Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

Les vers blancs

Beitragvon Drehrassel » So 07 Feb, 2010 00:36


ich saß bei meiner tasse heißem wasser
und linste durch der fenster schlierenwerk
da sah ich ein kaninchen kruscheln und
im trocknen busch mit toten vögeln spielen

nun muss man sich nicht allzu vieles denken
vielleicht nur dies: der winter war recht *
und wer ihn überlebt hat, kann sich freuen
der kann - wenn ihm so ist - was unternehmen

auch wenn es kaum be* zu haben scheint.


- - -
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** lang[/size]
dreimal selig, wer einen namen einführt ins lied!
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Re: Les vers blancs

Beitragvon Anna Lyse » So 07 Feb, 2010 14:13


hi dreh,

den text habe ich heute morgen um ca. 5 uhr das erste mal gelesen und dachte mir - was für ein toller text, da braucht man ja nicht viel zu schreiben ausser man will dir wieder mal den honig i.v. eintröpfeln.
jetzt habe ich mir den text nocheinmal durchgelesen, und find ein paar sachen überhaupt nicht mehr gut, da kommt die frage auf : hab ich das heute morgen überlesen oder hast du es noch nachträglich geändert?

ich saß bei meiner tasse heißem wasser
und linste durch der fenster schlierenwerk
da sah ich ein kaninchen kruscheln und
im trocknen busch mit toten vögeln spielen


schöner anfang auch die tasse mit heißem wasser gefällt, denn man wäre nur angeödet wenn man hier den einstieg mit kaffee, tee oder sonstwas lesen würde, heißes wasser kann alles sein oder auch nichts und so wird schon zu beginn ein nichts oder ein fehlen suggeriert. z2 auch gut doch dann obwohl es mir super gut gefälllt dass auf einmal ein kaninchen ins spiel kommt, so hätte ich schwören können dort stand heute morgen "kuscheln" und nicht "kruscheln". ich find kruscheln ist ungewöhnlich, zwar nicht schlecht aber doch fällt es beim aussprechen aus dem rahmen. es wirkt ziemlich hart wenn man das mal in verbindung mit dem hasen sieht. ob "kuscheln" nicht zu viel des guten wäre und du es deshalb vielleicht geändert hast, das sei mal dahingestellt :D
die letzte zeile gefällt, hier taucht erstmals so ein bisschen traurigkeit oder whatever auf, kann das nicht genau sagen auf alle fälle ist das bild der toten vögel nicht gerade alltäglich und wenn man will so kann man dies als metapher für alles mögliche sehen, genauso wie der hase der ja quicklebendig ist und mit totem spielt.

bei der zweiten hier (mit dazugehöriger allerletzter zeile):

nun muss man sich nicht allzu vieles denken
vielleicht nur dies: der winter war recht *
und wer ihn überlebt hat, kann sich freuen
der kann - wenn ihm so ist - was unternehmen

auch wenn es kaum be* zu haben scheint.


hab ich mich gefragt ob du uns verarschen willst. auch hier bin ich mir sicher dass die sternchen mit darunterliegender bedeutung noch nicht da waren heute morgen. frag mich warum du das so geschrieben hast. ein trieb gegen die langweile? reisst du hier die öde ein? weil ich fands gar nicht öd, ganz im gegenteil so ein quatsch mit den sternchen find ich einfach nur fragwürdig. falls du damit nicht noch ein ziel verfolgt hast ausser die wörter hübsch zu kürzen oder hier auf ein wortspiel hinzuweisen welches mir nicht gerade voll den kick! gibt, dann würde ich das ganz gerne wissen, auch wenn du mir sonst nichts verraten würdest, dann doch bitte das :D
würde wenn dann, die erklärung weglassen und es einfach abgekürzt lassen, ist doch egal obs jemand kapiert oder nicht. oder auch das wort einfach ausschreiben.

