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Alle epischen Texte, die in keine andere Kategorie passen
von Antibegone » Do 30 Apr, 2009 13:08
Es war einer dieser ruhigen, orangebeleuchteten Abende. Sie waren gerade von der Arbeit gekommen; aufgeknöpftes Jackett und Blazer erzählten sich gegenseitig von dem harten Tag, der hinter ihnen lag. Hermann und Louise hatten es sich gemütlich gemacht, sein Arm lag locker auf ihrer Schulter und sie lehnte sich routiniert an ihn an. Die beiden hatten sich was vom Chinesen geholt, aßen, schmatzten und schauten in die bunten, sich bewegenden Bilder vor sich. Es lief gerade eine Szene, in der ein Dunkelmaskierter eine junge Frau überfiel. Er legte ihr ein Messer an die Kehle, zischelte ihr ins Ohr. „Das nächste Mal nehmen wir wieder Indisch, ja?“, meinte Louise. „Sei still, ich will hören, was er sagt!“, verlangte Hermann. „Ach ja, meine Wünsche sind dagegen wohl unwichtig, oder was?“ Louise schmollte. Hermann wusste es, ohne sie anzuschauen. Der Maskierte packte gerade die Handtasche der Frau, sie stand unter Schock, wusste nicht wie ihr geschah. Passanten eilten vorbei. „Ich versteh das nicht. Warum hilft ihr denn keiner!“, empörte sich Hermann. „Ich habe gesagt, das nächste Mal möchte ich Indisch.“ Louises Ton hatte eine zerknirschte Spitze. Hermann antwortete wieder nicht. Der Maskierte schlitzte ihr den Hals auf, entriss ihr die Handtasche, lief davon. Sein Opfer sank zu Boden. „Das gibt es ja wohl nicht!“ Hermann war entrüstet. Louise schmollte weiter. Quecksilber floss aus der Erstochenen, kroch über das Pflaster. Das störte niemanden, der gehende Menschenstrom bahnte sich seinen Weg um das Hindernis herum. „Jetzt könnte doch wenigstens mal jemand einen Arzt rufen. Dass das keiner macht – das sagt alles über unsere Gesellschaft aus.“ „Hermann?“ Louise benutzte diese Leierkastenstimme, die Hermann auch beherrschte: „Ja?“ „Ich will nicht mehr.“ „Ist schon gut, ist ja auch schon spät.“ Hermann nickte; seine Frau war schon immer so quengelig gewesen, er erduldete es einfach. „Komm, wir gehen.“ Louise gab ihm einen dankbaren Kuss, sie standen von der Bank auf und gingen nach Hause.
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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von Drehrassel » Do 30 Apr, 2009 13:20
der letzte satz ist ärgerlich, weil er daher kommt, als befürchtete die autorin, der leser könne die pointe nicht mitbekommen haben... den würde ich entweder ganz streichen (wäre meine wahl) oder zumindest ersetzten durch so etwas wie: einer/eine der beiden macht den andern/die andre darauf aufmerksam, nicht durchs blut zu laufen... die schönen neuen schuhe! die erst neulich renovierte wohnung! - / oder irgendsowas...
klasse war die stelle: "er legte ihr ein messer an die kehle, zischelte ihr ins ohr" (zeilenbruch) " < das nächste mal nehmen wir wieder indisch, ja?>" :D
gruß, rassel
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von Antibegone » Do 30 Apr, 2009 13:28
Huhu Drehrassel :-)
Ich danke dir erst einmal für die Beschäftigung mit der Geschichte.
Ja, die Autorin befürchtet so einiges … das stimmt.
Hm, ich habe meine Probleme damit, den letzten Satz „ersatzlos“ zu streichen. Das liegt daran, dass ich versuche „allgemeinverständlich“ zu schreiben. Deswegen hätte ich gerne am Schluss noch den Satz gehabt, um ganz deutlich „zu brechen“. Aber du hast Recht, es wirkt irgendwie „ungeschickt“. Deine Idee mit den Schuhen finde ich gut. Ja, allerdings – ich mache mir mal ein paar Gedanken :-) Mal gucken, was ich da stattdessen hinbasteln kann.
Liebe Grüße, Myri
PS: Immer diese Edits ... Hört sich interessant an, das mit der "Ruth". Aber da hätte ich Probleme mit. Erstens: Wäre mir das zu krass, so für meinen eigenen Geschmack. Zweitens: Es würde personalisieren. Und ich weiß nicht, inwiefern das passen würde. Ich weiß es wirklich nicht.
PPS: hör auf zu editieren! sonst kriegst du gleich ärger!
