Für alle Gedichte, die zwischenmenschliche Beziehungen behandeln - mit Ausnahme der Liebeslyrik

sprechblasen

Beitragvon wilma » Mi 27 Mär, 2013 12:05


sprechblasen


mit unseren knickerbockern
kabbeln wir wie toll-
kühn in unserem sprachflussbett,

schäumen uns auf,
bestaunen unsere silben-
reiher, die bei jedem flug-
ansatz bis zur betäubung
das drahtgitter anstoßen.

komm, warten wir
auf helios'
goldregen, der unsere
offenen münder stopft,
bis wir uns da wahrnehmen,
wo worte in unnot versickern.
Nichts ist weniger ergründbar als die Komplexität und der Facettenreichtum zwischenmenschlicher Beziehungen - und seien es Liebesbeziehungen

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rivus (Fr 12 Apr, 2013 00:13)
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Re: sprechblasen

Beitragvon struktur-los » Do 28 Mär, 2013 01:58


Hey Wilma,

Worte – sie sind wohl die vielseitigste Verständigungsform unter uns Menschen.
Mit den "Sprechblasen" assoziiere ich sofort ein Vakuum, welches zerplatzt, sobald man es berührt. Das Be-Staunen hält nur kurz an, motiviert dazu, seine Flügel aufzuspannen, um zum Flug anzusetzen, führt letztendlich jedoch nicht zum eigentlichen Erleben, zu einer wahrhaften Begegnung.
Scheinbar sprichst du hier das schnell Dahergesagte, Phrasen, Bilder an, die das Innere, das zutiefst Gefühlte und Gewollte nicht auszudrücken vermögen und aus diesem Grund keinen Bestand, keinen persönlichen Wert hervorbringen. Identität geht verloren.

komm, warten wir
auf helios'
goldregen, der unsere
offenen münder stopft,
bis wir uns da wahrnehmen,
wo worte in unnot versickern.

Goldregen wird/würde da wohl eher weniger helfen ....
Wahrnehmung spielt sich m. E. vor der Bildung und Zuordnung von Worten, dem Einsatz der Sprache ab, erzeugt Gefühle und Emotionen - fremde und eigene - sichtbar gemacht, könn(t)en sie Berührungspunkte einfärben; signalisieren.

"Drahtgitter" ent-stehen dort, wo Worte fehlen.

Liebe Grüße
struktur-los
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Re: sprechblasen

Beitragvon wilma » Do 28 Mär, 2013 11:33


Huhu struktur-los,
.... dass Du den Text gelesen und so genau und einfühlsam kommentiert hast ... Ja, Du hast mit allem Recht ... :) Es ist sprachlich auch ein wenig 'Reden ist Silber, Schweigen ist Gold' drin - in den 'Silbenreihern' und dem 'Goldregen' ... ich kann es nicht lassen, mit Sprache wild rumzuspielen. Und - ja, ich finde 'Faselei' ziemlich schräg :lach: und einen 'Killer' für zwischenmenschliche Beziehungen ... Ich bin Dir sehr dankbar für Deinen Kommi.

Viele Grüße
die Wilma
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Re: sprechblasen

Beitragvon kokoschanell » Do 11 Apr, 2013 16:16


liebe wilma,

ich habe dein werk nun schon mehrfach gelesen, weil es etwas faszinierendes hat.
viele bilder sprechn eigene sprache.
knickerbocker, drahtgitter- sprechblasen erinnerte mich an comics, kinder.
verhalten wir uns nicht oft wie kinder, die irgendetwas dahersagen, was ohne hintergrund ist?
sprechblasen unmd ihr sinnentleerter inhalt ( denn auch comics sind ja nicht hochintelligent, künden von helden und verlierern)- das ist wohl die grundaussage.

Drahtgitter sind womöglich die grenzen, an die unsere sprachspielchen stoßen, an denen die blasen zerschellen. dennoch sitzen wir im "Reden-müssen-gefängnis"
die meisten menschen können nicht zusammen sitzen und schweigen. nur mit ganz guten freunden kann man das und mit sehr vertrauten menschen. ansonsten "müssen" wir immer reden.

unnot? gleich unnötig?
lg von koko
Vielleicht stünde es besser um die Welt, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen.

G.B. Shaw
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Re: sprechblasen

Beitragvon einePaulquappe » Do 11 Apr, 2013 17:45


lord chandos wäre dieses stück ein genuß gewesen, jede wette!
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Re: sprechblasen

Beitragvon wilma » Di 16 Apr, 2013 11:18


Oh sorry, Koko - ich sehe Deine Kommi erst jetzt ...
Hallo erstmal,
und vielen Dank für Deine Gedanken zum Gedicht. Klar hast Du mit alledem Recht, vor allem mit dem hier:
Drahtgitter sind womöglich die grenzen, an die unsere sprachspielchen stoßen, an denen die blasen zerschellen. dennoch sitzen wir im "Reden-müssen-gefängnis"
die meisten menschen können nicht zusammen sitzen und schweigen. nur mit ganz guten freunden kann man das und mit sehr vertrauten menschen. ansonsten "müssen" wir immer reden.

unnot? gleich unnötig?

Ja, das ist genauso intendiert gewesen :)

Vielen, vielen Dank!
Und ebensoviele Grüße
W.
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Re: sprechblasen

Beitragvon wilma » Di 16 Apr, 2013 11:21


Hi einePaulquappe,
who the fuck is lord chandos? *lach* Egal ...

Thanks for reading ...
Viele Grüße, W.
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Re: sprechblasen

Beitragvon einePaulquappe » Di 16 Apr, 2013 16:29


moin wilma.

also den lord gibs nicht wirklich. er ist eine literarische kunstfigur von h.von.hoffmansthal und sehr bekannt geworden durch seine sprachkritik.
sein einleitungssatz: "Mir zerfallen die Worte im Mund wie modrige Pilze." hat mich an deine Prosa erinnert, besser anders herum, als ich deine prosa las, fiel mir spontan der chandos brief ein.

hier mal ein link falls es dich interessiert.

http://userpage.fu-berlin.de/~mertins/hof.htm
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Re: sprechblasen

Beitragvon wilma » Mi 17 Apr, 2013 10:54


Hi Paulquappe!
Joa, hab' gestern schon neugierig gegoogelt und bin im Bilde, so leidlich ...
Danke für diese Deine Assoziation, die für mich ein großes Lob darstellt, ein wirklich großes.
Und viele Grüße
W.
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