Märchen, Science Fiction, Fantasy

Die siebte Federträne

Beitragvon Antibegone » Mo 22 Sep, 2008 11:45


In unserer Zeit, in der Literatur unterhaltsame Massenware ist, wurde das erzählte Märchen zu einer Randerscheinung degradiert.
Das ist die kalte, traurige Wahrheit über unsere Generation ohne Träume und über Menschen, die die Fähigkeit verloren haben Geschichtenerzähler ihres Lebens und ihrer Träume zu sein.
Verehrter Leser, fassen Sie dies nicht als Anklage auf, denn es ist nicht meine Absicht Ihnen etwas vorzuwerfen. Ich möchte niemandem etwas vorwerfen, ich möchte diesem Fantasietod nicht mit einer nüchternen Anklage begegnen, sondern mit einem erzählten Märchen, einer kleinen Traumgeschichte.
Terralaya war ein Kind voller Fantasie, Abenteuerlust und Frohsinn. Ihre blonden Haare strahlten so hell wie Gold und die beiden weißen, mächtigen Schwingen auf ihrem Rücken waren ihre treuen Begleiter.
Sie war mit dem Land geboren worden; zusammen mit dem Reich der Träume wurde auch sie ins Leben gesandt. Als kleines Kind streifte sie sorglos und munter durch seine schier unendlichen Weiten, durch seine lebendigen Wälder, über seine saftigen Wiesen. Alles erstrahlte in Leben und träumerischen Formen und Farben, denen im Reich der Fantasie natürlich keine Grenzen gesetzt waren. Terralaya und das Land lebten zusammen in friedlicher Gemeinschaft; der eine existierte durch den anderen und beide spürten die Glückseligkeit, die sie schufen.
Eines Tages erwachte sie aus nächtlichen Traumbildern und murmelte: „Federtränen sind die mächtigste Gabe, die ich besitze …“ Es war wie eine innere Erkenntnis, die sich durch den Schlaf bis ins Morgengrauen zu ihrer Stimme durchgekämpft hatte. Die Worte brannten sich in ihr Gedächtnis und nur zu oft rätselte sie darüber, was eine „Federträne“ sein sollte. Sie mochte sehr, wie das Wort klang, konnte sich aber nicht vorstellen, was es zu bedeuten hatte.
Als sie älter wurde, verblassten das Wort und die Erkenntnis darum in ihrem Gedächtnis. Gleichzeitig aber wurde ihr die Verantwortung, die sie gegenüber dem Reich hatte, klar.
Es waren ihre Träume, die in dem Land wuchsen und ihm Leben gaben. Aus ihrer Fantasie gediehen Pflanzen und wurden die Tiere geboren. Je stärker sie glaubte, desto kraftvoller war das geschaffene Leben. Und jene Träume, nach denen sie strebte, jene, die sie versuchte zu verwirklichen, schimmerten hinüber in die Realität. Denn solche haben Einfluss auf die tatsächliche und die träumerische Welt, schöpfen Energie aus beiden und werden umso prächtiger.
Terralaya hatte unglaubliche Freude daran ihr Land durch ihre Träume, wachsen zu sehen.
Sie entwuchs dem Kindesalter und allmählich hatten sich andere Menschen um sie herum angesiedelt. Denn der Glanz ihres Traumreiches zog jene an, die das Leben traumlos zurückgelassen hatte. Sie fanden Zuflucht und Frieden in ihrem Reich, das jeden neuen Bewohner herzlich empfing.
Bald wurde Terralaya von ihrem Volk zur Königin gekrönt und herrschte fortan im Palast der Träume, der im Herzen ihres Landes erbaut worden war.
Sie war eine gerechte und weise Regentin, die sich mit unglaublicher Hingabe um ihr Reich und die Menschen darin kümmerte.
Aber die Zeit verging und Zeit kennt nichts so gut wie Veränderung, das wissen wir alle. Und jeder von uns weiß, was mit unseren Träumen geschieht, wenn wir älter werden. Richtig, sie sterben, weil sie unerfüllt oder enttäuscht werden.
Schließlich wurde auch Terralaya älter und es fiel ihr schwerer an ihre Träume zu glauben. Sie begann ihre Vorstellungen zu hinterfragen und einige davon albern und kindlich zu finden. Es gab Traumbilder, die sie zurückließ und, die hinter ihr zerbrachen. Andere scheiterten und die Enttäuschung erstickte sie.
Wegen ihrer Verbindung zum Land, begannen auch Tiere und Pflanzen zu sterben; doch das merkte sie zunächst gar nicht. Ihr fiel nur auf, wie ihre Schwingen Feder um Feder verblassten und davonflogen. Sie akzeptierte diese Veränderung, trauerte nicht um das Verlorengegangene. Ihr war nicht klar, dass mit jeder Feder auch ein Traum verblasste und starb.
Doch eines Tages sah sie die verdorrten Sträucher und die morschen Bäume, die toten oder leidenden Tiere. Es tat ihr in der Seele weh. Sie war so voller Kummer, dass sie, als sie allein auf dem Balkon des obersten Turmes stand und seufzend auf ihr Land blickte, sprach: „Könnte ich die Träume nur wiederbekommen! Warum nur mussten sie sterben?“
„Ich weiß eine Lösung“, wisperte eine hinterhältige Stimme. Terralaya fuhr zusammen und drehte sich um. In dem Moment trat eine vermummte Gestalt zu ihr auf dem Balkon, die zuvor im unsichtbar machenden Schatten der Vorhänge gestanden hatte.
„Gestatten, ich bin Sonerie, die Traumhexe“, sie verneigte sich darauf hin übertrieben.
Königin Terralaya nickte nur; sie hatte von ihrem Gegenüber gehört. Dieses Wesen trieb sich an den Nebelgrenzen ihres Reiches herum; das hatten Kundschafter berichten können. Allerdings wusste niemand, wer oder was sie war - geschweige denn, was sie im Schilde führte. Darum war Terralaya vorsichtig.
„Ich kann Euch helfen, wirklich. Ich habe gesehen, wie euer Land stirbt. Es zergeht, bald wird nicht mehr als eine Wüste davon übrig bleiben. Darum bin ich hierher gekommen, um Euch zu helfen dies zu verhindern“, säuselte die Vermummte mit verlockendem Unterton.
Terralaya ließ sich davon zunächst nicht beeindrucken. „Was sollte Euch daran liegen dieses Reich retten zu wollen, Traumhexe?“
„Ich will ehrlich sein, ich hoffe Ihr schätzt Ehrlichkeit. Darum möchte ich Euch sogleich mein Angebot unterbreiten und ihr werdet verstehen.
Was ihr braucht, sind neue Träume. Schöne Träume. Bessere Träume. Ich verkaufe sie Euch. Ich habe Träume, deswegen bin ich die Traumhexe. Seht Ihr“, sie zog in einer geschickten Bewegung eine blühende Rose hervor, deren Blätter aus purem Regenbogenkristall bestanden. Ihr Glanz blendete Terralaya nahezu. Sie war fasziniert und erstaunt.
„Darf ich?“, fragte sie vorsichtig und streckte die Hand langsam wie in magischer Trance nach der Rose aus.
„Sicher“, ermutigte die Vermummte und wäre Terralaya nicht so in den Bann des Dargebotenen gezogen worden, hätte sie das unterdrückte, hämische Kichern Soneries gehört.
Terralaya nahm die Blume in die Hand und begutachtete sie.
„Seht Ihr, bessere Träume. Und aus hundert Prozent hochwertigem Material – mit Beigabe von ein paar nebensächlichen Zusatz- und Farbstoffen, die aber nur die Qualität erhöhen! Damit wird Euer Leben garantiert glücklicher als vorher“, erklärte Sonerie viel versprechend.
„Garantie und Rückgaberecht verfallen nach einem Jahr oder bei zu langem Anfassen, Anschauen oder Daran Denkens“, fügte sie beiläufig und leise nuschelnd hinzu. Außerdem sprach sie so schnell, dass Terralaya ohnehin kaum ein Wort verstanden hätte – selbst wenn sie ihr zugehört hätte.
„Also, wie sieht’s aus? Nehmt Ihr an? Ich kann Euch für den Anfang einen Traum wöchentlich liefern – frei Haus! Ich kriege dafür nur pro Traum einen Quadratmeter von Eurem Land. Das ist ja nicht viel.“
Königin Terralaya nahm das Angebot zuversichtlich an. Voller Faszination pflanzte sie gleich nachdem Sonerie verschwunden war die Rose in den Palastgarten.
Sonerie hielt ihre Vereinbarung gemäß der Absprache, aber bald wollte Terralaya mehr Träume. Sie wollte ihr ganzes Land mit diesen wunderbaren, neuen Gewächsen bepflanzen und nicht nur ihren Palastgarten.
Eine große Vision entstand in ihrem Kopf davon wie ihr Reich mit Soneries Hilfe wohl aussehen könnte. Daraus wuchs eine Gier nach immer mehr Träumen. Jeden Tag kam eine gigantische Menge davon. Terralaya musste zwar viel von ihrem Land dafür abgeben, aber das war es ihr wert.
Wäre sie weniger gierig und weniger verblendet gewesen, wäre ihr aufgefallen, dass Soneries Träume falsch und verdorben waren. Sie sahen nur schön aus, aber waren innerlich leer und besaßen nicht den Funken aus unbändiger, fantastischer Kraft, aus dem heraus ihre eigenen gediehen.
Darum war die erste Rose schon längst verdorrt und hatte kaum länger als ein halbes Jahr gestanden. Ja, die Träume wurden sogar immer kurzlebiger, aber bei der Masse von Neuen, fiel es gar nicht auf.
Das Schlimmste aber war: Terralayas eigene Träume starben, denn aufgrund der Größe und der Macht der anderen, fanden sie keinen Nährboden mehr. Außerdem kümmerte sich Terralaya nicht mehr um sie und sie mussten verwelken.
Als sie irgendwann ein bisschen freie Zeit hatte – das kam selten vor, denn sie war sehr beschäftigt -, machte sie einen Spaziergang durch den Palastgarten. Vergeblich suchte sie Soneries Rose. Sie fragte einen von ihr kurz nach dem Verlassen der Traumhexe eingestellten Gärtner danach.
„Weiß nicht. Verwelkt, schätze ich. Genau wie die anderen, die vorher da waren. Die einzigen Pflanzen, die hier stehen, sind aus der letzten Lieferung“, ein Schatten huschte über das Gesicht des Gärtners. „Dem Land geht’s schlecht. Das passiert überall, meine Königin. Tut mir leid, das sagen zu müssen.“
„Nein, das kann nicht sein! Du lügst!“, schrie Terralaya ungläubig auf. Trotzdem erfüllte sie zugleich das Gefühl, das man hatte, wenn eine Katastrophe, die sich schon die ganze Zeit schleichend angebahnt hatte, einem plötzlich in den Rücken fällt.
Entschlossen rannte sie durch den Palast, hinauf auf den höchsten Turm, auf den Balkon, wo sie so lange nicht gewesen war.
„Nein …“, murmelte Terralaya in erstickter Hilflosigkeit. Ihr Land starb; hier und da ragten nur voll Trug Soneries Träume auf. Alles andere war eine öde, verdorrte Landschaft, eine, die früher einmal mit Leben erfüllt war. Terralaya begann zu weinen.
Ihre Machtlosigkeit wurde noch größer, als sie sah, dass Sonerie ihr eigenes Schloss aufgebaut hatte und ihr Land schon ein Drittel des Reiches der Träume betrug. Dort, wo die Traumhexe sich ausgebreitet hatte, lebte gar nichts mehr. Eine schwarze Wüste erstreckte sich rund um den prachtvollen Palast, in den alle Kraft der gerodeten Träume rundherum geflossen war.
Terralaya stand über drei Stunden in luftiger Höhe und bedachte Soneries Reich mit erstarrten Tränen und hilflosen Schreien, die aus Kraftlosigkeit stumm blieben.
Doch allmählich wendete sie ihren Blick und sie schaute in einen anderen Teil ihrer Welt. Da sah sie ein zweites Land; genauso wie Soneries verschlang es ein Drittel dessen. Terralaya kannte es nicht; es musste über Nacht und ohne Vorwarnung entstanden sein.
Aber was sie sah, gab ihr Hoffnung. Fortschritt regierte dort. Hohe Wolkenkratzer bildeten reiche Städte und die Menschen lebten in Wohlstand. Da muss das Glück zu Hause sein, dachte Terralaya.
Sie schickte Kundschafter in dieses fremde Land und erfuhr bald, dass ein gewisser magicus logicus Nimonold dort herrschte. Ob dem Gedanken, dass wenigstens in einem Teil ihres Reiches Wohlstand und Zufriedenheit herrschen mussten, war sie erleichtert und beruhigt. Sie stoppte die Einfuhr von Soneries Träumen und begann ihr eigenes Land allmählich wieder aufzubauen. Dieser Prozess war schwierig und hart und Terralaya wünschte es gäbe einen einfacheren Weg. „Wenn es nur irgendwie schneller und leichter ginge“, dachte sie.
Kaum waren die Worte durch ihren Kopf gegangen, schwanden die Wände ihres edlen Thronsaals hinfort und machten kalter Farblosigkeit platz. Künstliches Licht erhellte den weiten Raum im obersten Stockwerk eines der Wolkenkratzer. Terralaya schloss in einem solchen zu sein, da das stumme Glas Einblick hinunter auf Nimonolds Reich gab, das sie schnell wieder erkannte.
„Ahh, endlich sehen wir uns. Schön Sie endlich zu treffen, verehrte Terralaya“, sprach ein junger Mann mit Vertrauen erweckenden Zügen und einem genauso gewinnenden wie motivierten Lächeln. „Seid gegrüßt, magicus logicus Nimonold“, antwortete die Angesprochene mit ruhiger, gemessener Stimme, die gekonnt ihre Nervosität überspielte.
„Ich hoffe die Förmlichkeiten sind damit beendet. Was halten Sie von unserem Reich? Ich habe Sie schon vorher einladen wollen … aber die Gelegenheit ergab sich nicht. Ich glaube, jetzt ist die Zeit reif, oder nicht? Und darum – nun, wie soll ich sagen – ergriff ich die Initiative und teleportierte Sie zu mir herüber. Auf ein kleines Gespräch. Also, was halten sie von unserem Reich?“
„Ich werde wohl über die Tatsache, dass ich diese Begegnung auch Entführung nennen könnte hinwegsehen und Euer Reich als beeindruckend bezeichnen“, erklärte die Königin.
„Das ehrt mich sehr, Terralaya“, meinte er lächelnd. Dieser Frohsinn überraschte sie positiv und sie ließ sich davon anstecken und gab das Lächeln zurück.
„Wissen Sie, ich habe überlegt. Nun, nichts gegen Sie, aber ihr Land scheint … hmm, ihm scheint es nicht mehr so gut zu gehen. Wie wäre es, übernähme ich dort die Herrschaft? Ich würde Ihr Land genauso wohlhabend und fortschrittlich machen wie dieses. Ihre Bewohner könnten teilhaben an der neusten Technik, ihr Leben würde einfacher, besser. Wir bauen riesige Wohnhäuser, Einkaufszentren, Geschäftsgebäude, Straßen, Brücken, Parkplätze - da wo jetzt verdorrte, alte Träume stehen, die keiner mehr braucht. Alle werden davon profitieren.“
Terralaya fühlte sich überrumpelt von dem Angebot. Völlig überrascht, brauchte sie eine Weile Nimonolds Worte zu verarbeiten.
Hatte er das wirklich gesagt? Sie sollte ihr Land einfach so aufgeben? Jenes, mit dem sie geboren war, jenes, das sie liebte und jenes, das auch ihr Leben gab?
„Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich würde sie nicht entmächtigen. Sie würden als oberste Beraterin fungieren und zusammen würden wir das Land zu einem wunderbaren Ort machen!“, erklärte Nimonold begeistert. „Für Sie würde alles einfacher, besser, schneller sein. Keine unnötige, schwere Arbeit mehr, Sie könnten stattdessen den Komfort und Bequemlichkeiten von Technik und Fortschritt nutzen.
Wäre das nicht am besten? Für alle, auch für Sie?“
Terralaya zögerte immer noch. Sie wusste nicht, warum und das war das Schlimmste. Nimonolds Angebot erschien ihr verlockend und richtig und auf der anderen Seite grundlegend falsch. Aber vermutlich hatte er Recht, oder nicht? Es wäre das Beste. Außerdem könnte sie sich dann auch einmal zurücklehnen und hätte nicht immer soviel Arbeit. Trotzdem war es falsch, schrie eine Stimme in ihr.
„Ich weiß nicht“, antwortete Terralaya in ihrer Zerrissenheit.
„Na, es zwingt Sie schließlich keiner! Aber denken sie über die Vorteile nach“, lockte Nimonold.
In genau dem Moment war Terralaya bereit ihr Land aufzugeben, es in die fortschrittliche, logische Herrschaft ihres Gegenübers zu legen. Sie war am Ende bereit aufzugeben; alles aufzugeben. Ein wahrhaft neues Reich zu schaffen, nicht nur so ein Trügerisches wie Sonerie es angeboten hatte.
„Ihr seid böse!“, rief plötzlich und vollkommen unerwartet eine Stimme aus Terralaya, die sie nicht als die ihre erkannte.
„Nein, das ist nicht wahr. Ich bin nicht böse und ich habe keine bösen Absichten. Oder ist Fortschritt eine? Glauben Sie das wirklich?“ Nimonold sah sie eindringlich und ehrlich an.
Sie wusste, dass er Recht hatte. Eigentlich mit allem. Aber wiederum hatte er vollkommen Unrecht, das wusste sie auch. Innerlich schrie und kämpfte sie vor Zerrissenheit. Sie fühlte sich verführt und in die Enge getrieben und gleichzeitig wie kurz vor einer Erlösung, die sie nur aus Trotz nicht annahm. Was sollte sie nur tun?
Da kamen Erinnerungen in ihr hoch, wie ihr Reich früher gewesen war. Wie schön, wie lebendig es gestrahlt hatte. Dann sah sie aus dem Fenster in die graue, fortschrittliche Wüste. Und sie spürte, dass Nimonold zwar nicht böse war, aber auch nicht in ein Reich der Fantasie gehörte. Hier lebten Träume, nicht die Vernunft. Sollten nicht an diesem Ort auch die Träume herrschen?
Plötzlich wurde Terralaya von einer mächtigen Erinnerung erfasst, die Klarheit und Entschlossenheit brachte; es war jene Erkenntnis, die vor langer Zeit in ihrem Gedächtnis verblasst war, jene, die sie sich jetzt erinnerte und mehr noch verstand, jene, die von den mysteriösen Federtränen erzählt hatte.
Terralayas Augen glühten auf und sie rannte los. Schneller und schneller auf die Fenster zu. Mit jedem Schritt ein wenig freier von Trug und Vernunft. Sie stürzte sich durch das Glas, die Splitter mit ihr fliegend wie ein Kristallregen. Sie schnitten in ihre Haut, aber die Wunden waren ohne Schmerz.
Terralaya fiel wie ein Stein hinab in die Betonwüste. Ihre Züge ein erleichtertes Lächeln. Als der Abgrund schon mit Aufprall drohte, wuchsen ihr plötzlich jene Schwingen, die sie einst verloren hatte.
Sie spannten sich über ihren Rücken, retteten sie und trugen sie hoch in die Luft. Kalte, befreiende Luft schlug ihr ins Gesicht. Terralaya landete nicht eher, bis sie ihr eigenes Land erreicht hatte und die Türme des Traumpalastes sie aus der Ferne begrüßten.
Voller Freude kam sie auf dem Boden auf, küsste ihn und kniete sich auf ihm nieder. „Ich will dich nie wieder verkaufen oder verleugnen“, versprach sie feierlich und vor Euphorie rannen ihr die Tränen von den Wangen, als wollten sie das Land rein waschen von alledem, was sie in der letzten Zeit von ihm entzweit hatte.
Sie schlang ihre Schwingen dicht um den Körper und bettete ihren Kopf in sie, sodass die Tränen freimütig die Federn bedeckten und sie benetzten. Als die siebte Träne die siebte Feder berührt hatte und sich zu der siebten Federträne zusammengeschlossen hatte, geschah ein Wunder.
Warum die Siebte, verehrter Leser? Nun, sieben ist eine magische Zahl und in einem Märchen unter allen Umständen zu berücksichtigen.
Plötzlich war das Land wiederbelebt. Überall wuchsen und sprossen die Pflanzen aus dem Boden, weiches Moos und saftiges Gras bedeckten die öde Landschaft und in der Ferne hörte Terralaya Vögel zwitschern.
Ihr Reich war zwar nicht ganz so prächtig wie früher und würde es wohl auch nie wieder sein und es hatte sich durch Nimonold und Sonerie sehr verkleinert. Aber es war wunderschön und das reichte ihr.
Es mochte nur noch ein oder zwei von den Träumen geben, die sie anstrebte und, die in die Realität reichten. Einige würden auch mit der Zeit sterben oder zurückbleiben, das wusste sie.
Aber solange das Land lebte und sie mit ihm, war sie glücklich. Außerdem kamen ja auch immer wieder neue Träume auf und durchwucherten die Landschaft mit ihrem Leben und ihrer neuen Hoffnung.
So fand Terralaya ihren Frieden mit sich selbst und die innere Ruhe, die nur jemand finden konnte, der für seine eigenen Träume lebte. Damit, werter Leser, endet die Geschichte von Terralaya und ihrem Königreich und mir bleibt nur, Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu danken.
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Garfield » Mo 22 Sep, 2008 14:28


