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Sinnschrift

Beitragvon Struppigel » Di 31 Aug, 2010 11:33


Irgendein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Ich setzte mich auf und horchte. Es klingelte. Ich zwang mich, aufzustehen, lief schlaftrunken in den Flur und hörte Stimmen aus dem Erdgeschoss. Mein Vater hatte bereits die Tür geöffnet. Das Licht an der Treppe brannte. „Wenn sie im Fieber ist, sagt sie nur 'jaja', das hat nichts mit ihrer Schwerhörigkeit zu tun.“ Vater seufzte.

Ich ging zurück ins Bett und hatte Schwierigkeiten einzuschlafen. Im Dimmlicht des Dachgeschosses saß Oma vor mir im Ohren-Sessel. Das Strickzeug hatte sie abgelegt. „Ich muss Dir noch etwas schreiben“, sagte ich. Sie nickte. Dann hatte ich ein Blatt Papier in der Hand. Ich legte es auf den kleinen Küchentisch. Der Füller in meiner Rechten bewegte sich mit Leichtigkeit darüber. Oma wartete auf mich. Hinter ihr zeichneten sich Schatten ab, die nicht ihre waren. Aus dem Kippfenster waren blasse Sterne zu sehen. Als ich mich den letzten Zeilen näherte, zögerte ich.

Mit schmerzendem Kopf stand ich auf. Unten in der Küche saß meine Tante und unterhielt sich lachend mit Vater. Ich griff Stift und Zettel aus der Schublade und setzte mich an den Frühstückstisch dazu. „Willst Du Kaffee?“, fragte Vater. Ich schüttelte den Kopf. „Wir sind heute Nacht angekommen“, erklärte meine Tante überflüssigerweise. Dann lachte sie, so wie sie es immer tat. Ich verstand nicht ganz. Nach ein paar Probelinien stellte ich fest, dass der Kuli kratzte. Ich holte mir alle anderen Kulis aus dem Fach und probierte sie nacheinander aus. Keiner war besser. Ich nahm ein frisches Blatt Papier und starrte es an. Alles, was mir einfiel, war belanglos. Ein Satz aus dem Traum wiederholte sich mehrfach in meinen Gedanken. „Hätte ich schreiben müssen, um Dich am Leben zu erhalten: Ich hätte ewig geschrieben.“ Doch das war gelogen. Ich konnte nicht einmal anfangen.
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Re: Sinnschrift

Beitragvon cube » Mi 01 Sep, 2010 15:03


Hey Struppigel, sehr atmosphärisch, die Sinnschrift, ich hab mich gern in die jeweiligen Situationen versetzt und versucht durch die Augen des Protagonisten zu sehen - der Protagonistin? Ich würd mich da nicht festlegen wollen. Inhaltlich komm ich bei dir mal wieder auf kein klares Ergebnis. :) Er schreibt an seine Großmutter, schreibt im Fieber oder im Traum, vllt im Fiebertraum? Realiter wohl nicht, dafür ist die Szene zu surreal: Dass Oma nachts im Ohrensessel sitzt und strickt, während das Enkelkind ihr einen Brief schreibt. Aber dieser Brief ist wichtig, er hält die Großmutter am Leben, besser gesagt wird sie vom fortgesetzten Schreiben im Leben festgehalten, vom Dialog. Das nimmt der Protagnist (Er, sag ich jetzt mal) an, nimmt es im Fiebertraum an (Fiebertraum, sag ich jetzt mal) und sogar noch am nächsten Morgen. Dort meldet sich... das schlechte Gewissen? Nein. Es ist eine nüchterne Feststellung. Dass er sich selbst oder die Traum-Oma anlog, als er behauptete, dass er zu ihrer Rettung für immer geschrieben hätte. Das wirkt wie ohne besondere Gefühlsbewegung gesagt. Möglich auch, dass er beispielsweise zu viel zu sagen hätte und er aus irgendwelchen Gründen keine Worte findet, oder keinen Anfang. Viel weiter komm ich grad nicht. Na, ich lass das mal so.

