Geschichten rund um Liebe, Familie oder Freundschaft

Lila I

Beitragvon cube » Sa 09 Apr, 2011 20:47


Lila bereitete nach dem Aufwachen grünen Tee, schnitt einen Apfel auf und aß und trank, dachte an den Traum, machte ein paar Notizen, um Details nicht zu verlieren und danach einen Spaziergang. Am See entlang und durch einen kleinen Park. Sie umrundete einen Teich, der von einer dünnen Eisschicht bedeckt war. Wie lange die sich halten wird, dachte Lila, wir haben schon Plusgrade. Als ihre Wangen vor Kälte glühten und die Füße kalt wurden, fuhr sie mit einem Bus zurück, auf den sie zwanzig Minuten gewartet hatte, weil die vorherigen Busse ausgefallen waren.
Schmelzwasser lief die Scheiben hinunter und wurde vom Fahrtwind beiseite gedrückt.
Tauwetter, dachte Lila und an eine eingefrorene Beziehung. Ob sie diese Wetterlage als Zeichen verstehen sollte oder ob der Versuch einer Wiederbelebung nur zu Störungen ihrer Atmosphäre führen würde. Sie schob den Gedanken beiseite, dachte an Rosa, das war jetzt wichtiger.
Aber irgendwie tauchte sein Gesicht immer wieder auf, oder etwas, das seinem Gesicht nahekommen könnte, Sätze, die er gesagt oder geschrieben hatte.
Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, obwohl es noch gar nicht so lange her war, kam es ihr vor, als wären Jahre vergangen. Und jetzt sah sie durch das Busfenster flauschig wirkende Flocken fallen und zu einer dünnen Schicht Vergessen werden. Die würde morgen Schnee von Gestern sein. Wie immer. Sie wollte das nicht, dass alles immer vorbeiging und zurückblieb, wollte nicht, dass man nichts halten konnte. Dass die Erinnerung wie Schnee in ihrer warmen Hand schmolz. Sein Gesicht hatte sich ja schon fast aufgelöst. Sie wünschte sich kühle Hände, wie er sie hatte. Noch hatte sie ein paar Bilder, die sie halten konnte, aber ihre Hände waren warm, immer schon gewesen, das würde sich nicht ändern und die Bilder würden zerfließen, weniger werden. Und dann verschwinden und dann nichts mehr.
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Re: Lila I

Beitragvon Smilodon » Sa 09 Apr, 2011 23:09


Hallo cube,

ich weiß nicht, ob das I im Titel darauf anspielen soll, dass es nur der erste Teil von etwas ist und wir vielleicht in den nächsten Tagen noch mehr von Lila zu lesen bekommen. Da der letzte Satz aber darauf hindeutet, dass das eine abgeschlossene Geschichte ist, beurteile ich sie auch als solche.

Und ich glaube, dass die Geschichte so nicht funktioniert. Der Inhalt ist gleich null und dein Text ist stattdessen ein Stimmungsbild einer eingefrorenen Liebe. Ich möchte gar nicht zu sehr darauf eingehen, dass es nicht gerade innovativ ist, sich einzig und allein am Wetter und an den Schneeflocken als einziges Metapherchen für Lilas Gefühlslage zu halten. Daraus hättest du nämlich immer noch so einiges herausholen können, wenn du deine Figur auch nur mit ein wenig Leben füllen und deine Sprache ihrer Denkweise anpassen würdest.

Aber fangen wir mit deinen Farbspielereien. Dass Lila sich gleich im ersten Satz grünen Tee macht, lasse ich dir noch durchgehen, spätestens aber als sie an Rosa denkt, wird es albern.

Generell frage ich mich, warum das Frühstück in allen Einzelheiten für mich interessant sein sollte. Ob sie jetzt grünen oder schwarzen Tee, einen Apfel oder eine Orange frühstückt, ist doch vollkommen schnuppe - es macht die Figur nicht besonders und schon gar nicht erzählt es irgendwas über ihr Gefühlsleben, um das es in deinem Text ja geht. Auch der Traum und die Notizen schön und gut. Das ist nicht sehr interessant für mich, es zeichnet die Figur jetzt nicht als etwas besonders aus, dass sie träumt und an ihren Traum denkt.

Vielleicht denkt sie ja öfter an Träume, macht sich jeden Morgen Notizen und blättert in den Notizen oder ähnliches? Das wäre eine besondere Eigenschaft der Figur, mit denen sie sich von anderen Figuren abheben würde. Wenn du das Traumnotizenmotiv ein wenig fortführen würdest, ließe sich daraus etwas machen. Warum macht sie sich diese Notizen? Wann hat sie damit angefangen? Etc. Das würde mir als Leser es wesentlich einfacher machen, mich irgendwie ein wenig in die Psychologie der Figur reinzuversetzen.

Am See entlang und durch einen kleinen Park.

Auch frage ich mich, was mir dieser Satz hilft. Dass sie erst am See entlang und dann im Park spaziert, ist mir auch vollkommen schnuppe. Es ist für die Essenz deines kurzen Textes absolut unnötig. Oder ist es vielleicht der See oder Park, in dem sie immer mit ihrem Freund damals gelaufen ist? Dort, wo sie mal zusammen Ruderboot gefahren und ins Wasser gefallen sind? Dort wo sie einmal einen Igel mit einem gebrochenen Bein gefunden haben, den sie mit nach Hause genommen haben und zusammen gepflegt haben? Dort wo.... irgendsowas... das sind Dinge, die diese eine Geschichte, die du erzählst, zu einer besonderen Geschichte machen würden. Aber das kommt leider nicht, du hältst dich einfach am Wetter fest als einzigen Denkanstoß und das funktioniert einfach nicht bei so einer inhaltsleeren Geschichte mit einem so abgenutzten Thema. Versuch doch nicht die Geschichte irgendeiner Person zu erzählen, sondern male dir Lila aus, stelle sie dir vor, wie sie durch den Park geht und denke dir dann mögliche Erinnerungen aus, Symbole, Bilder o.ä., die sich dann durch den ganzen Text ziehen können. Das würde es wesentlich spannender machen, deinen Text zu lesen.

So wie es momentan geschrieben ist, könntest du genauso gut damit anfangen:
Sie umrundete einen Teich, der von einer dünnen Eisschicht bedeckt war.

Hier zeigt sich auch gut, dass deine Sprache die Figur auch nicht besonders spannend fand. "der von einer dünnen Eisschicht bedeckt war" ist doch viel zu umständlich formuliert, versuche es doch mal etwas direkter: "Der Teich war von einer dünnen Eisschicht bedeckt." oder "Eine dünne Eisschicht lag auf dem Teich."
Dann könntest du auch hier wieder mit einer persönlichen Erinnerung weitermachen... wie sie gemeinsam Schlittschuh laufen waren und er eingekracht ist. Oder oder oder...

Wie lange die sich halten wird, dachte Lila, wir haben schon Plusgrade.

Bei den lauen deutschen Wintern wahrscheinlich nicht lange. Eine Eisschicht wirst du nach ein paar Tagen Plusgraden kaum noch finden. Mehr so einzelne Eisschollen, die noch auf dem Wasser rumschwimmen.


Auch hier zeigt sich meiner Meinung nach sehr viel Umständlichkeit:
fuhr sie mit einem Bus zurück, auf den sie zwanzig Minuten gewartet hatte, weil die vorherigen Busse ausgefallen waren.

Warum ist das wichtig, dass sie 20 Minuten auf den Bus gewartet hat? Das ist ebenso irrelevant wie der Apfel und der grüne Tee.

Die Logik mancher Bilder sind meiner Meinung nach auch überdenkenswürdig:
Schmelzwasser lief die Scheiben hinunter und wurde vom Fahrtwind beiseite gedrückt.
Tauwetter, dachte Lila und an eine eingefrorene Beziehung.

Das erste Bild verstehe ich nicht. Nach welcher Seite kann das Wasser denn gedrückt werden vom Fahrtwind? Und seit wann gibt es überhaupt Schmelzwasser an einem Bus? Ein Bus steht doch nachts ganz sicher in der Busgarage und selbst wenn nicht müsste er erst vollständig vom Schnee befreit werden, um überhaupt für den Straßenverkehr zugelassen zu werden. Das ist schon bei Autos so und bei Linienbussen sind die Vorschriften höchstwahrscheinlich noch viel strenger. Und selbst wenn da noch ein paar kleine Schneeflöckchen auf dem Dach liegen (die ja nicht frisch sein könnten, weil ja schon Plusgrade herrschen), wird davon sicher kein Schmelzwasserfall die Scheibe hinunterstürzen. Das ist vielleicht alles ein wenig spitzfindig, aber insgesamt ist es einfach zu unlogisch und deswegen überzeugt mich das Bild nicht. Davon abgesehen, dass es selbst wenn das Bild überzeugend wäre, auch nur wieder so ein unpersönliches Stückchen Fantasie ist, das deine Figur in keinster Weise besonders macht. (Und ein Komma nach Lila fehlt auch noch. ;))

Ob sie diese Wetterlage als Zeichen verstehen sollte oder ob der Versuch einer Wiederbelebung nur zu Störungen ihrer Atmosphäre führen würde.

