Geschichten rund um Liebe, Familie oder Freundschaft

Familientreffen

Beitragvon Orange » Fr 05 Dez, 2008 18:02


Leicht zitternd – ob vor Wut oder Kälte – trete ich in das Schneetreiben. Der Schnee auf Straße und Gehsteig glitzert im Laternenlicht, wie gemahlenes Glas. Das dunkle Dorf erinnert mich an das Innere einer Schneekugel. Die kleinen Häuser drängen sich eng zusammen, so als würden sie ein Geheimnis teilen. Ich will dem Dorf zurufen: „Ihr müsst nicht mehr so geheimnisvoll tun, ich weiß es jetzt“ Während ich die verschneite Straße zum Friedhof entlang gehe, wünsche ich mir, sie hätten auch ihr Geheimnis für sich behalten und es mir nicht ins Gesicht gespieen. Ohne stehen zu bleiben schließe ich die Augen und lasse meine Erinnerungen noch einmal vor meinem inneren Auge auferstehen. Vorher schienen sie mir noch so nah, jetzt auf einmal sind sie furchtbar weit entfernt:

Mein Vater abends vor dem Fernseher. Er hat ein Weinglas in der Hand und Markus auf dem Schoß. Luise sitzt am Esstisch und macht ihre Hausaufgaben. Markus und ich haben sie um dieses Privileg immer beneidet. Wie herrlich kam es uns damals vor, in die Schule zu gehen! Ich sitze so eng an meinen Vater gedrückt wie möglich und habe meinen Blick auf den Bildschirm geheftet. In der Küche höre ich das Klappern des Abwaschs. Meine Mutter steckt den Kopf zur Tür hinein und sagt: „Max, es ist schon spät, die Kleinen sollten ins Bett.“
„Wir sind nicht klein!“, empören sich Markus und ich.
„Ach komm! Morgen ist Samstag.“, nimmt uns mein Vater in Schutz.

Ein breiter sandiger Wanderweg. Vor mir der hüpfende Hut meines Vaters, in meinen Ohren Luises Belehrungen über die Energieerhaltung. Obwohl weder Markus noch ich ein Wort verstehen, nicken wir andächtig und sagen „ja, ja“. Meine Mutter geht hinter uns dreien her und lacht. „Wie weit ist es noch?“, fragt Markus nach einer Weile
„Wir müssen genügend Lageenergie gewinnen.“, erklärt Luise.
„Nicht mehr so weit.“, sagt meine Mutter beschwichtigend.
„Mama, erzählst du eine Geschichte?“, frage ich schüchtern. Und wie sie es oft getan hat erzählt sie uns die Geschichte „Das Kalte Herz“.

Ich presse die Lippen fest zusammen. Die Erinnerungen, die mich für mich seit dem Tod meiner Eltern immer wie tröstende Ankerpunkte waren, gleichen jetzt eher den Scherben von etwas Zerbrochenen und sind schmerzhaft.
Viel deutlicher haften die Geschehnisse des heutigen Abends in meinem Gedächtnis. Das Geschehen, das ich erst vor ein paar Minuten verlassen habe. Ich seufze und versuche mich zu erinnern in welchem Moment sich der Abend in einen Albtraum verwandelt hat.