Korinthen und Korinthchen:
Mitten in der Nacht hatte es geklingelt. Ich erwachte davon, aber erst das zweite Klingeln konnte ich zuordnen.

Das ist mir für einen persönlichen Erfahrungsbericht, in dem der Prot schlaftrunken dargestellt wird, zu präzise. Dieses "Mitten in der Nacht" hat auch was phrasenhaftes. Und das zweite Klingeln... und zuordnen - das klingt wie ein bewusster Vorgang, in dem der Prot Schubladen aufmacht, wo er dies Klingeln jetzt hineinlegen könne. Ich denke auch, dass du die abgeschlossene Vergangenheit an der Stelle nicht benötigst. Den Einstieg bisschen vereinfachen.
Mein Vater hatte längst die Tür geöffnet.

Der Prot wacht vom zweiten Klingeln auf und läuft gleich ins Treppenhaus. Das ist mir zu wenig Zeit dafür, dass der Vater die Tür längst geöffnet haben soll. Ich dachte spontan an bereits als Substitut.

Wenn sie im Fieber ist, sagt sie nur 'jaja', das hat nichts mit ihrer Schwerhörigkeit zu tun.

Da komm ich inhaltlich schwer ins Schleudern. Schwerhörigkeit ordne ich der Oma zu, das Fieber aber dem Prot. Die gleiche Person wirds wohl nicht sein, also...? Wenn das beabsichtigt war, ists gut gemacht.

Im Dimmlicht des Dachgeschosses saß meine Oma vor mir in ihrem Ohren-Sessel

Das fiel mir öfter auf - die vielen Personalpronomen. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Klar, wessen Oma das ist. Also hier kann meine einfach wegfallen. Im letzten Absatz ist noch eine Ballung, da müsste man bisschen grübeln, wie - ob - man das umgehen kann. ZB. hier
Unten in der Küche saß meine Tante und unterhielt sich lachend mit meinem Vater

Korinthenbombing off/

Hm, jetzt fällt mir auf: im Traum war es ein Füller und die Hand ging mit Leichtigkeit über das Papier. Während in der Realität nur viele kratzende Kulis zu finden waren und keine Worte. Das ist ne starke Symbolik. Kann vllt ein nächster weiterdenken.

Grüße
cube
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Re: Sinnschrift

Beitragvon Struppigel » Mi 01 Sep, 2010 15:48


Hi Cube,

vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich werde das doch glatt umsetzen.

Das ist mir für einen persönlichen Erfahrungsbericht, in dem der Prot schlaftrunken dargestellt wird, zu präzise. Dieses "Mitten in der Nacht" hat auch was phrasenhaftes. Und das zweite Klingeln... und zuordnen - das klingt wie ein bewusster Vorgang, in dem der Prot Schubladen aufmacht, wo er dies Klingeln jetzt hineinlegen könne.

Ich habe an dieser Stelle auch schon eine Weile gehangen, weil sie mir nicht rund erscheint, bin aber bisher zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen.

Vielleicht so: Mitten in der Nacht wachte ich auf. Irgendein Geräusch hatte mich gestört. Es klingelte erneut.

Oder so: Mitten in der Nacht weckte mich irgendein Geräusch. Ich konnte es nicht einordnen. Widerwillig setzte ich mich auf. Es klingelte erneut.

"Mitten in der Nacht" habe ich da allerdings noch drin. Also vielleicht so?
Irgendein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Vielleicht ein Türklingeln. Ich setzte mich widerwillig auf und horchte. Es klingelte erneut.
Da muss ich aber über die Dunkelheit oder anderweitig deutlich machen, dass das mitten in der Nacht stattfand und nicht etwa am Morgen.

Da komm ich inhaltlich schwer ins Schleudern. Schwerhörigkeit ordne ich der Oma zu, das Fieber aber dem Prot. Die gleiche Person wirds wohl nicht sein, also...?

Deine Idee, dass der Protagonist Fieber hat, finde ich wunderbar. Ich hatte die Schwerhörigkeit tatsächlich reingebracht, um zu verdeutlichen, wer Fieber hat. Im dem Sinne ist die Oma sicher sehr stark klischeebehaftet mit ihrem Strickzeug und der Schwerhörigkeit. Das gefällt mir persönlich nicht, ich würde noch gern eine Eigenheit einbringen, die nicht auf jede Oma passt.