Und jetzt stelle dir bitte das arme verzweifelte Mädchen, im Bus sitzend, vor, wie sie über ihre Beziehung nachdenkt. Glaubst du wirklich, sie würde denken: "Ob ich diese Wetterlage als Zeichen verstehen sollte oder ob der Versuch einer Wiederbelebung nur zu Störungen in meiner Atmosphäre führen würde?"
Das passt doch schon rein sprachlich gar nicht zum Gedankengang einer solchen Figur. Man denkt doch in viel kürzeren Sätzen, macht Pausen dazwischen, und schon gar nicht benutzt man Worte wie "Wetterlage" oder "Störung meiner Atmosphäre". Wie wärs stattdessen mit: "Ist das Wetter ein Zeichen? Nein, damit würde sie nur noch mehr kaputt machen."?

Sie schob den Gedanken beiseite, dachte an Rosa, das war jetzt wichtiger.

Davon abgesehen, dass zwei Freundinnen, die Lila und Rosa heißen, an Albernheit kaum noch zu überbieten sind, frage ich mich hier auch wieder, warum ist es wichtiger, dass Lila an Rosa denkt? Und sprachlich ist das "Sie schob den Gedanken beiseite" wiederum zu umständlich. "Egal, sie dachte lieber an Rosa. Die war jetzt wichtiger." - würde es auch tun und nicht so einen langatmigen Block zwischenrein schieben.

Sätze, die er gesagt oder geschrieben hatte.

Was denn für Sätze? Auch hier bleiben die Personen völlig blass. Warum gerade er? Was ist so besonders an seinem Gesicht? Was hat er denn so besonderes gesagt, sodass es immer wieder durch ihren Kopf spukt?

Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, obwohl es noch gar nicht so lange her war,

?


Und jetzt sah sie durch das Busfenster flauschig wirkende Flocken fallen und zu einer dünnen Schicht Vergessen werden.

Flauschige Schneeflocken bei Plusgraden?
Ansonsten ist eine der Stellen (oder DIE Stelle) deines Textes, die mir noch am besten Gefallen. Ich meine den letzten Teil: "Flocken fallen und zu seiner dünnen Schicht Vergessen werden."
Leider machst du dieses eine schöne Bild im nächsten Satz gleich wieder kaputt, indem du diese banale Alltagsfloskel reinbaust, damit der Leser gar nicht erst auf den Gedanken kommt, die Schicht Vergessen auf sich wirken zu lassen und für sich zu interpretieren.

Noch hatte sie ein paar Bilder, die sie halten konnte,

Auch hier wieder: Was für Bilder? Wenn du am Anfang etwas erzählt hättest von gemeinsamen Erlebnissen könntest du hier diese Bilder nochmal kurz anklingen lassen und du hättest einen schönen Rahmen um den Text.


Mein Fazit: Dass ich den Text so im letzten Detail auseinander genommen habe, liegt daran, dass ich den Grundgedanken gar nicht so schlecht finde. Stimmungsbild, Schnee, die Busfahrt, aus dem Fenster gucken. Das ist zwar nicht sehr originell, aber sprachlich schön formuliert und mit ein wenig Leben gefüllt, könntest du da sicher einiges draus machen. Meine Hauptprobleme waren
1. die umständliche Sprache, die weder deiner Figur noch einem solchen Stimmungsbild gerecht wird,
2. die blassen Figuren, die du vollkommen charakterzugs- und erinnerungslos gezeichnet hast, und
3. die Überflüssigkeit vieler Szenen, die deinem Text keinerlei Mehrwert bieten, wenn du sie nicht weiter ausbaust oder zu einem stimmigen Gesamtbild der Figur ummünzt.

Das sind die drei Punkte, an denen ich dir ganz dringend Nachbesserungen ans Herz legen würde. Dann kannst du aus dem Grundidee sicher einen Text werden lassen, den auch im Grunde gerne gelesen hätte.