„Wann war eigentlich die letzte Taufe?“, fragt Emilie, die Schwester meines Vaters, in die Runde. Die anderen Gespräche am Tisch verstummen und alle Blicke richten sich auf Emilie. Die meisten zucken mit den Schultern.
„Das war Annikas“, sagt Brigitta. Obwohl Brigitta in die Familie eingeheiratet hat kennt sie sich mit den Daten besser als jeder andere von uns aus. Und ihr Tonfall suggeriert, dass Emilies Frage eine tödliche Beleidigung ist.
„Ja, stimmt, das war meine. Dann war ich eigentlich noch nie auf einer Taufe“, sage ich nachdenklich.
„Natürlich warst du auf einer Taufe: wie hätten wir dich taufen sollen, wenn du nicht da gewesen wärst?“ Ich sehe Brigitta an und suche in ihrem Gesicht ein Lächeln, wenigstens den Ansatz von Humor, aber ich suche erfolglos, sie meint es ernst. Ich lache trotzdem in die peinliche Stille hinein.
„Dann ist das ja schon neunzehn Jahre her!“, wirft Emilie verwundert ein.
„Achtzehn.“, korrigiert sie Brigitta vorwurfvoll.
„Wieso? Annika ist doch neunzehn?“
„Sie wurde aber erst getauft, als sie ein Jahr alt war!“
„Oh ja! Stimmt.“
„Wirklich schade, dass dein Vater bei deiner Taufe besoffen war.“, fügt Brigitta mit einem bösen Lächeln an mich gewandt hinzu. Die Stille, die sich jetzt über den Tisch legt, gleicht der in tausend Meter Meerestiefe, viel drückender kann es dort auch nicht sein.
„So was kann doch mal passieren!“, sage ich mit einem Lächeln. Ich habe inzwischen meine eigenen Erfahrungen mit Alkoholkonsum gesammelt und kann so einen Ausrutscher durchaus entschuldigen.
„Na, na pass nur auf, dass du nicht auch seinen Weg gehst.“, entgegnet Brigitta steif.
„Lasst es gut sein.“, bettelt meine Großmutter.
„Wie meinst du das?“, frage ich Brigitta mit erzwungener Ruhe, aber innerlich fühle ich mich so, als hätte ich ein Bienenvolk verschluckt.
Wie ein bleierner Vorhang senkt sich die Stille wieder über den Tisch. Selbst unsere Atemzüge sind leise, gedämpft.
„Brigitta, was wolltest du damit andeuten?“, frage ich.
„Nichts, es war nicht so gemeint.“, lenkt sie mit einem gezwungenen Lächeln ein. Mir fällt auf, dass sie meinem Blick ausweicht, sie weiß, dass sie zuviel gesagt hat und es tut ihr Leid.
„Oh Gott! Jetzt tun wir halt mal nicht so!“, sagt Emilie, ihre Stimme klingt aufgeregt und ich merke, dass sie erleichtert ist ein langes Schweigen brechen zu können und die Schuld dafür bei Brigitta zu finden. „Annika, dein Vater war ein Säufer. Was ist schon dabei! Man kann es ihm ja nicht verübeln, oder? Bei der Frau.“
Ich sehe wie Luisa die dunkelbraun geschminkten Lippen aufeinander presst und Markus seine Serviette umklammert, wie einen Rettungsring.
„Was soll das?“, will ich wissen. Ich kann ein leichtes Zittern nicht mehr aus meiner Stimme halten.
„Nichts!“, sagt Luise fest, bevor sonst irgendwer den Mund öffnen kann. „Nichts.“, murmelt auch Markus, allerdings scheinen seine Worte nicht mal ihn selbst zu überzeugen.
„Was soll das?“, wiederhole ich und sehe diesmal Emilie direkt in die Augen. „Hat meine Mutter ihn betrogen?“, bohre ich nach, als Emilie mir nicht antwortet. Auf einmal scheint sie nicht mehr den Mut haben weiter zu reden.
„Na wenn’s nur das gewesen wäre!“, sagt sie schließlich und obwohl sie sich um einen sachlichen Tonfall bemüht, schimmert doch Triumph hinter den Worten hervor.
„Emilie, jetzt ist aber Schluss.“, poltert mein Großvater los. In diesem Moment ist seine Stimme brüchig, aufgerieben nicht nur von den Jahren.
„Nein, lass. Ich will es wissen“, sage ich schwach.
„Also was ist?“, frage ich noch einmal und sehe nur Emilie an.
„Wenn deine Mutter ihren Mann wenigstens nur mit einem Mann betrogen hätte!“, sagt sie schließlich. Abscheu und Verachtung liegt schwer auf ihrer Stimme, kaum verdeckt von schüchterner Unsicherheit. Niemand scheint entsetzt oder verwundert, außer mir.
„Es reicht!“, sagt Markus noch einmal bestimmt und ich weiß, dass er mich schützen will, wie er es oft getan hat. Aber es ist schon zu spät.
„Warum? Soll sie es doch wissen. Dass Max ein Säufer war, das wird hier gerne erzählt. Und was ist schon dabei? Kein Wunder ist es! Aber was sie war, dass wird verschwiegen. Eine dreckige Hure. Aber scheiden lassen wollte sie sich nicht. Wegen der Kinder, hat sie gesagt, wegen dem Geld, sage ich. Feige ist das…“
„Ihr Mann hat sie am Ende im Vollrausch in den Graben gefahren! Du kannst nicht sagen, dass sie das verdient hat.“, fällt Brigitta Emilie ins Wort.
„So? Du kannst sie also verstehen! Ich sehe schon: Meine beiden Brüder haben Fehler mit ihrer „Partnerwahl“ gemacht. Der eine Gabrielle, der andere dich. Und schau dir an was dabei rauskommt.“
Ich schiebe den Stuhl zurück und stehe auf. Ich spüre die Blicke meiner Verwandten auf mir, aber ich drehe mich nicht um. Leise schließe ich die Tür zu dem Nebenraum und durchquere die volle Wirtsstube. „Annika, wohin?“, ruft mir eine Bedienung zu. Ich weiß noch wie sie mir auf der Beerdigung meiner Eltern gezeigt hat, wie man Papierschiffe faltet. Ich gehe an ihr vorbei und stoße die Tür nach draußen auf.

Als ich endlich vor dem niedrigen Friedhofstor stehe, lege ich meine Hand auf das kalte Metall. Es gibt meinem Druck nicht nach. Ich schaue auf die Uhr, es ist nach zehn und der Friedhof schon abgesperrt. Ohne zu zögern schwinge ich mich auf das niedrige Tor und bleibe einen Moment so sitzen, hin und her gerissen zwischen meinen Erinnerungen und dem eben Gesagtem. Bevor ich auf die andere Seite springe, werfe ich noch einen kurzen Blick auf das Dorf im Laternenlicht. Das Dorf, in dem ich mein Leben verbracht habe, in dem meine Eltern gelebt haben, in dem mein Vater gesoffen hat, und meine Mutter ihn betrogen hat. Hinter der Friedhofsmauer wird der Lärm der Umgehungsstraße zu einem belanglosen Rauschen. Hier tritt die Gegenwart zurück und es zählt nur noch die Vergangenheit. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen und spiegelt den zögerlichen Rhythmus meiner Schritte wider, als ich den Weg entlang gehe. Der Wind heult in den Baumwipfeln und wirbelt die Schneeflocken durch die Dunkelheit. Nur das orangefarbene Licht der Laternen an der anderen Seite der Friedhofsmauer schimmert durch die Bäume. Es ist so kalt, dass ich das Gefühl habe, die Tränen gefrieren auf meinem Gesicht. Endlich stehe ich vor dem Grabstein meiner Eltern. Das Gesteck, das ich zu Allerheiligen hingelegt habe, ist eingeschneit. Im Licht der flackernden Kerze auf dem Nachbargrab schimmert nur noch wenig Rot durch den dünnen Schnee. Im matten Licht lese ich die altbekannten Worte auf dem Stein:
Hier ruhen in Frieden Gabrielle und Max Neuhof
Mit klammen Fingern suche ich meinen Geldbeutel in der Handtasche. Zitternd ziehe ich das verknickte und abgestoßene Sterbebild meiner Eltern hinter meinem Personalausweis hervor. Sie lächeln mir von der Fotografie entgegen, er hat einen Arm um sie gelegt und sie hat den Kopf an seine Schulter gelehnt. Daneben stehen die wenigen, vertrauten Worte, die meine Großmutter gewählt hat:
In unserer Erinnerung werden sie immer weiterleben.
Nein, das werden sie nicht, soviel ist mir heute Abend klar geworden. Eine Weile noch verweile ich an dem Grab. Wie viel Zeit zerrinnt, während ich da stehe und auf den Grabstein starre, weiß ich nicht. Schließlich drehe ich mich um und gehe. Nach ein paar Schritten wende ich mich noch einmal um. Das flackernde Licht am Nachbargrab ist inzwischen erloschen und die Gräber liegen im Dunkeln.
Und auch wenn ich sonst nichts weiß – nicht was ich tun oder denken soll – eines weiß ich: ich werde wiederkommen.
"Die schönste aller Farben ist die geheime Farbe der Worte."
(Rafik Schami)