Der Prot wacht vom zweiten Klingeln auf und läuft gleich ins Treppenhaus. Das ist mir zu wenig Zeit dafür, dass der Vater die Tür längst geöffnet haben soll. Ich dachte spontan an bereits als Substitut.

Ändere ich.

Das fiel mir öfter auf - die vielen Personalpronomen. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Klar, wessen Oma das ist. Also hier kann meine einfach wegfallen

War mir gar nicht aufgefallen. Danke. Ich streiche ein paar.

Viele Grüße
Struppi
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Re: Sinnschrift

Beitragvon Antibegone » Mi 01 Sep, 2010 16:09


Hallo liebe Struppi :)

Ha! Da hat mir der cube doch jetzt glatt Lust gemacht, dir ein paar Zeilchen zu vermachen.

Ich habe das Gefühl, eigentlich müsste ich deinen Text rückwärts lesen. Ich habe halt auch mal Lust das zu machen. Mal gucken, was bei rum kommt.

Ich hätte eine Art Motivation, nämlich: „Ein am Leben halten durch das Schreiben.“ - das Reden? cube griff ja schon den Dialog auf, gefällt mir gut, man müsste vl noch klären, was das noch bedeuten könnte das Schreiben; es hat ja hier auch etwas sehr Mechanisches, allein durch das Erwähnen des Schreibgerätes, das Kratzen, das es verursacht, hebst du ja den Schreibprozess hervor gegenüber dem sich zu vermittelnden Geschriebenen. „Alles, was mir einfiel, war belanglos.“ Ist es von Belang, was einem einfällt? Es geht ja scheinbar auch in dem Traum nur darum „etwas“ zu schreiben. Oder ist es nicht der Gedanke an etwas von Belang, das diesen Maßstab erst einführt.

„Doch das war gelogen.“ Schreibst du. Das klingt sehr absolut. Zumal lügen… hmm, heißt das nicht auch bewusst etwas zu sagen, von man weiß, es stimmte nicht? Für mich, jedenfalls. Vielleicht kannst du es relativieren. Durch: Doch das war nicht wahr/ stimmte nicht/ dem war nicht so […] Kann man sich halt überlegen. „Ich konnte nicht einmal anfangen.“ Konnte - weil der Schreibprozess in sich scheitert? Oder weil scheitert selbst das Mechanische - sozusagen bedingter Weise - am Schreibprozess an einem eigenen Anspruch?
Okay, das war der nächste Morgen. Aus dem Heraus der Wunsch in den Morgen getragen wurde - hinein in einen Alltag am Frühstückstisch. Du nimmst die Tante sozusagen noch einmal auf, um die Handlung zu rahmen, die ja in der Nacht zuvor klingelte.
Dazwischen setzt du den Traum. Du deutest es ein wenig an; das unscharfe Trennen von Traum/ nächster Morgen… du sagst ja nicht explizit: „Dann schlief ich ein und träumte:“ oder so. Es ist ja schon ein ich sage mal - schnelles Aufeinanderfolgen. Außerdem ziehst ja sowieso „Traumelemente“ in den nächsten Morgen hinein, z.B. indem du diesen Satz: „Ein Satz aus meinem Traum wiederholte sich mehrfach in meinen Gedanken. „Hätte ich schreiben müssen, um Dich am Leben zu erhalten: Ich hätte ewig geschrieben.““ Ja gerade nicht im Traum anbringst, obwohl er ja offensichtlich sich darin ereignete.
Eine Frage: Magst du das nicht noch ein wenig ausbauen? Wäre es nicht schön, wenn sich der Wunsch ewig zu schreiben gleichsam verwischen würde, wie der Prot. Sich das Realisieren vorstellt und, wie es dann aussieht?
Ist nur eine Idee - so baust du es dann ja doch relativ linear auf, allein durch die Absätze kennzeichnest du genau, wo Traum - wo nächster Morgen. Kann ich verstehen. Aber hmm könnte auch spannender sein. Du willst gegenüber stellen, nicht wahr? So könnte es sein - aber so sieht es wirklich aus. Du möchtest beinahe den Kontrast. Aber ich frage mich, ob dieser Kontrast notwendig ist… Manchmal ist es eine Lüge ewig zu schreiben. Genauso wahr aber ist es, dass ewig schreiben möglich ist. „Ewig“ - wäre dann in der Wortbedeutung etwas freier gehandhabt. Nimmst du es rein als chronologischen „Abschnitt“, der nie endet, weil endlos - oder als etwas Gefühltes, Subjektives.

