte des Gedichts zu sein … dass es eben nicht zwingend darauf ankommt, viele gezählte Tage / Monate / Jahre miteinander erlebt zu haben, sondern auf die erlebten Momente, deren Eindrücke bleiben, weil sie dem „wie am besten nutzen“ entsprechen konnten.
Ganz nett darin finde ich den Gegensatz des „weich fokussierten“.


[size=85:2tab74qk]lasten tiefe wolken wie
sinkende schiffe ohne masten
im versteinerten himmelsmeer -
horizonte erstickend.[/size]
~
Und wieder ein Bruch in der Ausgestaltung – plötzlich wird das Gewölbe bebildert, analog etwa zu (Keller)gewölbe, etwas Versteinertes, Überdachendes, Schützendes. Dennoch negativ konnotiert, in der Windstille, die dem eingänglichen Schweigen gleichzukommen scheint.
Was passiert mit der Syntax? Angeschlossen an den Schluss des vorherigen Verses ist es wohl zu lesen, allenfalls der Satz, der wohl durch die durchgehende Zäsursetzung entstanden ist, hindert mich, auch in der Verbform, den Anschluss an das letzte Stück zu finden.
„horizonte erstickend. / meißle ich unsere namen“. Hm, ja, mag noch reingehen, aber dann würde ich die Zeichensetzung noch mal unter die Lupe nehmen.


[size=85:2tab74qk]meißel ich unsere namen
in die wolken. und in die stille.
bis sie bricht.[/size]
~
Und noch mal verschieben wir uns … Wolken wie sinkende Schiffe im versteinerten Himmelsmeer. Ich meißle in die Wolken. Sinkende Schiffe, da aus Stein (Schiffe aus Stein gebaut, von vornherein keine Aussicht auf Überleben) bilden das Himmelsmeer, Stein versinkt in Stein?
Aber es spannt sich der Bogen zum Titel. Als letztes Denkmal bekommt die Stille durch das Klopfen des Hammers auf den Meißel zugunsten beider Namen Risse, aber es ist vorüber.

Hm. Wie angesprochen … große Sprünge in den Referenzen auf Umgebung und Themenfeld (med. / naut. / rel.) veränderungswürdige Syntax & Gesamtstruktur in meinen Augen, und durch „Schweigen brechen“, „lautes Schweigen“, „Himmelsmeer“, „Namen in Stein meißeln“, „gefühlter Augenblick“ vor allem im Ausdruck einen Tick zu sehr an Altbekanntem & Verwendetem orientiert. Die Dichte ist mir durch angeführte Pixel dann doch ein Stück weit zu hoch.

Vielleicht würde eine Konzentrierung „auf beides gleichzeitig“ helfen, das drückende Schweigen, in dem man vom Abschied bereits weiß, und der Willen zu einem Kernpunkt; dem, dass es auf das Gestalten ankommt, und evtl. der Zwiespalt, das eine im andren zu schaffen.
Aber wie immer … Ansatzgedanken, Bedenken, Fragen, Splitter, Vorschläge.

Soweit.


VG
r~~~
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Re: schweigen brechen

Beitragvon cube » So 26 Okt, 2008 20:17


moin Raupe.

ich konnte leider nicht vorher antworten, da ich mir netzfreie zeit verordnete. dafür habe ich jetzt nen freien kopf. :)
kann ich nachvollziehen, dass für dich sowohl abschied als auch tod im text mitlaufen. durch dein hervorheben des in-stein-meißeln in diesem kontext hatte ich so eine grabsteinassoziation. von mir gedacht war der abschied von der stille, den ich kämpferisch und pathetisch bebildern wollte.
fiel mir nicht auf: "wenn das schweigen lauter klingt" folgt direkt nach "schweigen brechen". das sieht echt gruselig aus, aber hier fällt änderung noch relativ leicht. mal schauen was mir zu deinen anderen eindrücken einfällt. wahrscheinlich wirds noch etwas knackiger. =)

zeitlupe ist für mich zum symbol für unangenehm langsam vergehende zeit geworden. wobei hier kein lyrischer jemand die lupe in die hand nehmen soll, sondern sich die zeit selber unter diese begibt.
unter dieser veränderten perspektive wird die zeit auch nicht gestoppt, sondern sie "verdickt" sich selber. das zu meiner ehrenrettung geschrieben, trotzdem grüßt aus dieser strophe frankensteins versmonster.

bei der nächsten stolperst du über utopia. auch hier: verständlich. ich dachte mir utopien als persönliche wunschvorstellungen. das ist leider nicht die allgemeingültige definition. ich habs nicht nachgeguckt, weil ich mir in meinem sprachgefühl sicher war. tja, knapp vorbeigesegelt. in eine unbekannte welt, die wirklich viel zu groß ist. ich ärgere mich, dass ich ein fremdwort so ungeprüft in mein gedicht ließ. nächstes mal guck ich genauer. für utopie wird sich wohl ein treffenderes substitut finden lassen.

"weich fokussieren" findest du nett... immerhin ;) an dieser stelle fällt mir auf, dass es im gegensatz zu "silberne sichel" wenigstens möglich ist einen sinn hinter dem gelöte zu entdecken. mühsam ernährt sich der cubicle, aber immerhin!

ja, die syntax. die situation in dieser strophe erinnert mich an die in der ersten. durch deine lupe gesehen wirken sie wie halbfertige häuser. vielleicht hätte ich lieber ein zelt aufbauen sollen? na, nun hab' ich angefangen, da möchte ich auch weiter basteln.
ich kann mir vorstellen, dass ich in beiden abhilfe schaffen kann ohne das gesamtgefüge zu zerstören.

stein versinkt in stein? oh je, ist das mein gedicht? 8o

deinen inhaltlichen hinweis lese ich so, dass ich eher eine synthese versuchen sollte, anstatt die themen nacheinander abzuhandeln? ich weiß nicht ob mir das gelingt, aber versuchen werde ich es.
mal gucken, vielleicht geht die neue version dieses mal leichter von der hand als bei dem letzten gedicht.

danke.

kjubikl
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Re: schweigen brechen

Beitragvon cube » Mo 01 Dez, 2008 23:02


hello blue, ich kann nicht sagen, dass mir die überarbeitung leicht von der hand ging. da ist einfach zu viel private denke verarbeitet, zuviel assoziationen, die ich schwer anschaulich machen kann. ich kritzelte einige wochen immer mal wieder an dem text herum, füllte ein paar seiten mit änderungen und gänzlich neuem, das ich dann doch wieder verwarf. so stand ich vor meinen zeilen und rätselte, wie ich den kern des textes so übersetzen kann, dass er verständlicher wird, ohne seinen charakter aufzugeben. ich glaube, ich bin bei dem versuch gescheitert, hier ist er:

himmel meeren

harte wolken meeren
düster den himmel
wie mastlose schiffe.

zeit seelenverkäuferin schlägt
leck die wunde
gerinnt, verdünnt, verdickt,

minuten- , stunden- , tageblut.
balsamischer moment: wir
fokussieren weich, sonnenwind.
cube
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Re: schweigen brechen

Beitragvon cube » Di 02 Dez, 2008 11:08


schön mo,- dass du dich mal wieder meldest. leider kann ich deiner einschätzung kaum widersprechen. ich musste mich zum veröffentlichen vom unteren arg überreden, aber ich versuchte eine überarbeitung und wollte mein ergebnis anzeigen, so unbefriedigend es auch ist.
qb punktsymmetrie
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