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Garfield (Mi 11 Mai, 2011 15:26)
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Re: Familientreffen

Beitragvon Garfield » Sa 13 Dez, 2008 21:31


Moin Orange

Dein Titel ist tatsächlich nicht der Beste, auch weil es in der Geschichte nicht ausschließlich um ein Familientreffen geht, sondern um mehr.

Doch erstmal zum Text:

[quote="Orange":dkr9eqn2]
Die Beerdigung meiner Eltern ist erst ein paar Jahre her, wie viele? Ich denke da müsste ein Punlkt anstelle des Kommas hin. Unabhängig davon gefällt mir der Satz als Einleitung nicht. Ich weiß es nicht, die Erinnerung misst die Zeit nicht in Jahren und Tagen. Dennoch denke ich, dass man doch weiß, wie alt man beim Tod seiner Eltern war, das ist ein so einschneidendes Ereignis, dass man sich das sicherlich merkt und damit auch die ZeitspanneMarkus weiß sicher noch, wann es war, aber ihn kann ich gerade nicht fragen. Er steht vorne und hält eine Rede. Warum muss ich jetzt gerade an meine Eltern denken? Ach jaumgangssprachlich, selbst wenn es sich hier um ihre Gedanken handelt klingt das sehr ungeschickt, heute ist die Taufe ihres ersten Enkelkinds, der Tag, den sie erleben wollten. Zumindest behauptet Luise das. Gestern noch hat sie es zu mir gesagt. Auch sie steht jetzt vorne; vor Glück strahlend, ihre Tochter im Arm.
Ich wickele wickel meine Jacke enger um mich. Aber sie kann mich nicht wärmen. Um mich herum sitzen sie alle im Topdas ist doch eine Frauenbekleidung, aber später erfährt man, dass auch Männer anwesend sind, nur ich friere. So oft wie ich in diesem Nebenraum von dem „Alten Wirt“ war, habe ich gefroren. Auf jeder Geburtstagsfeier kam ich mir so vor wie auf einer Polarexpedition.

Ich lasse meinen Blick über die Übrigen am Tisch schweifen. Markus Freundin fängt meinen Blickirgendwie stört mich diese Formulierung. Ich weiß was du meinst, aber der Ausdruck gefällt mir nicht und lächelt mir unter ihrem ausgewachsenen Pony hervor zu. Nach ihrem glitzernden Top zu schließen, hatte sie nicht ganz begriffen, dass das kein Discobesuch ist. Neben ihr ist ein Platz frei, der von meinem Bruder. Dann kommen meine Großeltern. Sie können ihren strahlenden Blick nicht von ihrem Urenkel wenden. Dann zwei Plätze frei. Die von Luise und ihrem Mann. Dann meine beiden Kusinen, gegeneinander gelehnt und immerzu kichernd. So waren sie schon immer und auch jetzt, da sie über zwanzig sind, hat sich das nicht geändert. Neben mir sitzt mein Onkel, Hubert. Sein schwabbeliger Bauch lehnt gegen die Tischkante und sein rasselnder Atem dringt an mein Ohr. Dann ziemlich viele dannsist da noch seine Frau, Brigitta, wie immer lauert in ihrem Gesicht, zwischen dem verkniffenen Mund und der Adlernase, der Ausdruck von Vorwurf. Auf meiner anderen Seite sitzt meine Tante Emilie.Auf ihrer anderen Seite? Sie sitzt doch nur an einer Seite des Tisches Ihre nervösen Finger streichen immer wieder Falten, die schon lange nicht mehr vorhanden sind, aus ihrem lachsfarbenen Kostüm. Auch sie fängt meinen Blick und erwidert ihn mit ihrem rosa geschminkten Lächeln. Der leuchtende Lippenstift verläuft in den haarfeinen Falten um ihren Mund, so dass es aussieht als hätte sie ein rosa Spinnennetz geküsst. Ihr Mann ist heute nicht dabei, angeblich, weil auf einer wichtigen Dienstreise ist. Aber Brigitta sagt, er und Emilie hätten gestritten. Und nebenbei bemerkt, was ist eine wichtige Dienstreise bei einem Elektrikfachverkäufer?Deine Protagonistin taucht in manchen Sätzen als Erzählerin auf, die sich direkt an den Leser wendet. Doch dieses Konzept wird nicht erklärt und nicht eingehalten, deswegen stört es und sie selbst würde wohl nicht in solchen Sätzen denken
Aber außer Emilies Mann sind wir alle wieder genauso wieder genauso sind einige von vielen unschönen Füllwörtern, geschuldet der merkwürdigen Satzkonstruktion/color]versammelt, wie bei der Beerdigung von meinen Eltern. Ach ja[color=#0000FF]wie oben und Markus Freundin war damals noch nicht dabei. Wir – die Familie, etwas spießige Mittelschicht. Das ist kein vollständiger Satz, denk ichAuf diesen Feiern sind wir immer unter uns, schon den Freund mitzubringen, kommt einer offiziellen Verlobung gleich.
Das Seltsame ist, dass ich von den drei Kindern meiner Großeltern meinen Vater am schlechtesten kenne, dass ich ihn gesehen habe scheint so lange her, während ich Emilie und Hubert so oft begegne. Die Erinnerung an meine Eltern ist verschwommen, nur einzelne Szenen sind klar wie Filme: [/quote]

Der erste Teil deiner Geschichte gefält mir nicht, weder vom Ausdruck noch vom Inhalt. Diese lange Vorstellung der anwesenden Personen langweilt und ist nicht originell genug umgesetzt. Erst bei Emilie zeigst du, wie schön du einen Menschen beschreiben kannst.