Dann mal auf zum zweiten Abschnitt: „Hinter ihr zeichneten sich Schatten ab, die nicht ihre waren.“ Das weist auf eine Art Bedrohung hin. Ich gehe davon aus, dass das „Leben“ bedroht ist, was ja beim Schreiben „erhalten“ bleiben soll.
„Ich muss Dir noch etwas schreiben“, sagte ich. Gerade in dem Satz zeichnet sich ja die zuvor gestellte Frage ab. Will sie noch etwas mitteilen? Oder will sie etwas Geschriebenes vorzeigen? Interessant ja auch, dass der Prot. Dies anbietet, sich sein „Müssen“ selbst auferlegt. Denn es kam ja überhaupt gar keine Anfrage. Die Oma nickt nur. Ich könnte das auf das „Ja ja“ beziehen, das mit ihrem Fieber und nicht ihrer Schwerhörigkeit zu tun hat (wie der Vater erklärt). Die Frage ist ja auch: Hat dieses „Müssen“ des Prot. Für die zu rettende Person überhaupt eine Bedeutung? Oder denkt der Prot das nur. Ja, vielleicht hätte diese es ja lieber gehabt ein gscheits Gespräch mit dem Prot zu führen (okay ja, dann wäre allerdings offen, ob die Person bei ihrer Schwerhörigkeit dazu im Stande wäre, ne?). Gibt es das „Muss“ überhaupt? Liegt das Scheitern vielleicht schon am Schreiben Wollen in sich?
Vielleicht sollte man den Traum im doppelten Sinne als Traum lesen: Es ist eine Wunschvorstellung durch das Schreiben jemanden am Leben erhalten zu können. Würde es vielleicht dem Prot. Nicht sogar leichter fallen überhaupt irgend“etwas“ zu schreiben, wenn er diese ich sag mal „blöden Traum“ nicht hätte? Auf der anderen Seite… tja, schöner Traum wär’s ne? Darf er denn sein „Muss“, seinen „Anspruch“ nicht haben.