ansonsten gefällt mir die zweite strophe gut, denn sie lässt den leser einen kurzen moment erahnen was das lyr.ich wohl für stimmungen im winter hält und und vielleicht sogar eine sehnsucht. die zeile mit " und wer ihn überlebt hat, kann sich freuen" erachte ich als ziemlich elementar, denn es schwingt keine freude mit und wenn auch die erste strophe unreflektiert spielerisch wirkt so ist hier schon fast als ob denjenigen die überlebt haben keine trophäe überreicht wird, sondern nur die aussicht doch was unternehmen (hier kommt es auf den anfang mit dem hasen und den toten vögeln zurück) zu können, wenn man so will. oder es zu lassen und da ist die frage hier, lebt man denn, selbst wenn man scheinbar "überlebt" hat?

insgesamt gabs halt ein paar kleinigkeiten, doch ansonsten hattest bei mir eh schon fast gewonnen mit dem kaninchen und den toten vögeln. fast ;)

gruß,
isa
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Re: Les vers blancs

Beitragvon Drehrassel » Mo 08 Feb, 2010 21:17


hallo isa,

das ganze gedicht ist - wie immer in meinen gedichten - konzeptionell angelegt. das darfst du dir nicht so vorstellen, als zöge ich beliebig irgendeine form heran und versuchte sie mehr schlecht als recht zu erfüllen. in diesem fall ging es mir um zweierlei: 1. implikative allegorie und 2. persiflage von gedanken- und erlebnislyrik. um programmpunkt 1. zu bewältigen, situierte ich das textaussagesubjekt (das ich) durch doppelte nennung im ersten textabschnitt hinter ein mit schlieren bemustertes - verschmutztes - fenster, gab ihm eine gemütliche, stinkfurz-gemütliche tasse heißen wassers zur hand und machte es zum beobachter einer szene außerhalb der "eigenen vier wände". was spielt sich ab? in einer spätwinterlichen/frühfrühlingshaften (:D ) umgebung werden wieder einmal (lesetipp:"stimmfühlungsrufe") fauna und flora miteinander in beziehung gebracht. die pflanzenwelt ist schnell erledigt. es handelt sich um einen "trocknen busch". karger kann er, sowohl sprachlich als auch bildtechnisch kaum ausfallen, der rahmen der "handlung". die gruppe der "interagierenden" tiere sind: ein "kruschelndes" kaninchen und eine unbekannte zahl an... toten vögeln. selbstverständlich bezieht sich das später im text genannte "unternehmen" genau darauf! ... halt! oder auf das beobachten dieses eigenartigen "spiels", treibens. beides scheint, so will man meinen, "keinen belang" zu haben. trotzdem wird es zum gegenstand des gedichtes gemacht. wieso? gute frage. hierin liegt eine der pointen des texts. außerdem! "kein belang"... cute und schön... ist das aber nicht immer eine frage der relation? der perspektive? kann etwas überhaupt an sich einfach keinen belang haben? ist es nicht eher so, dass man, wenn man von "belang" spricht, immer auch sagen muss: keinen belang für wen? keinen belang aus welchem grund?

durch diese perspektive gewinnt das gedicht direkt nachdem das ich im ersten vers es sich mit seiner "tasse heißem wasser" hinter (oder vor, wie man will) dem fenster hübsch gemütlich gemacht hat, im folgenden vers eine neue dimension. alles was nun wichtig wird für das eigentliche sujet (aber IST es das eigentliche?) spielt sich ab in einem neuen raum. es ist in die sphäre des rein kontemplativen verlegt. ein schauspiel, in welches kein eingriff seitens des ich erfolgt. distanz des beobachters. eines beobachtungs-süchtigen beaobachters. wenn auch vielleicht ebenso: melancholischen. (hier schwingen mit einige bekannten verse aus der literaturgeschichte, vor allem aus der deutschen romantik. eichendorff etwa wäre zu nennen, der in einem seiner bekanntesten gedichte einmal ein ich aus dem ruhigen friedlich harmonischen haus-halt einer soliden existenz heraus eine gruppe vorbei ziehender gesellen wehmütig nachschauen lässt). - diese topoi werden hier collagiert. stillschweigend vorausgesetzt. ironisiert.

