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im gitter aus angst

Beitragvon apnoe » Sa 13 Sep, 2008 23:39


das fahrwasser der strömenden menge zieht dir die knie unter dem beherrschten rücken weg. du gerätst dem verebbenden rinnsal in die quere, driftest hölzern an die wand. fuck you, steht darauf, rot auf grau. du reißt die augen auf. nebel hängt hinter der pupille.
der flaschenhals baumelt wie tot zwischen daumen und zeigefinger.
du hast dich schon vor langem fallen gelassen, jetzt rutschst du abwärts.
in deiner miene zeigt sich kein erstaunen mehr. dass man auf einem bahnsteig am rücken liegt, in scherben das gespiegelte denkmuster, passiert schon mal, sagst du immer wieder. lauter und leise. das passiert schon mal.
der speichel rinnt dir über die wange hinters ohr und tropft fadenziehend, zeitdehnend sein bild auf den beton. rot auf grau. du spürst nichts.
das schweigen wird dichter.
und dein leben zu eng.
es gibt augenblicke, in denen eine rose wichtiger ist als ein stück brot. (rilke)
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon Garfield » So 14 Sep, 2008 18:22


Hi apnoe

Sehr schöner Text, wenn auch sehr traurig und hoffnungslos, aber gerade deshalb sehr intensiv.
Besonders schön fand ich "in deiner miene zeigt sich kein erstaunen mehr. dass man auf einem bahnsteig am rücken liegt"... "passiert schon mal, sagst du immer wieder."
Die Verbindung zwischen dem was passiert und dem was er empfindet ist dir wirklich gelungen.

Gruß Garfield
Kurz, er bewies eine Geduld, vor der die hölzern-gleichmütige Geduld des Deutschen, die ja auf dessen langsamer, träger Blutzirkulation beruht, einfach gar nichts ist.
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon apnoe » So 14 Sep, 2008 18:32


danke, garfield,
es freut mich, dass du dich mitziehen lassen konntest in die stimmung, die so mancher, der sein/ ihr leben in den u-bahnstationen fristet, in mir ausgelöst haben.
lieben gruß
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon Eugen » So 14 Sep, 2008 19:07


Moin apnoe,

mir hat es gut gefallen, so bedrückend es auch ist. Leider kenne ich beruflich solche Menschen. Ich finde die Bilder sehr knapp aber treffend umrissen. Aber mir fehlt ein Bestandteil und dabei handelt es sich um die hilflosen Vorsätze. Z.B so:

dass man auf einem bahnsteig am rücken liegt, in scherben das gespiegelte denkmuster, passiert schon mal, sagst du immer wieder. lauter und leise. das passiert schon mal. aber morgen raffe ich mich auf, murmelst du, ganz bestimmt morgen


Gruß Eugen
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon apnoe » So 21 Sep, 2008 22:22


danke eugen.
ich denke aber, dass es genau richtig ist, was er murmelt. ich mag auch nicht zuviel vorgeben
es geht mir genau um den moment, wo man sich selbst keinen mut mehr zuspricht, weil es keine hoffnung gibt. er resigniert und ob er wieder aufsteht, ist ansichtssache.
lieben gruß,
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon Eugen » So 21 Sep, 2008 23:16


Moin apnoe,

es ging mir nicht darum, daß er wirklich wiederaufsteht. Aber diese inhaltsleeren Versprechen, auch als Junkielügen bezeichnet, gehören nach meiner Erfahrung zum totalen Absturz dazu. Mehr wollte ich nicht anmerken.

Gruß Eugen
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon limes lupo » Di 30 Sep, 2008 15:06


kunst und so, und fuck you, du verstehst dass eh richtig.

limes lupo.
Alle Helden sind tot, Zeit ist Geld und viel zu knapp und das wissen wir alles schon.
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon apnoe » Di 30 Sep, 2008 19:40


ja, ich verstehe dich richtig. auf jeden fall.
du magst diesen text.
danke für die fucking positive rückmeldung.:D
liebundgruß, a
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Re: im gitter aus angst

Beitragvon blaue_Raupe » Mo 20 Okt, 2008 17:30


Als Siegertext des Septembers aus dem Treibgut hierher verschoben.
you cannot unscramble scrambled eggs.[links:3fqyydm7][/links:3fqyydm7]
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