Der erste Abschnitt beginnt mit dem Klingeln. Frage: Meinst du mit „zuordnen können“, dass der Prot. Es als Klingeln erkennt? Wird mir dabei nicht ganz klar. Oder weiß er schon, wer geklingelt hat? Übrigens: Ich finde die Formulierung jetzt nicht „zu unklar“. Wie du sonst schreibst, ist so „klar“ - da ist das richtig schön gegen. - Hätte mich nur interessiert.
Was ich mir sowieso überlegte. Ist die Oma in der Nacht gestorben? Es weist meiner Meinung nach darauf hin, dass sie anscheinend schon im Fieber ist. Und dieses: „Hätte ich schreiben müssen“ -- heißt ja: Er hat nicht geschrieben, er hat sie nicht am Leben erhalten. Also tot. Vielleicht sogar besucht die Tante die Familie, um ihnen sozusagen bei zu stehen. Nur ihr Lachen gefiele mir dann nicht so; obwohl könnte halt auch einfach nur unpassend sein. Oder aber alles liegt schon in weiter Vergangenheit und wird noch einmal „zurück geholt“ sozusagen, fände ich auch nicht schlecht. Find ich sogar gut, dass es offen bleibt (siehe oben). Du hast halt tatsächlich Ansätze für etwas, wo sich etwas „verwischen“ könnte in der Handlung, den Träumen, den Abläufen - warum aber deutest du es nur an?
Ich finde gerade im ersten Absatz merkt man deine „klare Sprache“:
„Mitten in der Nacht hatte es geklingelt. Ich erwachte davon, aber erst das zweite Klingeln konnte ich zuordnen. Ich zwang mich, aufzustehen, lief schlaftrunken in den Flur und hörte Stimmen aus dem Erdgeschoss. Mein Vater hatte längst die Tür geöffnet.“
Es klingelt. Es klingelt zwei Mal. Sie steht auf, läuft in den Flur. Ihr Vater hat die Tür geöffnet.
Das ist hier eine reine Abfolge. Was ja nicht schlimm ist, weil du ja sowieso ein Interesse an einem Handlungsverlauf hast, oder? Aber auch dadurch, dass die Sprache so schlicht ist, fällt es besonders auf. Hört sich fast abgehackt an. Hier ist es fast noch offensichtlicher:
„Das Strickzeug hatte sie abgelegt. […]. Sie nickte. Dann hatte ich ein Blatt Papier in der Hand. Ich legte es auf den kleinen Küchentisch.“ Erst das, dann das, dann das…. Nicht mal ein Nebensatz.
Es fiel mir halt auf. Ich weiß gar nicht, wie ich das finden soll. Kurze Sätze sind ja gefragt, leicht verständlich… vielleicht ist das gut so. Vielleicht finde ich es aber auch langweilig, ich weiß nicht. Es hängt glaube ich an der Frage: Passt es hier? Ich glaube gerade in der Traumszene, wo du auch „bildhafter“ wirst mit den Sternen, den Schatten - könnte man da nicht auch die Sprache etwas mehr „verzieren“? Nun, es ist Geschmackssache, denke ich. Es hört sich für mich halt manchmal nicht sehr schön an, wenn es dann dieses „Abgehackte“ hat.

Eine Kleinigkeit noch zum Schluss:
„Ich holte mir alle anderen Kulis aus dem Schub […]“ Meinst du hier Schublade? Also, ich stolpere über das Wort „Schub“. Wo sagt man das denn so? Ich kenn das so in dem Gebrauch gar nicht.

Insgesamt…. Hm: Ich fand’s schön mal wieder was von dir zu lesen :)

Ein paar Zeilchen also,
von Traumi,
mit lieben Grüßen
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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Re: Sinnschrift

Beitragvon Struppigel » Mi 01 Sep, 2010 16:37


Hallo Traumi,

Dein analytisches Können erstaunt mich immer wieder. Ich glaube, das ist Deine größte Stärke beim Kritikenschreiben. Du siehst jedes Detail.

Ich habe das Gefühl, eigentlich müsste ich deinen Text rückwärts lesen.

Interessant. :D

„Doch das war gelogen.“ Schreibst du. Das klingt sehr absolut. Zumal lügen… hmm, heißt das nicht auch bewusst etwas zu sagen, von man weiß, es stimmte nicht? Für mich, jedenfalls. Vielleicht kannst du es relativieren. Durch: Doch das war nicht wahr/ stimmte nicht/ dem war nicht so

Die Selbstverurteilung des Protagonisten ist Absicht und muss so bestehen bleiben.
Gut erkannt.

Eine Frage: Magst du das nicht noch ein wenig ausbauen?

Nein. Ich liebe es zu komprimieren. Genau darin habe ich auch meine Energie gesteckt.

z.B. indem du diesen Satz: „Ein Satz aus meinem Traum wiederholte sich mehrfach in meinen Gedanken. „Hätte ich schreiben müssen, um Dich am Leben zu erhalten: Ich hätte ewig geschrieben.““ Ja gerade nicht im Traum anbringst, obwohl er ja offensichtlich sich darin ereignete.

Ist auch ein Opfer der Komprimierung.

Du möchtest beinahe den Kontrast.

Ja.
Okay, das war der nächste Morgen. Aus dem Heraus der Wunsch in den Morgen getragen wurde - hinein in einen Alltag am Frühstückstisch. Du nimmst die Tante sozusagen noch einmal auf, um die Handlung zu rahmen, die ja in der Nacht zuvor klingelte.
Dazwischen setzt du den Traum. Du deutest es ein wenig an; das unscharfe Trennen von Traum/ nächster Morgen… du sagst ja nicht explizit: „Dann schlief ich ein und träumte:“ […]
Interessant ja auch, dass der Prot. Dies anbietet, sich sein „Müssen“ selbst auferlegt. Denn es kam ja überhaupt gar keine Anfrage. Die Oma nickt nur.

