Alle Gedichte, die in keine andere Kategorie passen

Service terminé

Beitragvon Friederich » Mo 10 Jan, 2011 23:16


Um verzerrte Bahnhofsansagen herum
gewickelte Gitarrensounds und dann
ein Saxophon, das vom Zugende her
drängt, ein Konzert mit Eintrittsgeld.

Im zehnten Stock flackern Fernseher
und Spätprogramm: eine Nacht
der letzten Tram. Service terminé.

Ein altes Paar schaut nach vorne
und biegt in ein Haus ein. Die Nacht
entwirft die Skizze früher Stunden,
legt einen Blauton darauf.
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Anna Lyse » Fr 14 Jan, 2011 12:23


hey friederich,

in letzter zeit lese ich sehr viele still leben von dir, als ob du unter die maler gegangen wärst und deinem gemälde mit buchstaben aushelfen würdest. mich erreicht immer dieser hauch von frankreich, so ein bisschen wehmütig, oftmals aber schon ziemlich abgenutzt.
hier finde ich hast du noch ein gutes maß gefunden, denn es liest sich nicht verbraucht.

die erste strophe hat mich ein wenig enttäuscht denn ich dachte nicht auf ein "uns" zu stoßen. und doch, anscheinend war es von nöten oder hätte man die strophe auch irgendwie anders schreiben können? sodass womöglich "uns" nicht gebraucht würde? es wirkt zwar wie eine art hinweis, da es nur einmal während des ganzen textes fällt, stört aber kurzzeitig alles.

also hab ich einfach weitergelesen und mir ist aufgefallen dass die zweite strophe wie ne leere hülle wirkt. so scheinbar, wie der schein der gar nicht exisitiert weil er offensichtlich eine täuschung ist...so dumpf. herrgott (falls es dich gibt), ich wünschte ich könnte es eigenhändig mit meinem geilen schweizer taschenmesser aus dem gedicht schneiden :D wie elitär das wirkt, wenn man in der ersten strophe noch nichts dergleichen dachte.

und als ob du es gewusst hättest...hast du und ich unterstelle dir absicht, die letzte strophe so gedreht dass von dem ganzen elitären mist und "UNS" nichts übrig bleibt. nein die letzte strophe ist total konträr und mit dem hauch einer geistigen krankheit versehen. nicht falsch verstehen, mir gefällt die strophe von allen am besten. sie ist dir am besten gelungen, sag ich mal so. und auch wenn ich mir die letzte zeile bzw. die vorletzte sowie letzte ein paar mal durchlese " Nachts
kann man beim Gehen in den Himmel schauen,
sich nicht zu verirren. "
und ich mich frage wieviel absicht hinter dem wirren berg steckt, hab ich es aber auch schon genauso schnell wieder zur seite gelegt.

mein fazit lieber friederich: dieser text ist perfket zusammengefügt und wirkt wie ein plastinat. man kann hindurchsehen bis ich nicht mehr weiss was ich da eigentlich gerade angeschaut habe :)

ich wünsch dir was! und liebste grüße.

isa
.
Benutzeravatar
Anna Lyse
Moderator a.D.
Moderator a.D.
 
Beiträge: 638
Registriert: So 08 Nov, 2009 20:13
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Friederich » Fr 14 Jan, 2011 13:27


Hey Isa,

danke dir für deinen Kommentar :-) Ich muss sagen ich stehe mit der Selbtkritik an dem Text auch zwischen deinem Fazit und deiner konkreten Kritik an den einzelnen Strophen. Vor allem die Kritik an dem "uns" kann ich gut nachvollziehen und werde die Stelle gleich ändern. Was ich nicht ganz verstehe ist, was du an der zweiten Strophe so elitär findest? Den französischen Einschub?

Und ich muss sagen am Ende wollte ich genau das machen, was du schön herausgelesen hast, was mich sehr freut: eine Skizze versuchen. Der Eindruck von Verwirrung sollte allerdings weniger entstehen, daher mache ich mir über die Stelle auch noch einmal Gedanken. Es ging mir eher um die ungewohnte Leere einer Stadt, die es möglich macht, den Blick vom Überleben auf den Straßen zu den weiter entfernten Fragen zu wenden, symbolisiert durch den Himmel.

Liebe Grüße,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Anna Lyse » Fr 14 Jan, 2011 21:42


hey nochmal,

Was ich nicht ganz verstehe ist, was du an der zweiten Strophe so elitär findest? Den französischen Einschub?


weiss ich auch nicht. vielleicht das französische ja, vielleicht aber auch nicht. macht einfach den eindruck als ob ein künstler nen affektierten anfall bekommt, während die besucher seine bilder begaffen :D

liebe grüße,
isa
.
Benutzeravatar
Anna Lyse
Moderator a.D.
Moderator a.D.
 
Beiträge: 638
Registriert: So 08 Nov, 2009 20:13
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Friederich » Sa 15 Jan, 2011 01:33


OK .. ich werde mal versuchen, dahinter zu kommen, kann aber in etwas nachvollzuiehen, was du meinst ..