Moin Traumwächterin (na der Name passt ja zur Geschichte :D )

Gern habe ich deine geschichte gelesen.

Doch von Anfang an:

Der Erzähler, der am Anfang und am Ende der Geschichte auftaucht, ist an sich keine schlechte Idee. Er ist dieser alte Märchenonkel (oder Tante), und passt somit gut zur Geschichte. Allerdings finde ich ihn zu belehrend. Niemand wird wohl gerne von einer Geschichte direkt belehrt, hier geschiet das, vor allem am Ende.

Aber letztlich, schätze ich, ist jeder König über sein eigenes Traumreich und jeder hat seine eigenen Abenteuer und seine eigenen Geschichten darüber.

Solche Sätze zum Beispiel mag ich nicht und ich finde ihn unnötig. Du erklärst auch, was es mit den Federtränen auf sich hat. Wenn du das weglässt hat der Leser mehr, worüber er sich selbst Gedanken machen kann. Deine Geschichte ist interessant genug dafür, so dass ich Raum für Überlegungen und Interpretationen lassen würde.

Schön hast du das Traumland beschrieben, doch zu plötzlich kam der Satz, dass bei ihr wie bei allen die Träume starben.
Großartig fand ich die Traumhexe. Mit ihr kam dann richtige Spannung in der Geschichte auf.
Du hast hier ja auch eniges angedeutet, ich denke sie steht für schlechte Literatur oder Filme oder so, die die Fantasie der Menschen nicht anregt und nach dem konsumieren wieder vergessen wird. Solche Sachen werden ja wie ihre Träume in Massen produziert.
Ein toller Einfall, er gefiel mir wirklich gut und trifft auch meine Ansichten^^

Das zweite Reich hat mich dann überrascht. Die Rationalität und der Fortschritt als Gegensatz zur Fantasie halte ich für gut umgesetzt.
Doch das Verhandlunggespräch ist dir nicht optimal gelungen, zu unklar ist, was sie denn überhaupt für Vorteile sich erhofft, wenn sie einfach so ihre Macht abgibt.
[quote]„Na, es zwingt Sie schließlich keiner! Aber denken sie über die Vorteile nachâ€
Kurz, er bewies eine Geduld, vor der die hölzern-gleichmütige Geduld des Deutschen, die ja auf dessen langsamer, träger Blutzirkulation beruht, einfach gar nichts ist.
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Antibegone » Mo 22 Sep, 2008 17:39


Huhu Garfield :-)

Vielen lieben Dank für deine Kritik. Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen kann. Vor allen Dingen danke ich dir auch für deine konstruktiven Hinweise. Ich habe mich gleich dran gesetzt und habe es überarbeitet.

Die Füllwörter sind natürlich zum Teil überflüssig, ich habe einen unnötigen Hang dazu und es fällt mir schwer, ihn zu bekämpfen. Ich habe davon ein paar rausgeschmissen, andere habe ich gelassen, weil ich finde, sie passen einfach in ein Märchen hinein – zumindest manche davon.

Die Passage mit Nimonold habe ich auch noch mal neu geschrieben bzw. was hinzu gefügt. Ich dachte eigentlich beim Schreiben es wäre klar, wo die Vorteile lägen. Aber es ist nur „realistisch“, dass er die Vorteile darlegt, ausschmückt, um sie zu überzeugen. Zumal Sonerie das ja auch macht. Ist formal doof, wenn er sein Angebot nicht so schön ausformulieren darf wie sie.

Das Ende … bereitet mir irgendwie Kopfweh. Ich habe es jetzt noch einmal geändert und den Teil mit der Erklärung der Federtränen raus gestrichen, weil ich dir Recht gebe: Es gibt zuviel vor und ist zu eindeutig, lässt zu wenig Platz für eigene Interpretationen.
Allerdings wollte ich das ganze ja geschlossen haben. Der Erzähler bzw. der Märchenonkel (die Bezeichnung find ich schön, passt) fängt ja an, deswegen sollte er die Geschichte auch „schließen“, dadurch sollte alles rund werden. Aber zu belehrend sollte er auch nicht sein, obwohl ich das persönlich am Anfang noch schlimmer finde (aber keine bessere Version dafür habe).
Ich bin unsicher und mache mir noch mal eingehend Gedanken darüber :-)

Hab auch noch ein paar Kleinigkeiten bereinigt, wie die Passage, wo ihre Träume sterben – das habe ich ein bisschen ausgeführt. Hoffe ich konnte deiner hilfreichen Kritik – für die ich, wie gesagt, sehr dankbar bin – gerecht werden ;-)

Liebe Grüße,
Traumi
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Orange » Mi 24 Sep, 2008 15:01


Hi Traumwächterin!
Auch wenn es dir recht wenig hilft: mir hat deine Geschichte gut gefallen. Ein richtig schönes modernes Märchen voll von Symbolen.
Sonnige Grüße
Orange
"Die schönste aller Farben ist die geheime Farbe der Worte."
(Rafik Schami)
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Garfield » Sa 27 Sep, 2008 15:07


Moin Traumwaechterin :D

Es freut mich, das du meine Kritik hilfreich fandest. :)

Aber zu belehrend sollte er auch nicht sein, obwohl ich das persönlich am Anfang noch schlimmer finde (aber keine bessere Version dafür habe).