Das meine ich unter anderem mit analytischen Fähigkeiten.

Frage: Meinst du mit „zuordnen können“, dass der Prot. Es als Klingeln erkennt?

Ja.

Übrigens: Ich finde die Formulierung jetzt nicht „zu unklar“. Wie du sonst schreibst, ist so „klar“ - da ist das richtig schön gegen.

Achso? Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

Vielleicht sogar besucht die Tante die Familie, um ihnen sozusagen bei zu stehen. Nur ihr Lachen gefiele mir dann nicht so; obwohl könnte halt auch einfach nur unpassend sein.

Dass es unpassend ist, findet auch der Prot. so.

Es fiel mir halt auf. Ich weiß gar nicht, wie ich das finden soll. Kurze Sätze sind ja gefragt, leicht verständlich… vielleicht ist das gut so. Vielleicht finde ich es aber auch langweilig, ich weiß nicht.
:D
Ich schätze, da geraten unsere Geschmäcker aneinander.
Ich glaube gerade in der Traumszene, wo du auch „bildhafter“ wirst mit den Sternen, den Schatten - könnte man da nicht auch die Sprache etwas mehr „verzieren“?

Man könnte, aber ich denke nicht, dass ich das umsetzen werde. Vielleicht nur mal zum Probieren wie es wirkt. Der Rest muss schon so abgehackt bleiben, darum passt es vielleicht nicht.

„Ich holte mir alle anderen Kulis aus dem Schub […]“ Meinst du hier Schublade? Also, ich stolpere über das Wort „Schub“. Wo sagt man das denn so? Ich kenn das so in dem Gebrauch gar nicht.

Öh. Sachsen (da wohne ich)? Brandenburg(da komme ich her)? Ich weiß nicht, für mich ist das Wort Normalität. Ich dachte gar nicht daran, dass es jemand nicht kennen könnte. Solte es vielleicht ändern, aber – uh, kennst Du noch eine Alternative zum Wort "Schublade"?

Ein paar Zeilchen also

Uiui. Wenn das nur Zeilchen sind, was sind dann Zeilen?

Vielen Dank, Traumi.

Liebe Grüße ebenfalls
Struppi
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Re: Sinnschrift

Beitragvon Antibegone » Mi 01 Sep, 2010 17:04


hey Struppi :)

Ja, ich dachte mir schon, dass die Schreibweise bei dir gestalterische Absicht ist; darum vermied ich es ja, zu sagen, es sei unpassend.

Man könnte, aber ich denke nicht, dass ich das umsetzen werde. Vielleicht nur mal zum Probieren wie es wirkt. Der Rest muss schon so abgehackt bleiben, darum passt es vielleicht nicht.


Ja, probiers einfach mal :)
Kann natürlich der größte Schrott bei Rauskommen - aber na ja, mir macht Rumprobieren halt auch Spaß. Ich mag auch gerne dazu anstiften, mal Sachen auszuprobieren (darum sprach ich es überhaupt an, denn in dem Sinne ein "negativer Kritikpunkt" sollte das nicht werden)

Nein. Ich liebe es zu komprimieren. Genau darin habe ich auch meine Energie gesteckt


Ist auf jeden Fall eine deiner Stärken ;) Für so einen kleinen Text steckt ja auch einiges drin. Nur: An der Stelle meinte ich es anders. Nicht ausbauen als "quantitativ" ausbauen (verlängern), sondern nur das, was sowieso schon angedeutet ist, intensivieren. Hast du eine Ahnung, was ich meine?
Du kontrastierst, ja, aber du leitest auch über von Nacht zu Traum zu nächster Morgen. Diese Verbindungslinien könntest du so to say nachzeichnen.
(Also auch nur eine Idee und auch nur, weil es sowieso schon darin steckt) Ein Beispiel. Du schreibst schon im Traum von dem Küchentisch, obwohl man das ja nicht erwartet in einem Dachgeschossraum, in dem ein Ohrensessel steht. Die Überleitung besteht ja darin, dass der Prot. am nächsten Morgen in die Küche kommt und dort schreibt. Fast eine Kontinuität des Schreibens vom Traum hinüber in den Morgen --Unterbrochen wird das z.B. durch "Mit schmerzendem Kopf stand ich auf." Wenn ich das wegließe, ginge es auch, oder?