Nichtsdestotrotz liebe Grüße,

Smi
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Re: Lila I

Beitragvon cube » So 10 Apr, 2011 02:20


Hi Smi, diese Geschichte besteht aus 51 Segmenten, deren einzelne Teile ich so zu schreiben versuchte, dass sie auch ohne den Rest les- und genießbar wären. Natürlich beurteilst du sie nach dem, was du vorfindest, das ist legitim. Dem Rest deiner umfangreichen Rückmeldung widme ich mich später, *hicks* ich brauch mal nen Kaffee - und ein paar Stunden Schlaf dazwischen.
Salut!
Zuletzt geändert von cube am So 10 Apr, 2011 02:22, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Lila I

Beitragvon Smilodon » So 10 Apr, 2011 02:28


Hi Smi, diese Geschichte besteht aus 51 Segmenten, deren einzelne Teile ich so zu schreiben versuchte, dass sie auch ohne den Rest les- und genießbar wären.

Ich glaube aber auch, dass das meiste Feedback auch dann noch gilt, wenn die Geschichte noch 50 Segmente länger ist. Also es könnte natürlich sein, dass du im ersten Segment absichtlich nicht so viel von Lila und ihrer Beziehung erzählen möchtest und das dann in Segment 2 bis 51 nachholst, aber dennoch glaube ich, dass auch Segment 1 ein wenig mehr Leben seitens der Protagonistin verdient hat. ;)
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Re: Lila I

Beitragvon cube » So 10 Apr, 2011 10:43


Moin, ja, klar, das war nur ein Hinweis, weil du auf den ersten Metern fragtest, ob der Text Auszug eines längeren oder erster Teil einer Serie sei. Ist das neunte Segment, habe ich gerade nachgeschaut. Vorab mal vielen Dank fürs kritische Rückmelden, jetzt der Reihe nach, irgendeiner, im Zweifel.

Und ich glaube, dass die Geschichte so nicht funktioniert. Der Inhalt ist gleich null und dein Text ist stattdessen ein Stimmungsbild einer eingefrorenen Liebe. Ich möchte gar nicht zu sehr darauf eingehen, dass es nicht gerade innovativ ist, sich einzig und allein am Wetter und an den Schneeflocken als einziges Metapherchen für Lilas Gefühlslage zu halten. Daraus hättest du nämlich immer noch so einiges herausholen können, wenn du deine Figur auch nur mit ein wenig Leben füllen und deine Sprache ihrer Denkweise anpassen würdest.

Wenn ich deine rhetorischen Hakenschläge hier abziehe, bleibt die Kritik an Handlungsarmut und Leblosigkeit meiner Figur. Okay, das lasse ich erstmal so stehen.

Vielleicht denkt sie ja öfter an Träume, macht sich jeden Morgen Notizen und blättert in den Notizen oder ähnliches? Das wäre eine besondere Eigenschaft der Figur, mit denen sie sich von anderen Figuren abheben würde. Wenn du das Traumnotizenmotiv ein wenig fortführen würdest, ließe sich daraus etwas machen. Warum macht sie sich diese Notizen? Wann hat sie damit angefangen? Etc. Das würde mir als Leser es wesentlich einfacher machen, mich irgendwie ein wenig in die Psychologie der Figur reinzuversetzen.


Ja, das könnte man machen, sicher. Beim Überfliegen habe ich den Eindruck gekriegt, dass das auch so deine Stoßrichtung ist - Psychologie, die fehlt dir hier. Damit scheinst du wenigstens auf der Höhe der Zeit zu sein, diese aufwendig ausgeleuchteten Innenleben sollen ja wieder up to date sein.

Versuch doch nicht die Geschichte irgendeiner Person zu erzählen, sondern male dir Lila aus, stelle sie dir vor, wie sie durch den Park geht und denke dir dann mögliche Erinnerungen aus, Symbole, Bilder o.ä., die sich dann durch den ganzen Text ziehen können. Das würde es wesentlich spannender machen, deinen Text zu lesen.


Mensch, Smi, dein Engagement in allen Ehren, aber kuck dir doch mal die Länge und Beschaffenheit des Textes an - was du da willst, ist nicht nur wesentlich opulenter, sondern auch ganz anders. Dass es Zeichen, Bilder und Wunder gibt, hab ich auch schon mal gehört. Also das ist mir wirklich ein bisschen zu unkonkret.