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von Drehrassel » Do 30 Apr, 2009 13:30
edit: mir fällt grad nochwas ein: wie wär 's, die beiden kennen das opfer? und sie mokieren sich auf dem heimweg darüber:"dass ruth sich einfach vor unsren augen hat abstechen lassen. geschmacklos!" - oder sowas... :D
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von Antibegone » Do 30 Apr, 2009 13:47
huhu du :-)
habe es erst mal geändert, so provisorisch, mal gucken, ob es mir morgen noch gefällt. Auf jeden Fall steht der letzte Satz dann schon mal nicht mehr so "ungeschickt" da. Was meinst du?
Das mit den Schuhen hat nicht gepasst; auch wenn ich die Idee an sich klasse fand. Weil die beiden ja in totaler Distanz zu dem Geschehen vor sich sind. Sie würden gar nicht nah genug dran gehen, um jemals auch nur in die Gefahr zu geraten, das Blut zu berühren.
Das mit den Edits war nicht böse gemeint; mich hat es nur verwirrt ... weil ich ja auch schon am Schreiben war.
Herzliche Grüße, von der Myr
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von Drehrassel » Do 30 Apr, 2009 14:23
hm... um ehrlich zu sein, trau... - myr'jam, finde ich im vergleich zu dieser lösung nun die alte wiederum besser. / das ding ist doch, dass die pointe nur zündet, wenn man kurz und knackig - ohne viel geschwätz - , das geschehen, den überfall auf "die frau" (klingt halt nicht gut, wenn man das in einem so kurzen text so oft wiederholt), als wirklich, dabei das paar als nur noch in sphären medialen konsums denken, fühlen und erleben könnende, teils bornierte - teils sich darin als hilflos darstellende personen entlarvt oder aber dem ganzen "noch einen drauf setzt", deshalb mein vorschlag, das opfer "ruth" sein/werden zu lassen, ihreszeichens gemeinsame freundin des pärchens, welche sich - so empfinden das die beiden - nicht zu blöde ist, sich erdreistet, sich auf geschmackloseste art und weise vor ihren augen niederstechen zu lassen! dies schnepfe! :D
naja, wie dem auch sei. - vielleicht melden sich ja noch andere hier zu wort, die eine meinung dazu haben, wie man das ende (oder auch andere teile des texts) anders gestalten kann... oder die das einfach interpretieren wollen... oder loben... oder aus andern gründen kritisieren... oder...
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von Antibegone » Do 30 Apr, 2009 14:53
huhu :-) Nenn mich ruhig weiter Traumi, wenn du magst ;-) finde ich im vergleich zu dieser lösung nun die alte wiederum besser. / das ding ist doch, dass die pointe nur zündet, wenn man kurz und knackig
Du kannst dich auch nicht entscheiden! Nein, du hast ja Recht. So ein Mist -.- Ich ändere es einfach noch mal. Das mit Ruth – das wäre sehr pointiert und irgendwie absurd lustig. Aber würde mit dem, was ich hier bezwecken will brechen: Nämlich mit der Distanz. Vielleicht ist es auch zu einem Großteil einfach eine Sache des Geschmacks ;-) Danke dir jedenfalls für die Auseinandersetzung und deine Meinung. Liebe Grüße, Myri
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von Drehrassel » Do 30 Apr, 2009 15:16
ich finde, traumi, dass aber diese ins groteske gesteigerte zynismus bereits in der idee angelegt ist, und dass die distanziert-brutale kritik an bestimmten tv-formaten sowohl als auch den umgang der konsumenten damit dadurch auch mindestens umspielt, variert wird. - zudem bringst du ja auch, wie oben schon angemerkt, den leser an dieser stelle:
[quote="Myr'jam":1dqulxq9] Er legte ihr ein Messer an die Kehle, zischelte ihr ins Ohr. "Das nächste Mal nehmen wir wieder indisch, ja?" - meinte louise[/quote]
bereits zum lachen, weil man unwillkürlich diesen satz erstmal dem "ripper" (von dem man meint, er seine eine figur aus einem tv-spielfilm) in den mund zu legen geneigt ist... was ja absurd ist, skurril... aber vom textfluss her stolpert man da so hinein. - ich dachte, das sei absicht gewesen...
edit: zudem - meine ich - funktioniert dein vorhaben einer ganz ernsthaften nüchternen medien-kritik meines erachtens auch deshalb nicht so richtig, weil - trotz solcher reality-formate wie eine show über den krebs-tod einer big brother kandidatin, wie in great britain geschehen - immernoch das mitverfolgen eines (vermeintlich) realen mordes in ein horror/splatter-subgenre fallen würde, nämlich SNUFF-videos...