aber – uh, kennst Du noch eine Alternative zum Wort "Schublade"?


uh. äh. hm. du könntest einfach Kommode schreiben. Oder Fach. Fällt mir auch nichts Besseres ein....

Uiui. Wenn das nur Zeilchen sind, was sind dann Zeilen?


haha. Willst du gar nicht wissen, was das für Ausmaße bei mir hat, lach.
Nein. Ich schrieb das oben, weil ich dachte, ich schrieb einfach einen kurzen Absatz dazu. Und dann fiel mir am Ende auf: Hm, ist wohl nichts draus geworden. Das wollte mal Selbstironie werden - obwohl: Als wirkliche "Zeilen eines Aufsatzes" würde ich es auch nicht bezeichnen, dagegen sind es ja wirklich nur "Zeilchen".

Hm, was mir noch einfiel... du schreibst ja zu großen Teilen auch über das Schreiben. Das ist wichtig, allein für die Selbstreflexion des Schreibers. Aber ich frage mich manchmal, ob das nicht so etwas ist, womit sich der Schreiber exklusiv macht - und seinen Text auf eine Abstraktion (über das Schreiben) hebt, weil er keinen Gegenstand (klassisch ne: Darüber schreiben, dass es nichts zu schreiben gibt) mehr findet...
wie stehst du dazu? Würde mich mal interessieren - (Ob meine Überlegung dazu überhaupt greift)

Frohes Weiterschreiben wünscht,
Traumi
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Re: Sinnschrift

Beitragvon cube » Mi 01 Sep, 2010 21:54


Ahoi miteinander!
Irgendein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Vielleicht ein Türklingeln. Ich setzte mich widerwillig auf und horchte. Es klingelte erneut.
Da muss ich aber über die Dunkelheit oder anderweitig deutlich machen, dass das mitten in der Nacht stattfand und nicht etwa am Morgen.


Die Variante gefällt mir am besten. Widerwillig würd ich draußen lassen, weil das für mich schon drin steckt, wenn jemand aus dem Schlaf gerissen wird. Und klingelte erneut ... klingt für mich, als würde sich das mit "irgendein Geräusch" beißen.

Ein Vorschlag:

Ein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Auf dem Wecker sah ich, dass es kurz nach zwölf war. Gespannt horchte ich in die Nacht. Da klingelte es - jemand war an der Tür.

Deine Idee, dass der Protagonist Fieber hat, finde ich wunderbar.


Oh, danke. Aber dass mit dem Fieber die Oma gemeint ist, darauf hätt ich kommen sollen. =)

Ich kam drauf, weil er erstens bereits im Bett ist, als die Tante klingelt (als müsste er sich auskurieren, kann aber auch auf einen jungen Prot deuten), zweitens wegen dieser sehr plastischen Traumsequenz. So ausgestaltet kenn ich Träume eigentlich nur, wenn ich Fieber hatte. Und drittens wegen der ersten Sätze des zweiten Absatzes.
Ich ging zurück ins Bett und hatte Schwierigkeiten einzuschlafen. Im Dimmlicht des Dachgeschosses saß Oma vor mir im Ohren-Sessel.

Also da bräuchte man vllt doch eine kleine Verlängerung ;) , etwas, das den Übergang vom Wachen zum Schlafen verdeutlicht oder wenigstens andeutet. Mglw lese ich grad übergenau und andere, wie Traumi bspw, haben da keine Probleme, zuzuordnen wer Fieber hat und was genau geschieht. Aber mir ist der Sprung zu groß, zu abrupt. So wie es da steht, hat der Prot erstmal nur Probleme mit dem Einschlafen, er schläft noch nicht.