[quote="Orange":dkr9eqn2]
Mein Vater abends vor dem Fernseher. Er hat ein Weinglas in der Hand und Markus auf dem Schoß. Luise sitzt am Esstisch und macht ihre Hausaufgaben. Markus und ich haben sie um dieses Privileg immer beneidet. Wie herrlich kam es uns damals vor, in die Schule zu gehen! Ich sitze so eng an meinen Vater gedrückt wie möglich und habe meinen Blick auf den BildschirmLeerzeichengeheftet. IrgendwoOhne Irgendwo klingt es besser in der Küche höre ich das Klappern des Abwaschs. Hin und wieder steckt meine Mutter den Kopf zur Tür hinein und sagt: „Max, es ist schon spät, die Kleinen sollten ins Bett.“ „Wir sind nicht klein!“, empören sich Markus und ich. „Ach komm! Morgen ist Samstag.“, nimmt uns mein Vater in Schutz.
Durch das "hin und wieder klingt das so, als würde der selbe Dialog ständig ablaufen

Ein breiter sandiger Wanderweg. Vor mir der hüpfende Hut meines Vaters, in meinen Ohren Luises Belehrungen über die Energieerhaltung. Obwohl weder Markus noch ich ein Wort verstehen, nicken wir andächtig und sagen „ja, ja“. Meine Mutter geht hinter uns dreien her und lacht. „Wie weit ist es noch?“, fragt Markus nach einer Weile. „Wir müssen genügend Lageenergie gewinnen.“, erklärt Luise. „Nicht mehr so weit.“, sagt meine Mutter beschwichtigend. „Mama, erzählst du eine Geschichte?“, frage ich schüchtern. Und wie sooft erzählt sie uns die Geschichte „Das Kalte Herz“.
[/quote]

Die Vergangenheitsbeschreibungen sind dir ganz gut gelungen, sie wirken authentisch und schön ohne kitschig zu sein.