diese wirkung wird noch verstärkt. und das bringt mich zu programmpunkt 2. nämlich durch den grundsätzlichen sprachlichen gestus: die leiernde metrik des 5-hebigen, ungereimten jambus (blankvers / vers blanc), den satzbau mit allerlei überflüssigen füllwörtern, phrasenhafter ausdrucksweise und überhaupt lächerlichem tonfall, der sich im zweiten sinnabschnitt, in welchem das ich spurlos verschwunden ist, aber auch das kaninchen, der busch und die vögel, und in welchhem hemmungslos räsonniert wird und das im gestus einer karikatur von einem gedankenlyriker. die sentenzen mögen an sich nicht unbedenklich sein. cute! aber wie bitteschön drückt es sich aus? dieses nicht mehr vorhandene ich? oder soll das jetzt etwa der autor selbst sein? umgotteswillen! was ist mit drehrassel los?! spricht drehrassel etwa so unfreiwillig komisch? "nun muss man sich nicht allzu vieles... vielleicht nur dies..." --- aber... das wäre ja... nein! das kann nicht sein! nicht einmal drehrassel würde so... oder? *lach*


zu deinen fragen bezüglich meiner bearbeitung: "kruscheln" habe ich nicht neu hinzugefügt, bzw. es aus etwa "kuscheln" abgeleitet. es stand schon in der erstfassung so da. / die "fragwürdige" veraschungs-aktion mit den sternchen... tja. da es sich hier um die wiederholung einer identischen silbe handelt, habe ich mir den spaß erlaubt, den leser während des lesens fernzusteuern; ihn zwei mal im lesefluss zu unterbrechen, nur um ihn nachschauen zu lassen, dass... moment! der winter recht... was denn? oha! okay! "lang" war und dann später alles dies aber kaum einen be... hä?! was isn das schon wieder? na gut, mal schaun, was da hinzu gelesen werden soll! zzz! - ah, okay, "lang" - zu haben scheint. dieses zweimalige kopfsenken und -wiederheben, bzw. augenauf- und niederschlagen, mit dem dazugehörigen enttäuschungs- und verarschtfühlungspotential gefiel mir als gag ganz cute. darum machte ich das mal. -
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Re: Les vers blancs

Beitragvon Ruelfig » Mo 08 Feb, 2010 21:27


Hallo Rassel,
ich mag dein Dingens. Zunächst ist es nicht verschwindibus und daher präsent und als solches: da ist höchstens homöopathisch ein LIRICH auszumachen und wenn, ist auch egal, weil, da passiert auch sonst nix. Konkrete Poesie im Vers Libre, beinahe reine Beschreibung ohne Deutungsmöglichkeit.
Trotzdem Änderungsvorschlag:

bei einer tasse heißen wassers
durch der fenster schlierenwerk:
ein kaninchen kruschelnd und
im busch mit toten vögeln spielt.

Ja, ja, ich weiß, dann wäre das Schema Fratze, aber gerade mit S2 ist das dann wieder schietegol, oder?
Aber egal, mir sagt es auch so zu.
LG,
R
Ps: nur Text gelesen, keine Kommentare. So verzeihe bitte ggfallses Dobbelposting.
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Re: Les vers blancs

Beitragvon Drehrassel » Di 09 Feb, 2010 12:05


edit: ruelfig ich habe dir überhaupt nicht "zu gehört", wie ich eben feststelle. auf diese weise verscherzt man sich noch das leserinteresse und kommentare. entschuldige bitte. deine idee ist an sich ganz interessant. ich muss mir da mal gedanken drüber machen. gut, ich denke, dein vorschlag ist ja auch nur als mal eben so ein beispiel gedacht, wie es aussehen könnte; rumspielen kann man an so etwas natürlich immer, klar...

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