Hab ein schönes Wochenende und bis bald!

Liebe Grüße,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon rivus » Mo 07 Feb, 2011 09:40


hi friederich,
das letzte ströphlein hat mir gefallen. vor allem der "blauton" u. "die skizze früher stunden". aber auch "ein altes paar schaut nach vorne". ich hätte mir sogar mehr bilder dazu gewünscht. aber die zeilen weichen der vollständigen terminierung aus und der weitere verlauf durchbricht eine scheinbar determinierte, vorweggenommne alltags-nüchternheit. so werden blicke, aus fascies gelöst, zu generativen skizzen u. die blautöne könnten alles surrogative harmonischer und offener akkordieren. ich meine, diese melancholische stille in deinem gedicht entwickelt fast den nährboden für einen gegenentwurf zum ursprünglich vermuteten service terminé.

lg, rivus
Benutzeravatar
rivus
Moderator
Moderator
 
Beiträge: 2989
{ IMAGES }: 0
Registriert: Sa 27 Sep, 2008 09:19
Wohnort: Am Rand der Welt
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Friederich » Mo 07 Feb, 2011 19:39


Hi Rivus,

danke für die Beschreibung deiner Lesart des Gedichts - es hat mich sehr gefreut und meinen Blick erweitert, die beschriebenen Skizzen so noch einmal zu lesen. Du hast das, was ich mit den Zeilen vermitteln wollte, sehr passend in Worte gefasst.

Du hast recht, vielleicht wären ein paar mehr Skizzen schön gewesen, auf der anderen Seite schien mir in dem Moment nicht mehr drin und so lebt das Gedicht erst einmal von seiner Kürze. Was mich aber vor allem freut ist die Offenheit, die du in der beschriebenen Melancholie liest. Der sehr frühe Morgen als Moment des Stillstandes und auch des Anfangs von etwas Neuem.

Viele Grüße,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Perry » Mo 14 Feb, 2011 00:58


Hallo Friederich,

ich stimme Isa zu, die dritte Strophe ist die beste. Bis man allerdings dahin kommt, muss man sich durch einige Wort- bzw. Bildverwirrungen kämpfen.

Die erste Strophe wird von einer Bahnhofsstimmung getragen, die eingeflochtenen Musikfragmente muten etwas konstruiert an. Ich habe zwar schon von Bahnhöfen gehört, in denen Konzerte abgehalten werden, aber das ist wohl eher Zufall.

Die zweite Strophe ist für mich am schwächsten, weil Fernseher und Spätprogramm eine unnötige Doppelaussage beinhalten und sicher nicht nur im zehnten Stockderen flackerndes Licht zu sehen ist. Auch die Zuordnung der letzten Tram, die zur Inspektion fährt, zu einer bestimmten Nacht ist wohl eher Zufall.

Gut solche Zufälle mag es geben, wie so manches im Leben zufällig geschieht, dem alten Paar mag es gleichgültig sein, es will nur nach Hause. Schön der gemeinsame Blick nach vorne, der aber wohl eher dem Weg geschuldet ist, als einer (Lebens)Erwartung. Gut auch die "blaue" Verklärung früherer Stunden. Nicht gut formuliert ist dagegen das "biegt in ein Haus ein." Damit das nicht zu schmerzhaft abläuft, würde ich den Weg zum Haus bevorzugen, in den das Paar einbiegt.

Ich hoffe, es ist was Konstruktives für dich dabei.

LG
Perry
Perry
Urgestein
Urgestein
 
Beiträge: 1198
Registriert: Do 20 Nov, 2008 14:29
Eigene Werke
 

Aw: Service terminé

Beitragvon Friederich » Mo 14 Feb, 2011 14:31


Hi Perry,

danke für deinen kritischen Kommentar. Damit, dass einiges nicht ganz exakt ist, hast du recht und ich werde in Zukunft etwas stärker darauf achten. Allerdings muss ich ergänzen, dass "service terminé" nicht eine Straßenbahn meint, die gerade zufällig in die Wartung fährt, sondern den Schriftzug am Haltestellenbildschirm, der die ganze Nacht über angezeigt ist und daher kein Zufall ist. Und das "Konzert" ist auch nur ein einzelner Saxoophonspieler und ein Gitarist, der für Spenden spielt, was nicht so selten ist, dass es ein unwahrscheinlicher Zufall ist. Gespalten stehe ich deiner Kritik am "Einbiegen" in das Haus entgegen, dass wenn, bildlich gesprochen, der Weg dort weiter geht, ist das Haus der Weg. Aber es ist nicht exakt und in keinem Wortfeld verortet, sodass ich darüber noch etwas nachdenken müsste, danke für den Hinweis.

VG,
Friederich
L'avenir, on ne l'attend pas comme on attend le train. L'avenir, on le fait. (Georges Bernano)

Friederich
Friederich
Stammuser
Stammuser
 
Beiträge: 508
Registriert: Sa 13 Sep, 2008 20:33
Eigene Werke
 

Zurück zu Strandgut

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron