Humoristische Geschichten, Satiren

Die Polizistin

Beitragvon Wolfgang » Fr 12 Mär, 2010 13:56


Es war einmal eine junge Polizistin, die benutzte ihren Schlagstock ohne skrupel. Fing sie erst einmal an, dann ging es: Zack! Zack! Zack!

Einmal traf sie ihre friedliche Mutter bei einer Demonstration, die gewaltsam aufgelöst werden sollte. Da sie ihre Mutter liebte und ihre Pflicht gern erfüllte, regte sich ihr Gewissen. Was tun? Klug wie sie war, tat sie beides, indem sie ihre Mutter verprügelte.

"Ich liebe dich über alles", sagte sie zu ihrer Mutter, indem sie ihr eins überzog.
"Wie tröstlich", sagte die Mutter sich unter den prasselnden Schlägen am Boden wälzend.
"Es ist besser, wenn du die Schläge von mir bekommst, als von einem Fremden. Der könnte dir vielleicht noch ernsthaft schaden."
"Das ist wahre Liebe", sagte die Mutter, ihre Zähne ausspuckend, "aber warum wird die Demo aufgelöst, sie war doch friedlich?"
"Das habe ich nicht zu entscheiden. Mir wird befohlen und ich gehorche. Damit ist auch klar, wer das eigentliche Opfer von uns beiden ist, nämlich ich. Ich bin das Opfer meiner Pflicht."

Dafür brachte die Mutter ebenfalls Verständnis auf, denn sie widerprach nicht, zumindest nicht deutlich vernehmbar. Das beruhigte das Gewissen der jungen Polizistin ungemein. Und wenn sie in der Zwischenzeit nicht gestorben ist, dann sorgt sie auch weiterhin für Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe.
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Re: Die Polizistin

Beitragvon exmaex » Fr 12 Mär, 2010 15:09


hu, wolfgang,

nennt man das parabel? vom duktus her errinnert mich das an kaf´s "vor dem gesetz"
vllt. etwas oberflächlich, bzw. könnte für meinen geschmack noch etwas hintergründiger werden, obwohl dann möglicherweise auch der parabelcharakter verlorenginge, denn der lebt von der symbolhafitgkeit, der generalisierung der dinge, ömkay also - mir gefällt das sehr gut, auch wenn es vllt. nicht ganz neu ist ~ das motiv des opfer seiner pflicht (in dem zusammenhang auch "strafgefangenenlager" [mal wieder kafka, aber außer ihm kenne ich kaum autoren, also kennen schon, also nicht persönlich, aber mal gehört, ne, ohne zu lesen, räusper]).

gruß, exmaex
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Re: Die Polizistin

Beitragvon Wolfgang » Mo 15 Mär, 2010 01:23


Guten Abend exmaex,

eine Parabel ist ein erweitertes Gleichnis. Darauf gibt mein Text keine Hinweise. Er beginnt mit einem: Es war einmal. Das ist der klassiche Anfang von Märchen.

Aber ein Märchen ist es trotzdem nicht. Das Märchenhafte ist der absurden Handlung und Reaktion der Mutter und Tochter geschuldet. Damit wird satirisch Polizeigewalt blossgelegt. Somit ist mein Text eine Satire in Märchengestalt, also eine Märchenparodie.

Das Motiv des unschuldigen Täters kommt sicher nicht selten vor, aber es schien mir die plausibelste Erklärung zu sein. Kafkas Erzählung stand dabei aber nicht Pate, auch wenn es vielleicht Parallelen geben mag. Etwa das Anprangern von Bürokratie.

Aus Deinen Zeilen lese ich den Vorwurf heraus, mein Text sei zu kurz. Er könne mehr Hintergrund vertragen. Nun, es ging mir um das Anprangern von Gewalt und das war der Grund, warum ich den Text überhaupt geschrieben habe. Meiner Meinung nach, steht alles drin, was rein soll und somit ist die Satire "fertig".

Kafka mag ich übrigens auch. Seine Erzählungen sind aber schwer verständlich. Am ehesten gefallen mir seine Briefe und Reiseaufzeichnung.

Danke und gute Nacht!

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Re: Die Polizistin

Beitragvon Struppigel » Di 20 Apr, 2010 21:00


Hallo Wolfgang,

die Geschichte ist interessant, aber insgesamt fehlt es mir dann doch an "Frische"
Wie Maex schon anmerkte - neu ist das tatsächlich nicht. Mich lässt es an das Milgram-Experiment denken, was ich äußerst interessant finde. Aber was bietet mir diese Geschichte über die Darstellung des Pflicht-Moral-Konflikts hinaus? Ich meine wirklich nur Darstellung, denn Hintergründe, Fragen, Lösungen, irgendetwas in der Richtung gibt es nicht, wäre aber meines Erachtens wünschenswert. Es geht also nicht um das simple Auffüllen einer Geschichte erzählerischem Stoff, sondern darum, den Kerninhalt auszubauen.
Trotzdem hat sie mich gut unterhalten und ich schätze einfache Sprache (wobei sie natürlich durch Dein gewähltes Genre schon festgelegt ist).
In Folge noch ein paar Kritteleien:

ohne skrupel.

Skrupel
Es war einmal eine junge Polizistin, die benutzte ihren Schlagstock ohne skrupel. Fing sie erst einmal an, dann ging es: Zack! Zack! Zack!

Einmal traf sie ihre friedliche Mutter bei einer Demonstration


Da sie ihre Mutter liebte und ihre Pflicht gern erfüllte, regte sich ihr Gewissen.
Falsche Begründung. Das Gewissen regt sich nicht weil sie etwas gern tut und jemanden liebt, sondern weil das eine mit dem anderen kollidiert.

Klug wie sie war, tat sie beides, indem sie ihre Mutter verprügelte.

Sie liebte sie, indem sie ihre Mutter verprügelte? Sicher nicht.
Natürlich kann ich mir denken (wie im letzten Satz auch), was gemeint ist, aber warum nicht gleich korrekt schreiben?

"Wie tröstlich", sagte die Mutter sich unter den prasselnden Schlägen am Boden wälzend.

"prasseln" passt hier meines Erachtens nicht bzw kollidiert mit meinem assoziativen Verständnis. So zahlreich und vor allem teilweise zeitgleich auftreffend wie Regentropfen dies beim Regnen zu tun pflegen, können die Schläge nicht sein. Schließlich hat die Dame nur einen Knüppel.

"Das ist wahre Liebe", sagte die Mutter, ihre Zähne ausspuckend, "aber warum wird die Demo aufgelöst, sie war doch friedlich?"

Warum spricht die Geschundene noch so wie beim entspannten Nachmittagsspaziergang? Warum wirken sich das Verlieren der Zähne, der Schmerz, das Blut in ihrem Mund, die Schläge nicht auf ihr Sprechverhalten aus?

Grüße
Struppi
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