Beschreibung von Natur und Umwelt

aufwürfeln, gerinnen

Beitragvon Friederich » So 31 Okt, 2010 11:23


bis zum spielzeugkran, zu dem platanenwipfel,
brückenstau und hügelbauten würfeln
und zum rand hin langsam stauen;
bis zu kurzlebigem blau über dem knorrigen
einer allee schwemmt der oktober noch einmal farbe an.

rollerfahrer balancieren durch die mitte immer wieder
neuen staus, ganz vorne zu stehen und
manchmal
ist es kurz still.

wenn das schauspiel sich dann langsam legt
sind die farben irgendwann
in ein paar punkte geronnen, wartende
tupfen atemhalt.
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

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Antibegone (Mi 11 Mai, 2011 08:26)
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Aw: aufwürfeln, gerinnen

Beitragvon Antibegone » Mo 01 Nov, 2010 12:33


Lieber Friederich,

Ein Potpourri aus Farben, Eindrücken: Ein Kind, das mit einer Stadt spielt, wie mit einer Set Bauklötzen, es „baut“ mit „Würfeln“ neue „Würfel“ („aufwürfeln“ als „Würfel auf „Würfel“), in einer Dichte zusammengesetzt, dass es sich „staut“. Dabei gibt sich der Schöpfer (das Kind, was ich hier einsetzte) selbst als Element der zu „bauenden“ Welt zu Erkennen, indem sein Werkzeug der „spielzeugkran“ in die Beschreibung wie selbstverständlich mit eingereiht wird.
„Rollerfahrer“ bilden die bewegte „Mitte“ deiner Architektur, gleichsam störendes und aufhebendes „Bauteil“, sich den „neuen staus“ entziehend und sich hindurch windend, bis sie „ganz vorne stehen“ an der Ampel - Ampelfarbenes Laub. „Tupfen (atem)halt“, davor die „Wartenden“, vor den „geronnenen Punkten“ in gelb, in rot, in grün wartend. Eine Verschmelzung des Organisch-Schöpferischen und Architektonisch-Künstlichen. Die Architektur, schon im Titel, „aufwürfeln, gerinnen“, gibt die innere Achse zu erkennen, an der es sich „staut“, an der sich „Platanen“ und „Würfelbauten“ reihen dürfen ohne sich gegeneinander abzuheben.

Die Frage, ob die Kunst in dem durch die Phantasie eines Genies „Künstlich Geschaffenen“ läge oder in der Natur selbst, sodass nur eine getreue Abbildung ihr gerecht würde, jede idealistische, phantastische Stilisierung eitel sein muss. Du löst die alternative Fragestellung in sich auf.

Ich hätte noch ein paar Anmerkungen, zu einzelnen Versen. Du wirst genauer, präziser, ich erkenne ein innere Stringenz. Trotzdem sehe ich noch einige Wörter, die nur „füllen“, die verwischen und austauschbar sind. Ich habe mir mal die Freiheit genommen und habe sie äh… durchgestrichen. Wenn du Lust hast, lies dir das Gedicht mal ohne sie vor, nur um zu gucken, wie es wirkt. Ich möchte dich nicht davon überzeugen oder damit etwas an deinem Gedicht entwerten (Durchstreichen hat ja fast etwas Gewaltsames, aber ich will nicht gewaltsam sein). Es ist nicht einmal ein Vorschlag. Keine „Verbesserung“. Ich möchte nur, dass du, wenn du es magst, einen Eindruck gewinnst, wie es so aussehen könnte.

aufwürfeln, gerinnen

bis zum spielzeugkran, zu dem platanenwipfel,
brückenstau und hügelbauten würfeln
und zum rand hin [strike]langsam[/strike] stauen;
bis zu kurzlebigem blau über dem knorrigen
einer allee [strike]schwemmt der oktober noch einmal farbe an. [/strike]

rollerfahrer balancieren durch die mitte [strike]immer wieder [/strike]
neuen staus, ganz vorne zu stehen und
manchmal
ist es kurz still.

[strike]wenn das schauspiel sich dann langsam legt
sind die farben irgendwann[/strike]
in ein paar punkte geronnen, wartende
tupfen atemhalt.

(In Farbig Wiederholungen. Würde ich nicht unbedingt negativ kritisieren; kann auch Absicht sagen, wollte es auch hier nur aufzeigen. Bei dem manchmal/ ist es kurz still. Kann man sich streiten, ob das nicht irgendwie "platt" ist, aber mir scheint, der "Stilleeffekt" ist durchaus gut platziert, vielleicht wäre nur die Umsetzung überdenkenswürdig... ist halt Geschmackssache.
bei rollerfahrer balancieren durch die mitte (immer wieder)/ neuen staus [...] hab ich überlegt, ob es grammatisch nicht "neuer staus" heißen muss, aber ich war mir nicht sicher, ob du es überhaupt "korrekt" haben wolltest.)

Hat mich gefreut, mal wieder etwas von dir zu lesen. Hat mich gefreut, dies von dir zu lesen :)

Herzliche Grüße und einen schönen Herbsttag,
Deine Traumi
Drehrassel: "Als Lyriker sollte man eine ahnende Checkung haben, von dem, was man da macht."
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Aw: aufwürfeln, gerinnen

Beitragvon Friederich » Mi 03 Nov, 2010 23:31


Liebe Traumi,

vielen Dank für deinen so ausführlichen Kommentar. Du schaffst es wunderbar, gleichzeitig zu interpretieren, zu loben und zu kritisieren. FürDanke dafür!

Vor allem deine Interpretation hat es mir sehr angetan, denn sie erweitert meine eigene Sicht auf das Gedicht, vor allem die Integration von Bildern zu einem Konzept oder eher der Transport einer Bildebene auf eine andere (man kann den Spielzeugkran als Metapher auf einer eher konkreten oder eher abstrakten Ebene sehen).

Mit den Anmerkungen zu den "füllenden Wörtern" hast du ins Schwarze getroffen, ich weiß jetzt noch besser, was du meinst. Mal schauen, ob es mir gelingt, weiter noch präziser zu werden und dabei auch vage Dinge wie die Zeit beschreiben zu können. Eine Herausforderung!

Viele Grüße,
Friederich
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Aw: aufwürfeln, gerinnen

Beitragvon Perry » Mo 29 Nov, 2010 23:59


Hallo Friederich,
ein herbstliches Anschwemmen von Farben gegen den Alltag, ein Aufwerfen/Auswürfeln von Fragen und Antworten die letzlich zu Punkten gerinnen.
So lese ich einen Text, der mir zwar etwas zu sperrig erscheint für Herbstmelancholie, aber das sollte wohl auch so sein.
LG
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Aw: aufwürfeln, gerinnen

Beitragvon Friederich » Mi 01 Dez, 2010 18:16


Hallo Perry,

danke für deine Interpretation und das Eingehen auf die Farben und die Sperrigkeit, die, naja zum Teil, wirklich gewollt ist.

Grüße,
Friederich
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