Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

ohne titel

Beitragvon turmfalke » Mi 04 Mär, 2009 17:19


verwisch die spuren
ich
lass meinen namen
zurück in deinem
herz schlag mir ein
schweigen auf den
mund. auf den mund.
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Re: ohne titel

Beitragvon Drehrassel » Mi 04 Mär, 2009 18:33


schön, wie du jede zeile mit einer eigenen aussage versehen hast, welche korreliert mit einer vorhergehenden und folgenden. so wie anfangs das spiel mit den imperativformen und/oder erster person singular. (vers2 besteht dabei einzig aus dem personalpronomen ich. nicht nur aus semantisch-syntaktischen gründen, sondern auch für sich gesehen sehr bedeutsam). dann auch diese doppelfunktion (wieder in einzelne hauptwörter) getrennter komposita. / alles dicht verpackt, da in deinem gedicht, turmfalke. ein schönes geheimnisvolles liebesliedchen. ein streng chiffriertes flüstern und wispern ans ohr der geliebten person. / selbstverständlich wäre es dabei kunst-banausentum, anzunehmen, es könnte etwa zu tun haben mit einem konkreten liebespärchen aus der allttäglichen umgebung der autorin. nein, nein! ganz, klar, das ist symbolisch zu verstehen. symbolisch und archetypisch. was sonst?! - kaum ein wort, das selbst der geübte leser hier in diesem kurzen textchen als überflüssig empfinden könnte; alles befindet sich in einer präzise austarierten konstellation aus wortgruppen, dekonstruierten phrasen aus der umgangssprachlichen vorstellung darüber, wie liebende miteinander reden könnten. / allerdings entfernte ich konsequenterweise auch das "e" aus "lasse", so wie du es in "verwisch" angestellt hast. (oder wolltest du hier unbedingt eine trochäisch lesbare zeile haben?) -
und eine frage noch: zitat: "herz schlag mir ein"(?) - so im sinne von: gib mir fünf, mein alter freund, was ham wir nicht schon alles miteinander durchgemacht? - mund auf, dichterin! sag! mund auf... den mund! -

gruß,
drehrassel
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Re: ohne titel

Beitragvon turmfalke » Mi 04 Mär, 2009 18:44


hallo drehrassel,
vielen dank für deine ausführliche analyse und das lob, das freut mich ehrlich.
zum "lasse" - da habe ich zugegebenermaßen nie die option gesehen, es als "lass" zu verstehen, als imperativ also, aber der gedanke gefällt, also werde ich das "e" wohl herauskürzen.

"herz schlag mir ein" - aus irgendeinem (für den leser offensichtlich nicht allzu nachvollziehbaren grund) lese ich das einschlagen auf mehrere verschiedene weisen.... na ja, wie das einschlagen einer bombe etwa, das einschlagen einer schlimmen nachricht. aber auch: das einschlagen eines geschenkes; an das "einschlagen" im sinne einer begrüßung oder sympathiebezeugung habe ich gar nicht gedacht. vielleicht ein bisschen zu sehr verkürzt, vielleicht zu kryptisch...?

lieben gruß,
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Re: ohne titel

Beitragvon Drehrassel » Mi 04 Mär, 2009 21:15


@alan: nicht zu vergessen die chiastisch anmutende wendung in den letzten beiden versen, die deine auto-reflexive theorie nur stützt:"(schweigen) auf den / mund. auf den mund"... hervorragend, wie das hier gelöst ist! man beachte vor allem eine durch die wiederholung leicht zu übersehende - sehr sublim gestaltete - weitere aussagemöglichkeit, geschickt durch den hakenstil kaschiert, den schlusspunkt mitten im vers: mund auf! - also im weiteren kontext: schweigen auf: den mund auf! plus: den mund auf den mund... also, turmfalke, mehr geht nicht! sag ich mal, mehr geht nicht. liebesgedicht, selbstbezügliches dichten... liebe, leben und dichten als ein ineinander von erfahrungen der einsamkeit/unaussprechlichkeit existenzieller fragen, ich-aussage (welche zudem in vers 2 provokant tatsächlich geschieht, zumindest geschehen soll, als eine form der ich-behauptung des sich äußernden subjekts), zugleich aber auch deren überwindung in der hin-wendung an ein ihm zuteil werdendes gegenüber, symbiose und (liebes-)erfüllung: wirklich fein verwoben, gesponnen und gewirkt! -

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Re: ohne titel

Beitragvon turmfalke » Do 05 Mär, 2009 22:36


vielen dank, ihr zwei, das freut mich wirklich.
und natürlich ist es auch toll, dass die mehrdeutigkeiten rauskommen.

danke für eure rückmeldungen und die interpretationen :]

liebste grüße,
falke
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