"der von einer dünnen Eisschicht bedeckt war" ist doch viel zu umständlich formuliert, versuche es doch mal etwas direkter: "Der Teich war von einer dünnen Eisschicht bedeckt." oder "Eine dünne Eisschicht lag auf dem Teich."

Du meinst ohne den ersten Teilsatz, nehme ich an. Als Anfang. Das macht auf den ersten Blick Sinn.

Warum ist das wichtig, dass sie 20 Minuten auf den Bus gewartet hat? Das ist ebenso irrelevant wie der Apfel und der grüne Tee.

So Details sind authentisch. Kleinigkeiten, in denen man sich wiedererkennen oder zu denen man sich in Beziehung setzen kann. Ohne dieses 'Irrelevante' wäre der Text schlicht noch kälter. Das sind ja auch so Informationen, die man im Vorbeigehen mitnimmt, genau wie die Farbspielereien, also ich glaube nicht, dass das von einem Leser normalerweise so bewertet wird: Oh, da sind vier Farben drin, das ist ja albern. Wer das anders sieht, möge sich melden. Ich halte mich für lernfähig.

Das erste Bild verstehe ich nicht. Nach welcher Seite kann das Wasser denn gedrückt werden vom Fahrtwind? Und seit wann gibt es überhaupt Schmelzwasser an einem Bus? Ein Bus steht doch nachts ganz sicher in der Busgarage und selbst wenn nicht müsste er erst vollständig vom Schnee befreit werden, um überhaupt für den Straßenverkehr zugelassen zu werden. Das ist schon bei Autos so und bei Linienbussen sind die Vorschriften höchstwahrscheinlich noch viel strenger. Und selbst wenn da noch ein paar kleine Schneeflöckchen auf dem Dach liegen (die ja nicht frisch sein könnten, weil ja schon Plusgrade herrschen), wird davon sicher kein Schmelzwasserfall die Scheibe hinunterstürzen. Das ist vielleicht alles ein wenig spitzfindig, aber insgesamt ist es einfach zu unlogisch und deswegen überzeugt mich das Bild nicht. Davon abgesehen, dass es selbst wenn das Bild überzeugend wäre, auch nur wieder so ein unpersönliches Stückchen Fantasie ist, das deine Figur in keinster Weise besonders macht. (Und ein Komma nach Lila fehlt auch noch. ;))

Ja, ja, ich habs ja kapiert! Lila ist furchtbar langweilig und verwechselbar. So. Hm, schade. Was soll ich dazu jetzt noch sagen? Deine inhaltliche Skepsis dürfte komplett daneben treffen, das habe ich schon beim Überfliegen vorhin durch meine Whiskeybrille geschnallt. Fährst wohl nie Bus, was?
Spitzfindig an sich ist schon gut, auch das kleinste Detail muss stimmen. Aber: Stell dir eine Wetterlage um 0° herum vor, in höheren Luftschichten ist es kälter, Niederschlag fällt als Schnee, der in Bodennähe sehr schnell taut. Auch, wenn er auf Busscheiben trifft. Von 'Schmelzwasserfall' ist nicht die Rede. Und in welche Richtung sollen die Tropfen schon gedrückt werden? Entgegen der Fahrtrichtung. Komma, auch noch! Bist du sicher, dass es so, wie es da steht, nicht erlaubt ist ...

Und jetzt stelle dir bitte das arme verzweifelte Mädchen, im Bus sitzend, vor, wie sie über ihre Beziehung nachdenkt.


Ja, erledigt. Und wer soll das sein? ;) Echt, Smilodon, du wünscht dir hier Sachen rein, also ich frage mich grade, was ich von solch freischwebenden Vorschlägen halten soll. Schau mal, der Text ist grundsätzlich anders angelegt, als du ihn haben willst. Ich will hier keine Figurenpsychologie oder konkreten Erinnerungen. Und - deine Interpretationsfreiheit in allen Ehren - das 'arme verzweifelte Mädchen' gibt es hier nicht, in keinem meiner Texte gibt es die, was ist das überhaupt für eine Person? Dienstmädchengemüt achtzehntes Jahrhundert? Lila ist in meinen Augen eine taffe Frau, die ziemlich kalt über eine Beziehung und das Vergehen reflektiert, zwischendurch geht sie durch eine winterliche Landschaft, isst Frühstück und wartet auf den Bus. Mir ist schon klar, dass ich hier ne Menge Abstand zu ihr habe, das ist herzloses Erzählen, da gebe ich dir recht, aber für mich ist das rund - das Setting, sie und was sie isst und tut, die Art, wie sie ihren Gegenstand reflektiert. Das ist alles distanziert und kühl. Mir ist diese Erzählstimme nicht zugestoßen oder so, die ist schon gewollt.