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von Antibegone » Do 30 Apr, 2009 15:46
Huhu esb :-) Danke dir für deine Beschäftigung mit Street TV und für deine Anmerkungen Ja, vertauschte Rollen wären denkbar. Aber ist das notwendig? Hermann und Louise sind ohnehin relativ schablonenartige Charaktere, was ich nicht als allzu schlimm empfinde – gerade deswegen könnte ich sie frei auswechseln mit jeder beliebigen anderen Person. Ich denke mal darüber nach, ob es nicht vielleicht doch zu klischeehaft ist … Der zerfranste Aufbau? Hm, ja, das wäre sinnvoll den etwas zusammen zu ziehen, Einheiten schaffen. Guter Hinweis. Street TV ist nicht gerade mein Lieblingstitel, aber er passt irgendwie – jedenfalls finde ich mich damit ab, bis mir etwas Besseres einfällt. die verwebung/verknüpfung der jeweiligen handlungen, sodass die eine die andere 'kommentiert', funktioniert recht gut.
Freut mich, wenn das funktioniert PS: Habe den Aufbau jetzt überarbeitet. Huhu Drehrassel :-) Oh mei, ich drücke mich schon wieder unverständlich aus, was? ich finde, traumi, dass aber diese ins groteske gesteigerte zynismus bereits in der idee angelegt ist,
Ja ja, das ist so angelegt. Auf jeden Fall. Auch die Stelle, die du anführst, ist Absicht. Und in diesem Sinne finde ich deine Idee auch gut. Sie hat mich, um es auf den Punkt zu bringen: Begeistert. Das es dann „…sehr pointiert und irgendwie absurd lustig“ wäre, meinte ich positiv, das würde mir ja gerade daran gefallen. Das einzige, was mir dabei Probleme bereiten würde, ist die "Personalisierung". PS: Ich schließe deine Idee ja nicht aus, ich finde sie wirklich gut. Ich bin am Hin- und Herüberlegen, ob sie passt (mit meiner Intention). Das Ende gefällt mir selbst noch nicht, nein, nein, es liest sich nicht gut. Aber mein armer Traumi-Myri-Kopf kann sich nicht entscheiden ?( Und ernst oder nüchtern bin ich sicher nicht, lach. PPS: habe das Ende noch einmal überarbeitet und versucht das "Absurd Komische" ein wenig besser auf den Punkt zu bringen. Hoffe das ist mir - zumindest ansatzsweise - gelungen (und man kann es nicht mehr "nüchtern und ernst lesen")? Oder sind die Verbesserungen schon wieder schlimmer als das Original? Was meinst du, dreh? Liebe Grüße, Myri
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von labahannes » Mo 04 Mai, 2009 01:02
Hey ich hab ja schliesslihc nomineirt also schreib ich auch was :)
also ich mag die geschichte, trifft genau meinen geschmack wie dreh finde ich diese stelle: "er legte ihr ein messer an die kehle, zischelte ihr ins ohr" (zeilenbruch) " < das nächste mal nehmen wir wieder indisch, ja?>"
sehr sehr gelungen. ich finde wirklich sehr gut wie du das ganze wie einen fernsehabend aussehen laesst. auch wenn ich es komishc finde imemr den andren zuzustimmen muss ich sagen das ich den schluss nicht so gut finde.also ich wuerd ihn einfach streichen also hiermit enden: "Louise gab ihm einen dankbaren Kuss, sie standen von der Bank auf " aber das ist geschmackssach. rassels idee das sie das opfer kennen und sich darueber streiten gefaellt mir aber gar nicht, aber es ist ja deinen entscheidung das umzusetzen oder nicht(die idee mit den schuhen ist da schon besser meiner meinung nach)
ich hoffe ich konnte noch neue aspekte hinzufuegen oder alte bestaerken
liebe gruesse johannes
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von Antibegone » Mo 04 Mai, 2009 14:25
huhu hannes :-) Erst einmal Danke für die Nominierung, freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Und dann noch ein Danke für den Kommentar; ich fand deine Hinweise sehr hilfreich. auch wenn ich es komishc finde imemr den andren zuzustimmen muss ich sagen das ich den schluss nicht so gut finde.also ich wuerd ihn einfach streichen also hiermit enden:
He he, da muss ich mich wohl geschlagen gegeben, hm? Habe noch mal in meinen Notizen nachgeschaut, wo die Geschichte auch auf dem Satz endet. Vielleicht ist das auch gut so. Wenn ich es mir überlege – der Plot mündet eben in dieser Szene, der Spannungsbogen läuft darauf hinaus. Egal, was ich noch hinzufüge, es müsste wohl „dran gestückelt“ wirken. Insofern: Du hast mich überzeugt, hannes :-) Über die Schuhe habe ich auch noch mal nachgedacht. Problem: Dann müssten die beiden ja auch ein minimales Interesse aneinander (bzw. an den Schuhen des anderen) haben. Wie gesagt, ich versuche ja hier mit vollkommener Distanz (der beiden einzelnen Charaktere zueinander/ der Charaktere zum Geschehen) zu arbeiten – die ich nur ungern auflösen würde. ich hoffe ich konnte noch neue aspekte hinzufuegen oder alte bestaerken
Das konntest du :-) Liebe Grüße, Myr
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