Am Anfang finde ich das nicht so schlimm, weil du dort die Intesion vorgibst, weshalb der Märchenonkel ( :D ) diese Geschichte erzählt. Am Ende hingegen hast du die Bilder der Geschichte erklärt, dass fand ich störend und ich finde deine Änderung dahin gehend sehr gut! Ich finde auch, dass die Geschichte dennoch abgeschlossen wirkt.

Die Passage mit Nimonold finde ich jetzt viel besser, viel realer/logischer., ebenso die Erklärung, als ihre Träume sterben.

Bei all den Veränderungen bin ich froh dass dieser Satz:
Warum die Siebte, verehrter Leser? Nun, sieben ist eine magische Zahl und in einem Märchen unter allen Umständen zu berücksichtigen.

geblieben ist, denn der ist echt witzig :D

Alles in allem gefällt mir deine Geschichte durch die Veränderungen noch besser!

Nun noch kurz zur Schreibe:
Aber was sie dort sah, gab ihr Hoffnung. Fortschritt regierte dort. Hohe Wolkenkratzer bildeten reiche Städte und die Menschen dort lebten in Wohlstand.

Dort wiederholst du dich dreimal, dass klingt unschön.

Ihre Machtlosigkeit [] noch größer, als sie sah, dass Sonerie ihr eigenes Schloss aufgebaut hatte

Hier fehlt ein Wort.

Gruß Garfield
Kurz, er bewies eine Geduld, vor der die hölzern-gleichmütige Geduld des Deutschen, die ja auf dessen langsamer, träger Blutzirkulation beruht, einfach gar nichts ist.
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Antibegone » Sa 27 Sep, 2008 15:54


huhu Garfield :-)

freut mich sehr, wenn dir die geänderten Passagen jetzt besser gefallen. Ich find sie so auch wesentlich stimmiger. Danke noch Mal für deine Hilfe :-)

Zitat:
Aber was sie dort sah, gab ihr Hoffnung. Fortschritt regierte dort. Hohe Wolkenkratzer bildeten reiche Städte und die Menschen dort lebten in Wohlstand.

Dort wiederholst du dich dreimal, dass klingt unschön.


ich sollte mich wirklich schämen. Du hast keine Ahnung, wie oft ich diese Geschichte schon gelesen und editiert habe ... und da ist mir so etwas nicht aufgefallen. Ändere es mal ganz fix, bevor jemand es merkt :-)

Zitat:
Ihre Machtlosigkeit [] noch größer, als sie sah, dass Sonerie ihr eigenes Schloss aufgebaut hatte

Hier fehlt ein Wort


stimmt, habe mal ein „wurde“ dazwischen gezaubert.


Herzliche Grüße,
von der Traumw[size=150:38rj2idy]ä[/size]chterin
(ich lass mir doch hier nicht meinen schönen Namen verkrüppeln. Ich fühl mich schon minderwertig genug, wenn man mich nicht darauf hinweist ;-) )
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Lokterus » Do 16 Okt, 2008 14:22


Sei mir gegrüßt!

Ich las dein Werk, Wächterin und verstand die Botschaft. Du malst ein Bild, das mir gefällt. Was mich stört sind die Farben, die du wähltest.

:D

Okay, mal ernsthaft. Die Geschichte ist wirklich gut. Es ist die Sprache, die mich stört. Für ein Märchen schreibst du .. nun, einfach zu unmärchenhaft. Teilweise ist dein Stil richtig modern und dadurch verliert die Geschichte sehr viel an Atmosphäre.

Mir hätte es sehr gefallen, wäre die ganze Geschichte aus der Sicht von Terralaya geschrieben worden. Eine Darstellung unserer nüchternden Welt aus den Augen des Traumes.

Man stellt Extreme am besten dar, wenn man sie aus der Sicht eines anderen Extrems beschreibt.

Auf die Erinnerung!
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Antibegone » Fr 17 Okt, 2008 11:45


Huhu und Willkommen, Herr Lokterus :-)

Danke erst einmal für deinen Kommentar und dein Interesse an meiner Geschichte. Schade, dass sie dich sprachlich nicht überzeugen kann. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich auch besonders über negative Kritik :-)

Ich verstehe sehr gut, wenn du meinst als Märchen müsste es auch „märchenhaft“ oder „altmodisch“ geschrieben sein.
Aber ein bisschen habe ich mir schon dabei gedacht, dass ich gerade diesen Stil nicht gewählt habe: Es sollte ein erzähltes, ein modernes Märchen sein. Menschen sind für mich Geschichtenerzähler ihres Lebens, ihrer Träume (bzw. sie können es sein). Darum taucht ja auch der Erzähler persönlich auf, er ist eine neuzeitliche Person und erzählt das Märchen – warum sollte er altertümliche Sprache wählen? Er ist ein Geschöpf der Gegenwart und spricht aus ihr heraus wie jeder anderer von uns es tun würde – wenn er sich traute ein Geschichtenerzähler zu sein.

Man stellt Extreme am besten dar, wenn man sie aus der Sicht eines anderen Extrems beschreibt.


Ich weiß nicht, eigentlich wollte ich kein Extrem darstellen.
Aus dieser Sicht heraus hört sich an als würdest du Realität auf der einen Seite, Traum auf der anderen sehen. Gerade das will die Geschichte aber gerade nicht, sie stellt ja das wirklich (faktische) und das unwirkliche (phantastische) gleichzeitig dar.

Insofern finde ich es für mich persönlich legitim hier eben einen doch modernen Stil zu wählen. Es hat etwas mit der Konzeption zu tun, aber auch mit meinen persönlichen Ansichten. Was nicht heißt, dass ich deine Vorschläge abwerten wollte, vielleicht würde die Geschichte mit „anderen Farben“ noch schöner – aber dann wäre es nicht mehr meine ;-)

Ganz Liebe Grüße,
von der Wächterin der Träume
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Lokterus » Fr 17 Okt, 2008 15:22


Ah! Es ist immer alles legitim und sinnig, wenn es dem Zweck dient. Es würde mir nicht mal im Traum einfallen, dir meine Eindrücke aufzuzwingen und wenn, so würdest du es deiner Berufung entsprechend sicher merken. ^^

Wahr ist auch, dass jeder sein Märchen auf seine Art und Weise erzählt, die nicht jedem gefallen muss. Aber erzählen sollte man sie! Immer. So wie du es getan hast.