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Es sind viele solcher kurzen Filmstreifen in meiner Erinnerung. Die sinnlosen Fetzen einer ungetrübten Kindheit in einer glücklichen Familie. Manchmal frage ich mich, ob Luise sich an noch mehr erinnern kann, aber sie erzählt nicht viel über die Vergangenheit.
„Na, wie fandest du meine Rede, Schwesterherz?“ Lächelnd setzt sich Markus wieder an seinen Platz. „Super! Sehr treffend formuliert.“, sage ich. Markus ist mit meinen leeren Worten zufrieden und wendet sich wieder an seine Freundin.
„Wann war eigentlich die letzte Taufe?“, fragt Emilie für alle gut hörbar. Alle anderen Gespräche verstummen. Die meisten meisten groß zucken mit den Schultern. „Das war Annikas“, sagt Brigitta. Ihr Tonfall suggeriert, dass allein diese Frage eine tödliche Beleidigung ist. „Ja, stimmt, das war meine. Dann war ich eigentlich noch nie auf einer Taufe“, wiederhole ich verwundertsie wiederholt nur mit ihrem ersten Satz, aber nicht mit ihrer kompletten Aussage die Worte von Brigitta. „Natürlich warst du auf einer Taufe: wie hätten wir dich taufen sollen, wenn du nicht da gewesen wärst?“ In Brigittas Tonfall ist nicht die kleinste Spur Humor zu hören, dafür verrät er, dass sie mich für beschränkt hält. Ich lache trotzdem in die peinliche Stille hinein. „Dann ist das ja schon neunzehn Jahre her!“, wirft Emilie verwundert ein. „Achtzehn.“, korrigiert sie Brigitta vorwurfvoll. „Wieso? Annika ist doch neunzehn?“ „Sie wurde aber erst getauft, als sie ein Jahr alt war!“ „Oh ja! Stimmt.“ „Wirklich schade, dass dein Vater bei deiner Taufe besoffen war.“, fügt Brigitta mit einem bösen Lächeln an mich gewandt hinzu. Die Stille, die sich jetzt über den Tisch legt, gleicht der in tausend Meter Meerestiefe, viel drückender kann es dort auch nicht sein. „Brigitta, bitte!“ Die beinahe flehenden Worte meiner Großmutter stehen einsam in dem Schweigen. „Wieso? Es stimmt doch!“, wirft Emilie ein und kichert überdreht. „So was kann doch mal passieren!“, sage ich mit einem Lächeln. Ich habe inzwischen meine eigenen Erfahrungen mit Alkoholkonsum gesammelt und kann so einen Ausrutscher durchaus entschuldigen. „Na, na pass nur auf, dass du nicht auch seinen Weg gehst.“, entgegnet Brigitta. „Brigitta, lass es gut sein.“, bettelt meine Großmutter. „Wie meinst du das?“, frage ich ruhig, aber innerlich fühle ich mich so, als hätte ich ein Bienenvolk verschluckt.
Wie ein bleierner Vorhang senkt sich die Stille wieder über den Tisch. Selbst unsere Atemzüge sind leise, gedämpft. Nur das Baby in Luise Arm gurgelt leise. „Es hat gerülpst.“, verkündet Luises Mann in dem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln. „Wie niedlich.“, geht meine Großmutter auf seinen Kommentar ein. „Lenkt nicht ab: Brigitta, was wolltest du damit andeuten?“, frage ich. „Nichts, es war nicht so gemeint.“, lenkt sie mit einem gezwungenen Lächeln ein. „Oh Gott! Jetzt tun wir halt mal nicht so!“, kreischt Emilie, „Annika, dein Vater war ein Säufer. Was ist schon dabei! Man kann es ihm ja nicht verübeln, oder? Bei der Frau.“ Ich sehe wie Luisa die dunkelbraun geschminkten Lippen aufeinander presst und Markus seine Serviette umklammert, wie einen Rettungsring. „Was soll das?“, will ich wissen. Ich kann ein leichtes Zittern nicht mehr aus meiner Stimme halten. „Nichts!“, sagt Luise, bevor sonst irgendwer den Mund öffnen kann. „Nichts.“, murmelt auch Markus, allerdings ohne rechte klingt umgangssprachlich Überzeugung. „Was soll das?“, wiederhole ich und sehe diesmal Emilie direkt in die Augen. „Hat meine Mutter ihn betrogen?“, bohre ich nach, als Emilie mir nicht antwortet. „Na wenn’s nur das gewesen wäre!“, sagt Emilie beinahe triumphierend. „Emilie, jetzt ist aber Schluss.“, poltert mein Großvater los. In diesem Moment ist seine Stimme brüchig, aufgerieben nicht nur von den Jahren. „Nein, lass. Ich will es wissen“, sage ich schwach. „Das willst du nicht.“ Luises Stimme ist zwar sanft, aber in ihr liegtliegen Resignation und matte Traurigkeit. „Du kannst froh sein, dass du dich nicht mehr erinnerst. Lass es so.“ „Was meinst du?“, schreie ich in den Saal. Alle schauen siedas "sie" ist unnütz mich an. Und das "und" auch in ihren Blicken spiegeln sich so so ist unnütz verschiedene Gefühle wider. Verzweiflung, Teilnahmslosigkeit, Mitleid, Ratlosigkeit, Trauer und blanker Hass. Es ist Emilie, in deren Augen mir der Hass offen entgegenblitzt. „Wenn deine Mutter ihren Mann wenigstens nur mit einem Mann betrogen hätte! Und wenn sie kein Geld dafür verlangt hätte!“ Emilies Stimme überschlägt sich in begeisterter Abscheu. Niemand scheint entsetzt oder verwundert, außer mir. „Es reicht!“, sagt Markus noch einmal bestimmt und ich weiß, dass er mich schützen will, wie er es so oft getan hat. Aber es ist schon zu spät. „Warum? Soll sie es doch wissen. Dass Max ein Säufer war, das wird hier gerne erzählt. Und was ist schon dabei? Kein Wunder ist es! Aber was sie war, dass wird verschwiegen. Eine dreckige Hure. Aber scheiden lassen wollte sie sich nicht lassendas 2te lassen muss weg. Wegen der Kinder, hat sie gesagt, wegen dem Geld, sage ich. Feige ist das…“ „Ihr Mann hat sie am Ende im Vollrausch in den Graben gefahren! Du kannst nicht sagen, dass sie das verdient hat.“, fällt Brigitta Emilie ins Wort. „So du kannst sie also verstehen! Meine beiden Brüder haben Fehler mit ihrer „Partnerwahl“ getroffen. Und schau dir an was dabei rauskommt. Was für einen kurzen Rock Annika trägt. Abscheulich.“
[/quote]

Emilie wirkt hier so als wäre sie verrückt, sie lacht überdreht, fängt völlig überraschend und etwas unpassend an zu kreischen...
Wenn das Absicht ist, dann ist sie wie so manches in deiner Geschichte überzeichnet, einfach eine Spur zu krass.
Wie auch die Übeltaten der Eltern, die Mutter ist gleich eine Hure, der Vater hat sie besoffen in den Tod gefahren.
Die familieninternen Streitigkeiten wirken dennoch plausibel, z.B. dass Emilie nur zu ihrem (toten) Bruder hält und dessen Frau die Alleinschuld gibt.

