Horrorgeschichten, Krimis

Mini Krimi (3.Blatt) Severinus

Beitragvon M.C.Bertram » Sa 31 Okt, 2009 16:33


Mißmutig kaut Inspektor Severinus an einem Bleistiftende, merkt was er tut, legt den Stift nieder und greift nach einem Kugelschreiber. Mit roter Tinte markiert er drei Rechtschreibfehler im Text des Berichts, der vor ihm auf dem Schreibtisch liegt, dann fühlt er sich besser.
Um einen verunglückten Sportler geht es, jung, männlich, bis auf die beigebrachte Verletzung gesund. Im Falle einer Straftat lehnen Unfallversicherungen oft die Übernahme von Behandlungskosten ab oder holen sich ihr Geld vom Verursacher zurück. Zur Überführung des Täters bedient man sich gelegentlich der Polizei. Dann fühlt sich Severinus regelmäßig wie der Handlanger eines Versicherungsfritzen. Dieser grau gekleidete Herr Smäcks, der den Bericht verfaßt hat, kommt daher wie das personifizierte Understatement und der Idealbesetzung eines Detektivs sehr nahe. Leider ist ihm dieser Niemand nicht unterstellt, was ihm die Kooperation erschwert. Severinus seufzt und wendet sich wieder dem Bericht zu.
Also dem verletzten Schützen steckt ein Pfeil im Hals. Egal wie dramatisch sich das liest, es sieht nach einem typischen Sportunfall aus. Dergleichen passiert eben. Ein Mitbewohner namens Igor bringt ihm eine Tasche mit Pyjama und Zahnbürste in die Notaufnahme. Als Tatort wird ein Zimmer der WG bezeichnet. Ein weiterer Unfallzeuge namens Toby erscheint und behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben. Nur durch ein Mißgeschick richtete der Angreifer den Pfeil gegen sich selbst.
Severinus gähnt. Für ihn ist das eine Schutzbehauptung.
Wahrscheinlich war es so: Mehrere Bewohner der WG tragen einen Wettkampf aus. Im Eifer des Gefechts gerät ein unvorsichtiger Spieler in die Wurfbahn. Ein Pfeil trifft ihn statt der Zielscheibe. Zutiefst erschrocken legen die Schützen den Verwundeten auf das nächste Sofa und rufen umgehend einen Rettungswagen. Doch solange der Typ ohnmächtig ist, sagt sich Toby, kann alles noch gut werden. Zumindest für ihn und die WG. Soll man sich wegen einer Ungeschicklichkeit die Zukunft kaputt machen? Stirbt der Mitbewohner, steht man als Totschläger da. Dem Tatopfer nützt kein Geständnis mehr.
Aber dann kommt alles anders. Unser Patient überlebt die Operation und wacht auf. Natürlich hat das Krankenhaus eine Unfallmeldung gemacht und Herrn Smäcks eingeschaltet. Noch bevor der Versicherungsdetektiv mit dem Patienten sprechen kann, ereignet sich ein neues Rohheitsdelikt. Toby stattet dem Kameraden einen Krankenbesuch ab. Ihn vorzulassen erweist sich Nachlässigkeit, denn vor dem Bett entwickelt sich ein Handgemenge.
Bedächtig schüttelt der Inspektor den Kopf. Wieso informiert man ihn erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist? Über die Mängel der Spurensicherung will er mal hinwegsehen, denn im OP-Saal liegen die Prioritäten wohl anders. Aber dem Patienten nach dem Eingriff die Tatwaffe zurückzugeben, sozusagen als Andenken, das war grob fahrlässig.
Immerhin beschreibt diesmal ein neutraler Zeuge, wie der Verletzte und der mutmaßliche Täter sich beide gleichzeitig auf das Corpus delicti stürzen: einen scharf geschliffenen handgeschmiedeten Stahlpfeil. Der Patient rutscht aus dem Bett, der Infusionsständer kippt um, eine Flasche Ringerlösung fällt herunter, der Schlauch der Infusion verwickelt sich und die Kanüle reißt aus dem Unterarm des Patienten heraus. Unser Unfallspezialist verliert zum zweitenmal viel Blut und irgendwann auch das Bewußtsein. Seitdem ist die Tatwaffe verschwunden.
Der Fall erscheint klar. Severinus greift zum Telefon, einem staubigen altmodischen Tischmodell, und wählt eine Null vor, um eine Freileitung nach draußen anzumelden. In Gedanken malt er sich voller Neid aus, wie Smäcks lässig sein Blackberry zückt.
“Smäcks!â€
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Re: Mini Krimi (3.Blatt) Severinus

Beitragvon rivus » Do 18 Feb, 2010 10:10


hallo mcb,

nur ein paar gedanken, einlassungen, aufgefallenes:

der dritte teil kann aus meiner sicht nur isoliert als abgeschlossene geschichte bestehen, denn ansonsten würde er zuviel wiederholen u. m. verlaub den leser langweilen.

die erste passage lese ich flott.

"... lehnt die Unfallversicherung die Übernahme von Behandlungskosten"?

"Und lediglich um einen Täter dingfest zu machen, bedient man sich gelegentlich der Polizei." das würde ich anders formulieren oder gar weglassen

"Zum Tathergang vernommen gibt Igor an, erst später hinzugekommen zu sein." das liest sich nicht gut

der dialog setzt die geschichte stringenter fort als in den vorteilen u. ist auch für mich nachvollziehbarer, weil er viele fakten einbaut u. dadurch gehaltvoller wird.

die erzählweise ist aus meiner sicht auch dichter geworden. kritisch empfinde ich die sätze mit erweiterten infinitiv.


grüße, rivus
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Re: Mini Krimi (3.Blatt) Severinus

Beitragvon M.C.Bertram » So 28 Feb, 2010 19:38


Hallo Rivus,
danke, daß du dich der Sache noch einmal angenommen hast.
Korrekturen habe ich soweit umgesetzt. Auf Sätze mit erweitertem Infinitiv werde ich verstärkt achten.
Das ist mein erster Fortsetzungsroman. Vor allem der abgeschmierte dritte Teil wird dem Anspruch nicht gerecht. Hauptsächlich weil er langweilig ist. Weder fügen die Wiederholungen eine neue Sichtweise hinzu, was die Idee war, noch ein reflexives Moment, weil das Thema abgedroschen ist.
Eine gute Fortsetzungsgeschichte zu schreiben ist gar nicht einfach. gruß mcb
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