Ich freue mich auf andere Märchen aus deiner Feder, Traumgängerin.

Wir lesen uns sicher wieder. ;)

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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Fuenkchen » Sa 20 Dez, 2008 23:23


Hallo Traumwächterin!

Ich habe die Kommentare zu deiner Geschichte nicht gelesen, daher wunder dich nicht, falls ich bereits Erwähntes noch einmal nenne.

Ich weiß nicht recht, wie ich dir eine ehrliche Antwort dazu geben soll, wie ich deine Geschichte fand. Einerseits lese ich normalerweise keine Märchen und dass ich deines bis zum Ende verfolgt habe, darfst du als Lob aufnehmen ;)
Gefiel mir von der Sprache her, hat verzaubert und die "Fantasiewörter" waren toll, dieses Verbildlichen. Was mir an Märchen nie gefällt, ist dass sie nur erzählt werden. Man hat das Gefühl, es gäbe eine Distanz und man kommt nicht richtig in die Geschichte rein. Aber gut, du hast den Märchenerzähler ja sogar in deine Geschichte eingebaut und kannst schließlich nichts dafür, dass Märchen so sind wie sie sind :D
Neben dem Schreibstil gibt es noch den Inhalt. Ich verstehe dein Märchen so, dass man mit allem um sich herum erst glücklich sein kann, wenn man seinen inneren Frieden gefunden hat. Auch den Leitsatz "Es kommt nicht darauf an, was man sieht, sondern wie man es sieht" erkenne ich darin wieder. Die Botschaft deiner Geschichte gefällt mir durchaus (ahnst du, dass ein "Aber" kommen muss? :D Wozu der Auftritt der Traumhexe? Das Ganze war zwar nett, aber was hat es gebracht? Ich als Leser hätte erwartet, dass du deine Botschaften anhand eines Beispiels ausdrückst, aber nach Sonerie folgte unmittelbar der andere Herrscher. Das waren nur meine Empfindungen. Du weißt, ich schreibe dir, um zu helfen, du kannst meine Hinweise aber auch jederzeit abtun und sagen "Was soll denn der Unsinn überhaupt?" 8) Ich weiß nur, dass man als Autor/in von seinem Text manchmal so begeistert ist, dass man die Schwachstellen übersieht. Meiner Meinung nach könnte dein Märchen gekürzt, also gestrafft werden, und würde dadurch an Spannung gewinnen.

Nun zu einigen Rechtschreib- und Grammatikfehler, unschönen Ausdrücken etc. (und bei all den Anmerkungen möchte ich noch einmal betonen, dass mir dein Schreibstil sehr gut gefallen hat. Nicht, dass du falsch schlussfolgerst)

"Fantasietod"
Das ist eines dieser "Fantasiewörter", die ich am Anfang gelobt habe. Der Ausdruck gefällt mir gut, hat soetwas "Farbiges", hat mich zugleich nachdenklich gestimmt (ist ja auch hart, der Tod der Fantasie...)

"Terralaya hatte unglaubliche Freude daran ihr Land auf diese Weise, das heißt durch ihre Träume, wachsen zu sehen."
"das heißt durch ihre Träume" ist mir zu umgangssprachlich. Ich sehe darin einen Stilbruch zu dem sonst sehr ausgeschmückten Schreibstil.

"Und jene Träume, nach denen sie strebte, jene, die sie versuchte zu verwirklichen, schimmerten hinüber in die Realität. Denn solche haben Einfluss auf die tatsächliche und die träumerische Welt, schöpfen Energie aus beiden und werden umso prächtiger."
Hierzu grundlegend: "denn" leitet Nebensätze ein, oder? Also ein Komma und kein Punkt. Falls ein Punkt auch möglich ist, gib mir Bescheid, dann habe ich wieder etwas gelernt.

"Sie fanden Zuflucht und Frieden in ihrem Reich, dass jeden neuen Bewohner herzlich empfing."
Der Relativsatz ist überflüssig. Wenn jemand Zuflucht und Frieden findet, ist es klar, dass er herzlich empfangen wird. Beides drückt dasselbe aus. Außerdem wird "das" als Relativpronomen mit einem s geschrieben.

"Aber die Zeit verging und Zeit kennt nichts so gut wie Veränderung, das wissen wir alle."
"Das wissen wir alle" ist mir wieder zu umgangssprachlich. Der Erzähler dringt an manchen Stellen so unerwartet durch, dass es nicht schön klingt.

"Richtig, sie sterben, weil sie unerfüllt oder enttäuscht werden."
Klingt ebenfalls umgangssprachlich.

"Es gab Traumbilder, die sie zurückließ und, die hinter ihr zerbrachen."
Entweder "... und welche, die hinter ihr zerbrachen." wenn es zwei verschiedene Traumbilder sind. Wenn sie die Traumbilder jedoch zurückließ und sie zerbrachen, kannst du das Komma streichen.

"Andere scheiterten und die Enttäuschung erstickte sie."
Die Erinnerung erstickte sie kaum, sonst wäre die Protagonistin ziemlich früh dahingeschieden. Vielmehr drohte die Erinnerung sie zu ersticken.

"„Sicher“, ermutigte die Vermummente"
Flüchtigkeitsfehler?

"wäre Terralaya nicht so in den Bann des Dargebotenen gezogen worden, hätte sie das unterdrückte, hämische Kichern Soneries gehört."
Die Stelle gefällt mir. Sie deutet an, dass Probleme auf Terralaya zukommen werden.

"Und aus hundert Prozent hochwertigen Material"
hochwertigem

"mit Beigabe von ein paar nebensächlichen Zusatz- und Farbstoffen, die aber nur die Qualität erhöhen!"
"aber nur" ist unschön. Füllwörter! Darfst du mit gutem Gewissen streichen.

"Wäre sie weniger gierig und weniger verblendet gewesen, wäre ihr aufgefallen, dass Soneries Träume falsch und verdorben waren."
Aha, da ist doch eine Lehre versteckt (gut, eigentlich ist sie ziemlich offensichtlich :] ). Beim Märchen ist das richtig so.

"Terralaya schloss in einem solchen zu sein, da das stumme Glas Einblick hinunter auf Nimonolds Reich gab, das sie schnell wieder erkannte."
"Schloss in einem solchen zu sein"? Fehlt da etwas? Ich verstehe den Satz leider nicht [gibt es hier keinen rotanlaufenden Smiley? *lach*]

"aber die Gelegenheit ergab sich nicht, aber ich glaube die Zeit ist reif, oder nicht?"
Doppeltes Aber. Unschööön.