[quote="Orange":dkr9eqn2]
Langsam schiebe ich meinen Stuhl zurück und stehe auf. Ich höre, wie Luise mir mit tränenerstickter Stimme nachruft, wie Brigitta Emilie als Säuferin beschimpft. Ohne mich umzudrehen, durchquere ich den Saal, stoße die Türe auf und trete in das Schneetreiben. Der Schnee auf Straße und Gehsteig glitzert im Laternenlicht, wie gemahlenes Glas. Das dunkle Dorf erinnert mich an das Innere einer Schneekugel. Die kleinen Häuser drängen sich eng zusammen, so als würden sie ein Geheimnis teilen. Und das tun sie vielleicht auch. Eines, das ich nie erfahren werde, und nie erfahren will. Während ich die verschneite Straße zum Friedhof entlang gehe, wünsche ich mir, sie alle hätten auch ihr anderes Geheimnis für sich behalten und mir nicht ins Gesicht gespieenfehlt da nicht ein "es"? so klingt es, als hätten sie sie tatsächlich angespuckt. Nicht mit ihren Worten meine Erinnerung verschmiert.unvollständiger Satz, du könntest einfach ein komma setzen anstelle des Punktes vor Nicht Endlich stehe ich vor dem Friedhofstor. Ich lege meine Hand auf das kalte Metall. Es gibt meinem Druck nicht nach. Der Friedhof ist schon abgesperrt. Ohne zu zögern schwinge ich mich auf das niedrige Tor.Das sind alles kurze Einzelsätze, die verbunden eventuell besser, flüssiger klingen würden Einen Moment bleibe ich so sitzen, hin und her gerissen zwischen meinen Erinnerungen und dem eben Gesagtem. Bevor ich auf die andere Seite springe, werfe ich noch einen kurzen Blick auf das bayrische Bilderbuchdorf im Laternenlicht. Das Dorf, in dem ich mein Leben verbracht habe, in dem meine Eltern gelebt haben, in dem mein Vater gesoffen hat, und meine Mutter ihn betrogen hat. Hinter der Friedhofsmauer wird der Lärm der Umgehungsstraße zu einem belanglosen Rauschen. Hier tritt die Gegenwart zurück und es zählt nur noch die Vergangenheit. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen und spiegelt den zögerlichen Rhythmus meiner Schritte wider, als ich den Weg entlang gehe. Der Wind heult in den Baumwipfeln und wirbelt die Schneeflocken durch die Dunkelheit. Nur das orange Licht der Laternen an der anderen Seite der Friedhofsmauer schimmert durch die Bäume. Es ist so kalt, dass ich das Gefühl habe, die Tränen gefrieren auf meinem Gesicht. Endlich stehe ich vor dem verwittertenes ist erst ein paar Jahre her, alle Kinder leben noch, sollten sich also um das Grab kümmern und dennoch ist er verwittert? Grabstein meiner Eltern. Das Gesteck, das ich zu Allerheiligen hingelegt habe, ist eingeschneit. Im Licht der flackernden Kerze auf dem Nachbargrab schimmert nur noch wenig Rot durch den dünnen Schnee. Im matten Licht lese ich die altbekannten Worte auf dem Stein:
Hier ruhen in Frieden Gabrielle und Max Neuhof
[/quote]

Das bayrische Bilderbuchdorf darf ständig herhalten, wenn es in Geschichten um versteckte Bosheiten und Heuchlereien in Familien geht, das ist etwas abgedroschen, auch bei dir. Aber vielleicht kommst du ja auch von da, oder es gibt andere Gründe, die mir nicht auffallen.
Aber deine Beschreibungen des Dorfes usw sind dir sehr gut gelungen!

[quote="orange":dkr9eqn2]
Mit klammen Fingern suche ich meinen Geldbeutel in der Handtasche. Zitternd ziehe ich das verknickte und abgestoßene Sterbebild abgestoßenes Sterbebild? Sind sie da als tote drauf? oder kenne ich den Begriff nur nicht? meiner Eltern hinter meinem Personalausweis hervor. Sie lächeln mir von der Fotografie entgegen, er hat einen Arm um sie gelegt und sie hat den Kopf an seine Schulter gelehnt. Daneben stehen die wenigen, vertrauten Worte, die meine Großmutter gewählt hat:
In unserer Erinnerung werden sie immer weiterleben.
Nein, das werden sie nicht. Es sind Andere, die in unserer Erinnerung weiterleben. Es sind nicht die, die wir gekannt haben, sondern die, die wir gerne gekannt hätten. Egal, ob wir uns Heilige oder Teufel wünschen, die, die hier unten in der kalten Erde liegen, sind es nicht.
Behutsam lege ich das Sterbebild auf das verschneite Grab. Wie eine letzte Gabe an die Toten, wie ein Opfer, liegt das weiße Papier vor dem Grabstein. Fast kommt es mir so vor, als hätte ich ihnen etwas zurückgegeben, das ihnen gehört. „Bis dann!“, murmele ich in die Stille hinein. Ich wende mich ab und gehe. Auch diesmal drehe ich mich nicht um.[/quote]

Das Ende gefällt mir überhaupt nicht! Wegen der üblen Nachrede der ihr eindeutig unsympatischen und wenig wohlgesinnten Verwandten bricht sie mit ihren toten Eltern.
Sie sagt zwar bis dann, dennoch wirkt ihre Geste wie ein Abschluss.
Diese Aussage, die damit die Geschochte abgibt halte ich für falsch. Jeder Mensch hat doch Fehler, auch die Lebenden. Es wäre viel schlüssiger gewesen, hätte Annika aus der Episode den Schluss gezogen, dass es für ihr Verhältnis zu ihren Eltern, für ihre Erinnerungen egal ist, wie sie sonst waren, egal ist wie sie zu einander waren, sondern nur wichtig wie sie zu ihr waren und wie sie erlebt hat.
Hier klingt es so, als wäre ihre Liebe plötzlich gestorben.
Nichts gegen Unhappy Ends, aber sie müssen sich aus der Geschichte ergeben, hier passt es nicht.

Gruß Garfield
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Re: Familientreffen

Beitragvon Orange » Sa 13 Dez, 2008 22:19


Hi Garfield!
Danke für deine Kritik! Sieht ja so aus als hättest du dich ganz schön durchquälen müssen
Sterbebilder sind glaub ich etwas typisch bayrisches, sie zeigen die Toten und werden mit der Einladung zur Beerdigung verschickt. Meistens steht noch eine Gedicht oder ein Spruch drauf.
Mit der Sprache hast du ohne Ausnahme recht.
Findest du meine Personen so überzeichnet? Die "Untaten" der Eltern sind ausschließlich durch die Erzählung der Verwandten so entstellt. Mein Ende war anders gemeint als du es verstanden hast, ich habe mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Ich wollte eigentlich aussagen, dass sie einsieht, dass die Erinnerung sehr stark verfälscht ist und man sich immer an das erinnert, an was man sich erinnern will. Das Sterbebild legt sie ausschließlich wegen dem Satz zurück. Die Verstorbenen haben wenig mit der Erinnerung zu tun. Vielleicht sollte ich den letzten Absatz einfach streichen.
Hält bei mir das Dorf immer wirklich immer für die versteckte Bosheit her? Ist mir gar nicht aufgefallen.
Sobald die Schule mich mal wieder loslässt werde ich die Geschichte nochmal überarbeiten.
Vielen Dank nochmal für die Mühe und die wertvollen Hinweise.
Sonnige Grüße
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Re: Familientreffen