So weit, so kurz.

Viele Grüße
cube
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Re: Sinnschrift

Beitragvon Struppigel » Do 02 Sep, 2010 10:18


Hi Traumi,

Nicht ausbauen als "quantitativ" ausbauen (verlängern), sondern nur das, was sowieso schon angedeutet ist, intensivieren. Hast du eine Ahnung, was ich meine?

Ja, jetzt weiß ichs. Vielleicht setz ich mich nachher mal hin, das auszuprobieren.

Hm, was mir noch einfiel... du schreibst ja zu großen Teilen auch über das Schreiben. Das ist wichtig, allein für die Selbstreflexion des Schreibers. Aber ich frage mich manchmal, ob das nicht so etwas ist, womit sich der Schreiber exklusiv macht - und seinen Text auf eine Abstraktion (über das Schreiben) hebt, weil er keinen Gegenstand (klassisch ne: Darüber schreiben, dass es nichts zu schreiben gibt) mehr findet...
wie stehst du dazu? Würde mich mal interessieren - (Ob meine Überlegung dazu überhaupt greift)

Mh, ich glaube, ich schreibe nicht viel über das Schreiben. Meistens finde ich das eher doof.
Diese Geschichte hier fällt jedenfalls nicht da rein. Der Protagonist schreibt ja keine Literatur, sondern will nur etwas mitteilen.
Ich denke, man sollte es mit diesen gut sichtbaren Selbstreflexionen nicht übertreiben. Ich mag es auch nicht, wenn sich Leute ständig nur selbst malen/zeichnen/fotografieren (z.B. Edvard Munch). Es wirkt so egozentrisch (ich sage bewusst nicht egoistisch), so untinteressiert am Leben der anderen. Und ja, wenn stets das eigene Schaffen reflektiert wird, wirkt es auch ideenlos und unkreativ. Irgendwo habe ich auch mal den Satz gehört: Man könne keine gute Literatur schaffen, wenn man nicht an den Menschen interessiert ist. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es erinnert mich an das Kunstschaffen Adolf Hitlers, welcher wohl von der Wiener Kunstakademie abgelehnt wurde, weil seine technisch sehr guten Werke zu steril seien.
Wie stehst Du zu Deiner Frage?

____________________________________

Hi Cube,

Die Variante gefällt mir am besten. Widerwillig würd ich draußen lassen, weil das für mich schon drin steckt,

Ja, danke. Dass widerwillig sich ergibt, stimmt natürlich.
Ein Vorschlag:

Ein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Auf dem Wecker sah ich, dass es kurz nach zwölf war. Gespannt horchte ich in die Nacht. Da klingelte es - jemand war an der Tür.

Diese Variante von Dir ist wesentlich gefühlvoller und belebter als es mein Text ist. Vielleicht wirkt sie darum einzeln genommen besser, aber ich möchte den nüchternen Ton behalten. Danke für den Vorschlag.

Also da bräuchte man vllt doch eine kleine Verlängerung ;) , etwas, das den Übergang vom Wachen zum Schlafen verdeutlicht oder wenigstens andeutet.

Damit gehst Du genau den gegenteiligen Weg, den Traumi vorschlägt. Traumi will Realität und Traum noch mehr verquicken, so dass kaum mehr ersichtlich ist, was real ist und was nicht. Du willst eine deutlichere Abgrenzung, indem der Traum diffuser und ein Übergang in die Traumwelt stattfindet. Ich denke, ich werde hier weder den einen noch den anderen Weg einschlagen.
Vielleicht kennst Du das ein bisschen: Man merkt ja nicht, wie man einschläft. Mir geht es jedenfalls so, dass ich mich oft recht plötzlich im Traum wiederfinde. Noch dazu ist die Geschichte generell gerafft, so dass es ihr meines Erachtens nicht widerspricht, hier keinen Übergang zu gestalten. Dass der Traum des Protagonisten so plastisch ist, liegt auch daran, dass er besonders wichtig und darum gut zu erinnern ist. Aber ich kann nachvollziehen, dass man das auch als Fiebertraum betrachten kann.

Liebe Grüße
Struppi
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