"Ich werde wohl über Tatsache, dass ich diese Begegnung auch Entführung nennen könnte"
Flüchtigkeitsfehler: die Tatsache

"Terralaya zögerte immer noch. Sie wusste nicht, warum und das war das Schlimmste. Nimonolds Angebot erschien ihr verlockend und richtig und auf der anderen Seite grundlegend falsch. Aber vermutlich hatte er Recht, oder nicht? Es wäre das Beste. Außerdem könnte sie sich dann auch einmal zurücklehnen und hätte nicht immer soviel Arbeit. Trotzdem war es falsch, schrie eine Stimme in ihr."
Nein, oder doch... oder vielleicht... und wenn? Zu viel Hin und Her meines Erachtens nach. Den Zwiespalt auszudrücken ist okay, aber die Umsetzung.... na ja... vielleicht etwas anders als mit dem ganzen Hin und Her.

"In genau dem Moment war Terralaya bereit ihr Land aufzugeben, es in die fortschrittliche, logische Herrschaft ihres Gegenübers zu legen. Sie war am Ende bereit aufzugeben; alles aufzugeben."
Erstens: Mir gefällt die plötzliche Entschlossenheit nicht. Wirkt ziemlich sprunghaft. Zweitens: Du wiederholst den Ausdruck "bereit sein, etwas aufzugeben"

"„Ich will dich nie wieder verkaufen oder verleugnen“, versprach sie feierlich und vor Euphorie rannen ihr die Tränen von den Wangen, als wollten sie das Land rein waschen von alledem, was sie in der letzten Zeit von ihm entzweit hatte."
Wieder verkaufen? Sie hat ihr Reich noch nie verkauft. Ansonsten gefällt mir sprachlich das Bild von den Tränen, die das Land rein waschen wollen, sehr.

"Warum die Siebte, verehrter Leser? Nun, sieben ist eine magische Zahl und in einem Märchen unter allen Umständen zu berücksichtigen."
Meiner Meinung nach taucht der Erzähler hier aus dem Nichts heraus auf - und ebenso schnell ist er wieder verschwunden.

Vielleicht kannst du was mit meinem Beitrag anfangen....?
Alles in Allem war dein Märchen auf jeden Fall eine schöne Abrundung des heutigen Tages. Habe eben "Tintenherz" im Kino gesehen und das war genauso verträumt und fantasievoll wie deine Geschichte.

Liebe Grüße,
Fuenkchen.
[mittig:3ahu0a9o]Zweifel sind Verräter. Sie rauben uns, was wir gewinnen können, wenn wir nur einen Versuch wagen.
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Fuenkchen
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Re: Die siebte Federträne

Beitragvon Antibegone » Sa 03 Jan, 2009 15:01


Huhu Fuenkchen :-)

Erst einmal vielen lieben Dank für deinen Kommentar; es freut mich, dass du die Geschichte trotz „Märchenphobie“ bis zu Ende lesen konntest.

Was mir an Märchen nie gefällt, ist dass sie nur erzählt werden. Man hat das Gefühl, es gäbe eine Distanz und man kommt nicht richtig in die Geschichte rein.


Ich glaube diese Einschätzung ist sehr subjektiv. Bei mir ist das anders. Gerade, wenn mir jemand etwas erzähl (z.B. ein Märchen) empfinde ich keine Distanz zum Geschehen, sondern bin durch den Erzähler und seine Nähe zur Geschichte eher mit ihr verbunden; das aktive Erzählen hat für mich nämlich etwas sehr Lebendiges.
Interessant, dass du das so anders siehst.

Für mich ist das Ganze einfach zu sehr in die Länge gezogen ud ich habe mich später gefragt: Wozu der Auftritt der Traumhexe? Das Ganze war zwar nett, aber was hat es gebracht?


Kann ich verstehen, dass du das so siehst. Aber gerade bei Märchen, sollte ja schon ein gewisse erzählerische Länge da sein, oder nicht? Hmm, und die Traumhexe hat natürlich auch eine ganz spezielle Funktion für die Geschichte; es geht ja gerade um die beiden symbolischen Pole, Traumhexe und fortschrittlicher Zauberer, zwischen denen Terralaya hin und her gerissen wird. Aber wie gesagt, ich kann verstehen, wenn du es als „Länge“ empfunden hast.

Ich weiß nur, dass man als Autor/in von seinem Text manchmal so begeistert ist, dass man die Schwachstellen übersieht. Meiner Meinung nach könnte dein Märchen gekürzt, also gestrafft werden, und würde dadurch an Spannung gewinnen.


Vielleicht, ja, aber ich frage mich, ob es dann noch ein Märchen wäre.

Hmm, du sagst es ja selbst: Ich bin in diesem Fall schon z.T. an die Form des Märchens gebunden. Ganz ehrlich: Als Leser, würden mir einige Stellen unheimlich auf den Keks gehen – auch der Erzähler würde mich nerven.
Aber ich glaube, die Geschichte hat schon einen gewissen Reiz und der geht eben von diesen Elementen aus, an denen du dich ja auch störst; würde ich sie streichen, die Geschichte glätten, würde sie diesen verlieren. (Zumindest glaube ich das, kann mich natürlich auch irren :-) )

"Terralaya hatte unglaubliche Freude daran ihr Land auf diese Weise, das heißt durch ihre Träume, wachsen zu sehen."
"das heißt durch ihre Träume" ist mir zu umgangssprachlich. Ich sehe darin einen Stilbruch zu dem sonst sehr ausgeschmückten Schreibstil.


Als „Umgangssprache“ würde ich es nicht bezeichnen, eher als „statisch-formelle“ Sprache. Joa, ob die so passend ist – könnte man ändern, mach ich auch :-)

Hierzu grundlegend: "denn" leitet Nebensätze ein, oder? Also ein Komma und kein Punkt. Falls ein Punkt auch möglich ist, gib mir Bescheid, dann habe ich wieder etwas gelernt.


Hmm, jaaaa, streng grammatikalisch hast du Recht. Ist aber Auslegungssache, wie du das „denn“ bewertest bzw. ob du es strikt als „Nebensatzeinleitende Konjunktion“ betrachtest – oder nicht. Ich würde es einfach gerne so lassen, weil es hübscher aussieht und berufe mich auf meine künstlerische Freiheit ...

"Sie fanden Zuflucht und Frieden in ihrem Reich, dass jeden neuen Bewohner herzlich empfing."
Der Relativsatz ist überflüssig. Wenn jemand Zuflucht und Frieden findet, ist es klar, dass er herzlich empfangen wird. Beides drückt dasselbe aus. Außerdem wird "das" als Relativpronomen mit einem s geschrieben.


oh Schreck, wie konnte mir das passieren? Ändere ich ganz fix.
Den Nebensatz als solchen würde ich aber gerne stehen lassen; er ist ausschmückend, nicht essentiell, aber passt in den ausschmückenden Stil.

"Aber die Zeit verging und Zeit kennt nichts so gut wie Veränderung, das wissen wir alle."
"Das wissen wir alle" ist mir wieder zu umgangssprachlich. Der Erzähler dringt an manchen Stellen so unerwartet durch, dass es nicht schön klingt.

"Richtig, sie sterben, weil sie unerfüllt oder enttäuscht werden."
Klingt ebenfalls umgangssprachlich.


Hmm, ja, es ist umgangssprachlich; aber es soll ja gerade immer wieder in Erinnerung rufen, dass dort ein aktiver Erzähler sitzt. Das würde ich schon gerne so lassen, auch wenn ich, wie gesagt verstehe, dass und warum er dich stört.

"Andere scheiterten und die Enttäuschung erstickte sie."
Die Erinnerung erstickte sie kaum, sonst wäre die Protagonistin ziemlich früh dahingeschieden. Vielmehr drohte die Erinnerung sie zu ersticken.


Traumbilder ist das Subjekt hier, auf welches sich die Verben beziehen.

"„Sicher“, ermutigte die Vermummente"
Flüchtigkeitsfehler?


Flüchtigkeitsfehler sind lustig :-)

"mit Beigabe von ein paar nebensächlichen Zusatz- und Farbstoffen, die aber nur die Qualität erhöhen!"
"aber nur" ist unschön. Füllwörter! Darfst du mit gutem Gewissen streichen.


lach, ja, da hat Garfield mich schon drauf hingewiesen; du weißt gar nicht, wie viele unschuldige Füllwörter aus dieser Geschichte schon auf dem Füllwörterfriedhof gelandet sind.
Nein, im Ernst, ich habe daraufhin, die ganze Geschichte daraufhin kontrolliert und nachgeprüft, ob die Füllwörter funktional oder überflüssig sind; Funktionale kann man ja ruhig stehen lassen. Und hier ist ja wörtliche Rede; Im Gesprochenen verwendet man ohnehin viele Füllwörter, insofern ist es legitim, wenn die Traumhexe das auch darf.

"Terralaya schloss in einem solchen zu sein, da das stumme Glas Einblick hinunter auf Nimonolds Reich gab, das sie schnell wieder erkannte."
"Schloss in einem solchen zu sein"? Fehlt da etwas? Ich verstehe den Satz leider nicht [gibt es hier keinen rotanlaufenden Smiley? *lach*]


Das „einem solchen“ bezieht sich auf „Wolkenkratzer“ aus dem vorigen Satz. Hmm, zugegeben, klingt etwas „gestelzt“ der Satz, aber mir fällt gerade nichts besseres ein, also lass ich es, bis sich die richtigen Wörter einschleichen.

"Ich werde wohl über Tatsache, dass ich diese Begegnung auch Entführung nennen könnte"
Flüchtigkeitsfehler: die Tatsache


hihi, ja, besser wär's :-)

"aber die Gelegenheit ergab sich nicht, aber ich glaube die Zeit ist reif, oder nicht?"
Doppeltes Aber. Unschööön.


aye ......

"Terralaya zögerte immer noch. Sie wusste nicht, warum und das war das Schlimmste. Nimonolds Angebot erschien ihr verlockend und richtig und auf der anderen Seite grundlegend falsch. Aber vermutlich hatte er Recht, oder nicht? Es wäre das Beste. Außerdem könnte sie sich dann auch einmal zurücklehnen und hätte nicht immer soviel Arbeit. Trotzdem war es falsch, schrie eine Stimme in ihr."
Nein, oder doch... oder vielleicht... und wenn? Zu viel Hin und Her meines Erachtens nach. Den Zwiespalt auszudrücken ist okay, aber die Umsetzung.... na ja... vielleicht etwas anders als mit dem ganzen Hin und Her.


Ich persönlich finde es legitim, wenn der Zwiespalt entsprechend ausgeschmückt ist, würde ich ungern ändern, aber ja klar, dadurch zieht es sich schon in die Länge.

"In genau dem Moment war Terralaya bereit ihr Land aufzugeben, es in die fortschrittliche, logische Herrschaft ihres Gegenübers zu legen. Sie war am Ende bereit aufzugeben; alles aufzugeben."
Erstens: Mir gefällt die plötzliche Entschlossenheit nicht. Wirkt ziemlich sprunghaft. Zweitens: Du wiederholst den Ausdruck "bereit sein, etwas aufzugeben


Die Wiederholung sollte natürlich eine gewisse Wirkung erzielen ... mal gucken - hmm, ja, ich glaube schon der Erzähler würde das so machen.

"„Ich will dich nie wieder verkaufen oder verleugnen“, versprach sie feierlich und vor Euphorie rannen ihr die Tränen von den Wangen, als wollten sie das Land rein waschen von alledem, was sie in der letzten Zeit von ihm entzweit hatte."
Wieder verkaufen? Sie hat ihr Reich noch nie verkauft. Ansonsten gefällt mir sprachlich das Bild von den Tränen, die das Land rein waschen wollen, sehr.


Doch, doch, sie hat einen Teil an Sonerie verkauft.
Ist sprachlich ungenau: Sie müsste eigentlich sagen: „Ich will nie wieder einen Teil von dir verkaufen.“ Aber in dem Moment, ist es schon legitim, wenn sie einfach aus „übertreibt“, wäre eher unrealistisch, würde sie soweit denken, sprachlich präzise zu sein.

"Warum die Siebte, verehrter Leser? Nun, sieben ist eine magische Zahl und in einem Märchen unter allen Umständen zu berücksichtigen."
Meiner Meinung nach taucht der Erzähler hier aus dem Nichts heraus auf - und ebenso schnell ist er wieder verschwunden.


Der Teil würde mir als Leser bestimmt auch unheimlich nerven; Ich würde schon einmal (im Lyrik Forum) daraufhin gewiesen, dass gerade diese Stelle auch eine Verzögerung ist. Trotzdem mag ich sie (und sie erfüllt ja auch ihren Zweck) :-)

Danke für deine Verbesserungsvorschläge und deine intensive Auseinandersetzung mit dem Text. Insgesamt tut es mir leid, dass ich deinen Wünschen wenig entsprechen kann – zumal ich deine Einwände sehr gut verstehe. Ja, der Text hat „Schwachstellen“, „Fehler“, aber ich finde, davon lebt er.

Alles in Allem war dein Märchen auf jeden Fall eine schöne Abrundung des heutigen Tages. Habe eben "Tintenherz" im Kino gesehen und das war genauso verträumt und fantasievoll wie deine Geschichte.


Das freut mich ;-)

Ganze liebe Grüße,
das Traumi
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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