Beitragvon yalle » So 14 Dez, 2008 04:02


Ich hab auch das Gefühl das Garfield sehr pedantisch alles auseinandernimmt, was Vor- und Nachteile hat.
Leute wie Garfield muß es auch geben!!!
Seis drum, die Story hat mich echt getroffen, ich weiß gleich gar nicht warum ich hier was poste.
Ach ja- sone scheiß Beerdigungen, sowas nervt- und bei Deiner Lebensgeschichte erst recht.
Fakt ist, Du hast eindeutig gespürt, das die Beerdigung "gefakt" war und den schönen Schein wahren sollte, und
hast das nicht ohne Widerstand über Dich ergehen lassen- das gefällt mir!
OK- Ich poste einfach mal ein Kompliment für soviel Gefühl und durchaus auch schreiberisches Talent.
Es gehört Mut dazu, das hier so einfach hinzutippen!
Normalerweise les ich ja die langen Texte nich so gern, ich mach meine immer kürzer :-)

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Re: Familientreffen

Beitragvon Garfield » So 14 Dez, 2008 15:20


Moin Orange,

freut mich, dass du meine Kritik hilfreich findest. :)

Das mit dem bayrischen Bilderbuchdorf meinte ich ganz allgemein, in vielen Filmen oder Büchern wird es benutzt um zu zeigen, dass die Dorfidylle reine Heuchelei ist und unter der Oberfläche Bosheit herrscht.

Findest du meine Personen so überzeichnet?

Ja, ich finde vieles ist diese entscheidende Spur zu krass um noch realistisch zu wirken.

Und das Ende hab ich leider nicht so verstanden, wie du es gemeint hast, für mich sah es so aus, als würde sie sich von ihren Elltern abwenden, indem sie all ihre Erinnerungen (symbolisch das Sterbebild, was ich einfach als Foto der Eltern betrachtet habe) von sich wirft.

Gruß Garfield
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Re: Familientreffen

Beitragvon Orange » Do 08 Jan, 2009 21:29


Hi!
Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, ich habe jetzt einige Korrekturen eingebaut und hoffe das ganze damit verbessert (oder zumindest nicht verschlechtert) zu haben. Im Endeffekt ist nicht viel von dem anfänglichen Konzept stehen geblieben.
@yalle: Vielen Dank für dein Lob. Da die ganze Geschichte frei erfunden ist hielt sich das mit dem Mut in Grenzen ;)
Wäre nett wenn mir jemand nochmal ein Feedback zu den Änderungen geben könnte.
Sonnige Grüße
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Re: Familientreffen

Beitragvon Garfield » Mo 02 Feb, 2009 20:32


Moin orange

Ich hoffe du kannst auch nach einiger Zeit noch was mit einer Kritik anfangen.

Ich möchte auf jeden Fall voranstellen:
Die Überarbeitungen haben sich gelohnt, die Geschichte ist deutlich besser geworden.
Diese langatmige Vorstellungsrunde hast du komplett gestrichen und ich finde, das bekommt der Geschichte wunderbar. Die Charaktere bleiben dennoch interessant herausgearbeitet, doch wirken sie jetzt so, als könnten sie einem im echtem Leben begegnen.
Der ganze Zwist auf der Familienfeier ist dir wirklich sehr gut gelungen!
Mir gefallen diese kleinen Sachen, wenn du Erika und Brigitta beschriebst, wenn man mit Babyrülpsern die Stimmung zu retten versucht und auch, dass die Bedinung mit ihr Servietten gefaltet hat.
Bis dahin ist deine Geschichte wirklich gut.

Nein, das werden sie nicht. Es sind Andere, die in unserer Erinnerung weiterleben. Es sind nicht die, die wir gekannt haben, sondern die, die wir gerne gekannt hätten. Egal, ob wir uns Heilige oder Teufel wünschen, die, die hier unten in der kalten Erde liegen, sind es nicht. Kurz versuche ich noch die Tränen zurück zu beißen, dann weine ich. Um meine Erinnerung, darum dass ich nur noch Erinnerungen an meine Eltern habe und nicht mehr. Ich weiß nicht wie viel Zeit zerrinnt während ich an dem Grab stehe. Wahrscheinlich sind es nur ein paar Minuten. Schließlich gehe ich wieder, auch diesmal drehe ich mich nicht um. Und mir kommt es so vor als würde ich die Toten hinter mir lassen und nur meine eigenen Erinnerungen mitnehmen.

Aber mit dem Schluss mag ich mich immer noch nicht anfreunden.
Meiner Meinung nach versuchst du zu sehr einen Abschluss zu finden. Diese "Weisheiten" die ihr nun in den Sinn kommen, so was mag ich nicht.
Es wirkt etwas gestellt, als würdest du zum Abschied schnell die Moral der Geschichte verkünden.
Solche Gedanken fliegen der Protagonistin vllt auch etwas schnell zu, so kurz nach der Feier.

Erneut lese ich da außerdem einen Bruch mit den Eltern heraus, was ich, nachzulesen in meinem 1ten Post, so nicht nachvollziehen kann.
Aber wie man soll man "die Toten hinter sich lassen" sonst deuten?

Vielleicht ist das aber auch nur Geschmackssache bzw Ansichtssache, wenn das deine Meinung, deine Intension ist, dann ist das okay, nur mir persönlich gefällt es nicht.


Noch ein bisschen was zum Text:

Ich seufze und versuche mich zu erinnern in welchem Moment sich der Abend in einen Albtraum verwandelt hat.