Glaubst du wirklich, sie würde denken: "Ob ich diese Wetterlage als Zeichen verstehen sollte oder ob der Versuch einer Wiederbelebung nur zu Störungen in meiner Atmosphäre führen würde?"

Nee, deswegen ist das auch nicht als ihr Gedanke gekennzeichnet, nehme ich an. Ist immer ein schwieriges Thema, Gedanken glaubwürdig darzustellen. Sehr reizvoll, der direkte Blick nach innen, aber verschriftlicht klingts dann hölzern, wie du schreibst. Den Satz, den du hier rausgepickt hast, den würde ich dem Erzähler zuordnen. Das kann natürlich leicht missverständlich sein mit den fließenden Übergängen.

Davon abgesehen, dass zwei Freundinnen, die Lila und Rosa heißen, an Albernheit kaum noch zu überbieten sind, frage ich mich hier auch wieder, warum ist es wichtiger, dass Lila an Rosa denkt? Und sprachlich ist das "Sie schob den Gedanken beiseite" wiederum zu umständlich. "Egal, sie dachte lieber an Rosa. Die war jetzt wichtiger." - würde es auch tun und nicht so einen langatmigen Block zwischenrein schieben.

Ja, gut. Wollte ich übernehmen! Aber lies das mal mit deinem Vorschlag, dieses lapidare 'Egal' fällt mE aus der Stimme - meinst du nicht? Vorschläge sind übrigens auch ohne Echauffrierungen willkommen, die kommen selbst langsam albern rüber. :) Zu Rosa und Lila: Dass die Namen irritieren, kann ich nachvollziehen. Ich habe die emotional gewählt, die Namen schienen mir richtig für die Figuren. Vielleicht wegen des Gegensatzes zu den behandelten Themen. Geht nämlich um verschiedene Todesnähen im Gesamttext, was kontrastiert Ernsthaftigkeit besser als Albernheit?

Was denn für Sätze? Auch hier bleiben die Personen völlig blass. Warum gerade er? Was ist so besonders an seinem Gesicht? Was hat er denn so besonderes gesagt, sodass es immer wieder durch ihren Kopf spukt?

Sorry, finde ich für diesen Text völlig irrelevant. Fläche, keine Tiefe. Dass dir das nicht liegt, ist natürlich schade, aber so sind die Figuren hier angelegt.

?

! - lies den Satz mal weiter ...

Flauschige Schneeflocken bei Plusgraden?
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Leider machst du dieses eine schöne Bild im nächsten Satz gleich wieder kaputt, indem du diese banale Alltagsfloskel reinbaust, damit der Leser gar nicht erst auf den Gedanken kommt, die Schicht Vergessen auf sich wirken zu lassen und für sich zu interpretieren.


Puh, knapp ums Lob rumgekommen.

Auch hier wieder: Was für Bilder? Wenn du am Anfang etwas erzählt hättest von gemeinsamen Erlebnissen könntest du hier diese Bilder nochmal kurz anklingen lassen und du hättest einen schönen Rahmen um den Text.


Wie die Eislaufen oder einen Igel gerettet haben oder was? Oo Einen schönen Rahmen! Und dann kannstes in dein Ikea-Wohnzimmer hängen, das brav die Stilmittel durchkonjugierende Textchen ...

1. die umständliche Sprache, die weder deiner Figur noch einem solchen Stimmungsbild gerecht wird,
2. die blassen Figuren, die du vollkommen charakterzugs- und erinnerungslos gezeichnet hast, und
3. die Überflüssigkeit vieler Szenen, die deinem Text keinerlei Mehrwert bieten, wenn du sie nicht weiter ausbaust oder zu einem stimmigen Gesamtbild der Figur ummünzt.


Kein Plan, was du mit umständlicher Sprache meinst.
Es ist eine Figur, die durch das was sie tut, sagt und reflektiert charakterisiert wird.
Das kann sein, vielleicht macht es keinen Sinn, einzelne Teile zu posten. Das wäre dann meine Fehleinschätzung, in dem Fall: Mea Culpa.

Danke für deine Einschätzung!

cube
Zuletzt geändert von cube am So 10 Apr, 2011 10:51, insgesamt 2-mal geändert.
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