Dieser Satz stellt die Überleitung dar, um um zu der Feier zu kommen, das verstehe ich, aber er wirkt etwas unbeholfen und konstruiert.
Wenn etwas gearde passiert ist, man noch voll im Aufruhr ist, dann fangen doch bestimmt nur wenige an, die Situation nochmal zu analysieren.

Wie immer wirkt sie ein wenig nervös und ihre fahrigen Hände streichen immer wieder Falten, die schon lange nicht mehr vorhanden sind aus ihrem lachsfarbenen Kostüm

2mal immer

Obwohl Brigitta in die Familie eingeheiratet hat kennt sie sich mit den Daten besser als jeder andere von uns aus.

Komma nach hat

Auf einmal scheint sie nicht mehr den Mut haben weiter zu reden

Mut zu haben (wobei dann 2mal zu auch nicht gut klingt..) und es fehlt ein Punkt

Das Dorf, in dem ich mein Leben verbracht habe

Das klingt als wäre sie schon sehr alt und hätte seit Jahrzehnten da gewohnt, da es aber nciht so ist, wirkt dieser Satz etwas arg pathetisch.

abgestoßene Sterbebild

ein abgestoßenes Bild? Darunter kann ich mir in diesem Zusammenhang nichts vorstellen.

Ansonsten wäre der Text eventuell angenehmer zu lesen, wenn du mehr Absätze machen würdest, bei dir reit sich sogar wörtliche Rede aneinander.

Gruß Garfield
Kurz, er bewies eine Geduld, vor der die hölzern-gleichmütige Geduld des Deutschen, die ja auf dessen langsamer, träger Blutzirkulation beruht, einfach gar nichts ist.
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Re: Familientreffen

Beitragvon Orange » Di 03 Feb, 2009 18:31


Hi Garfield!
Vielen Dank, dass du dir nochmal die Mühe gemacht hast dich mit meiner Geschichte auseinander zu setzen. Freut mich dass es dir jetzt besser gefällt!
Beim Ende hast du wahrscheinlich recht. Es soll auf keinen Fall moralisierend wirken. Ich habe es nochmal geändert, arbeite aber noch dran.
Die anderen Sache habe ich alle geändert.
ein abgestoßenes Bild?
Ich habe die Ecken gemeint. Hätte ich vielleicht hinschreiben sollen....
Außerdem ist das jetzt die "Leserfreundliche-Version" mit Absätzen.
Nochmal vielen Dank für die Kritik.
Sonnige Grüße
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Re: Familientreffen

Beitragvon SabineK63 » Mo 01 Feb, 2010 17:09


Hallo Orange,

eine bewegende Geschichte, zum Teil sehr schön erzählt. Teilweise schien mir noch zu viel an Umschreibung in der Geschichte enthalten zu sein. Das ist wahrscheinlich Geschmacksache, für mich wäre weniger mehr gewesen. Im ersten Absatz habe ich es mal angemerkt:
Leicht zitternd – ob vor Wut oder Kälte – (könntest Du vielleicht weglassen) trete ich in das Schneetreiben. Der Schnee auf Straße und Gehsteig glitzert im Laternenlicht, (kein Komma) wie gemahlenes Glas. Das dunkle Dorf erinnert mich an das Innere einer Schneekugel. Die kleinen Häuser drängen sich eng zusammen, so als würden sie ein Geheimnis teilen. Und das tun sie vielleicht auch. Eines, das ich nie erfahren werde, und nie erfahren will. (könnte für meinen Geschmack auch weg) Während ich die verschneite Straße zum Friedhof entlang gehe, wünsche ich mir, sie alle hätten auch (weg?)ihr anderes Geheimnis für sich behalten und es mir nicht ins Gesicht gespieen. Ohne stehen zu bleiben schließe ich die Augen und lasse meine Erinnerungen noch einmal vor meinem inneren Auge auferstehen (auferstehen passt als Verb hier nicht, vielleicht ablaufen oder Revue passieren). Vorher schienen sie mir noch so nah, jetzt auf einmal sind sie furchtbar weit entfernt: (Die Erinnerungen oder die Eltern? Eigentlich braucht beides nicht erwähnt werden)

Das Ende habe ich auch nicht ganz nachvollziehen können. Obwohl ich wahrscheinlich eine überarbeitete Version gelesen habe. Wenn die eigenen Erinnerungen positiv waren, würde ich eher erwarten, dass diese verteidigt werden. Was wissen am Ende schon irgendwelche Verwandten, die nichts besseres zu tun haben, als jeden Fehler breit zu treten.
Vielleicht kannst Du damit ja etwas anfangen. Auf jeden Fall habe ich Deine Geschichte gern gelesen.

Lieben Gruß
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Re: Familientreffen

Beitragvon Orange » Di 16 Feb, 2010 08:58


Hi Sabine!
Es freut mich, dass du grundsätzlich etwas mit meiner Geschichte anfangen kannst :)
Wenn die eigenen Erinnerungen positiv waren, würde ich eher erwarten, dass diese verteidigt werden
.
Sie hält auch am Ende zu ihren eigenen Erinnerungen. Sie sieht nur, dass es nicht ihre Eltern, wie sie wirklich waren sind, sondern lediglich ein kleiner Teil. Ich finde es eigentlich nicht unlogisch, dass man durch Gerede an seiner Beurteilung von Leuten zweifelt.
Deine Anmerkungen werde ich mir nochmal in Ruhe anschauen, wobei ich nicht weiß ob ich es nochmal in die Geschichte einbauen werde. Auf jeden Fall werde ich es mir für zukünftige Geschichten merken :) .
Sonnige Grüße
Orange

P.S. Ich habe nochmal eine leicht überarbeitete Version gepostet. Die ist allerdings auch schon ein Jahr (wie die Zeit vergeht!!!!) alt.
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